Narzissten erobern zunehmend die Schalthebel der Macht

Oder aber, der türkische Diktator Recep Tayyip Erdogan meint mit dem von ihm oft und gern zitierten „Nationalem Willen“  solche ihm gefällige Situationen, in welchen das Wahlvolk für seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) stimmt. Fällt das Ergebnis – was Wunder – nicht zu seinen Gunsten aus, zählt der „nationale Wille“ wenig bis gar nicht. Einmal mehr mußten das heute jene Kurden erfahren, die in vielen Gegenden im Südosten des Landes traditionell nicht die AKP, sondern mehrheitlich die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) wählen. In den drei Grossstädten Diyarbakir, Mardin und Van setzte das Innenministerium heute, am Montag, 19. August die gewählten Bürgermeister ab. Den Volksvertretern wird von der „Regierung“ Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen.
In einer langen Erklärung, die das Ministeriums auf Türkisch, Kurdisch und Englisch veröffentlichte, heisst es, die von der Türkei als Terrororganisation eingestufte PKK habe dank „entschiedenem Kampf gegen den Terrorismus in den letzten Jahren empfindliche Verluste“ hinnehmen müssen.
In der Türkei gebe es so wenige PKK-Mitglieder wie noch nie in den letzten dreissig Jahren. Einige Stadtverwaltungen seien jedoch – heisst es in der Erklärung weiter – so zu Logistikzentren für die Rebellen verkommen.

Wie wäre der Staatsgründer und Revolutionär
Kemal Atatürk wohl mit einer solchen Regierung verfahren?

Kemal Atatürk – Erdogans großes Vor- und Feindbild, hat als Gründer und erster Präsident der Republik eine Gesellschaft mit großer Radikalität verändert. Nicht nur sein westlicher, säkularer Wertekanon ist heute durch Erdogan in Gefahr.
„Vater der Türken“ heißt Atatürk übersetzt. Als solcher begreift sich der Soldat, Revolutionär, Visionär und Politiker wohl, als er sein Land aus den Trümmern des Osmanischen Reiches erhebt und ihm ab der Proklamation der Republik am 29. Oktober 1923 einen neuen, seinen Stempel aufdrückt. Der Weg des Mustafa Kemal Pascha zu Atatürk war heftig, kontrovers und dauert bis zum Jahr 1934. Erst in dem Jahr verleiht ihm die Große Nationalversammlung den Ehrentitel, den niemand sonst je tragen darf und wird.
Mustafa Kemal revolutionierte Schrift, Kleidung und Sprache der Türken, erkämpfte den Nationalstaat und setzte ihn mit Intelligenz durch. Die Türken lieben ihren „Vater“ bis heute. Machtmißbrauchende waren ihm ein Greuel; lebte er heute, wäre den Türken Erdogan mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit – wie auch immer – erspart geblieben.

Damals setzte Erdogan Dutzende von kurdischen Bürgermeistern ab, Tausende von Kurden wanderten ins Gefängnis, unter ihnen Selahattin Demirtas und weitere Abgeordnete der Oppositionspartei. Verhaftet wurde damals auch Ahmet Türk. Der 74-Jährige gilt als der Elder Statesman der Kurden. Türk ist ein langjähriger Vorkämpfer für die Rechte der Kurden. Vor Jahren gründete er eine Dachorganisation, die sich auf demokratischem Weg für die Interessen der Minderheit einsetzt. Dass ausgerechnet er eine «Terrororganisation befehligen» soll, ist aus Sicht von Kennern des Landes absurd.
Manche hatten gehofft, dass Erdogan jetzt, wo auf absehbare Zeit keine Wahlen anstehen, einen Neuanlauf für eine politische Lösung des seit 35 Jahren andauernden Konflikts nehme. Dass der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan nach Jahren endlich wieder von seinen Anwälten Besuch erhalten kann und sich zu Wort melden durfte, hat entsprechende Spekulationen befeuert. Mit dem jetzigen Schlag macht Erdogan freilich mehr als deutlich, dass er keinerlei Interesse an einem friedlichen Ausgleich hat.
Konkret wird den drei Bürgermeistern von der Erdoganschen Regierung vorgeworfen, ihr Amt missbraucht zu haben, indem sie diw PKK politisch und finanziell zu unterstützt hätten, indem sie zum Beispiel von der Regierung geschasste Angestellte wieder eingestellt und zudem „Jobs an Angehörige von getöteten Rebellen vergeben“ hätten.  Zudem stösst sich die Regierung am Prinzip der Doppelspitzen, das die HDP auf allen Ebenen befolgt. Nicht nur seien die Co-Bürgermeister auf Anweisung der PKK eingesetzt worden, die Bürgermeister hätten damit auch versucht, ihre Stadtverwaltungen in eine von der restlichen Türkei «separate Struktur» zu verwandeln.
Gegen den Bürgermeister von Diyarbakir, Adnan Selcuk Mizrakli, seinen Amtskollegen Ahmet Türk von Mardin sowie die Bürgermeisterin von Van, Bedia Özgökce Erdan, hat die Staatsanwaltschaft in mehreren Fällen Anklage wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ und Terrorpropaganda erhoben. Die Anklagen gehen teilweise auf ihre Zeit als Abgeordnete in früheren Jahren zurück. Türk wird zudem beschuldigt, bewaffnete Terrororganisationen gegründet zu haben. Das Amt von Mizrakli, Türk und Erdan übertrug die Regierung kommissarisch dem jeweiligen Provinzgouverneur. Gouverneure nämlich werden in der Türkei nicht gewählt, sondern vom Präsidenten eingesetzt.
Die Absetzungen und die Verhaftungswelle erinnern an das Vorgehen der Regierung kurz nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016.Damals setzte Erdogan Dutzende von kurdischen Bürgermeistern ab, Tausende von Kurden wanderten ins Gefängnis, unter ihnen Selahattin Demirtas und weitere Abgeordnete der Oppositionspartei. Verhaftet wurde damals auch Ahmet Türk. Der 74-Jährige gilt als der Elder Statesman der Kurden. Türk ist ein langjähriger Vorkämpfer für die Rechte der Kurden. Vor Jahren gründete er eine Dachorganisation, die sich auf demokratischem Weg für die Interessen der Minderheit einsetzt. Dass ausgerechnet er eine «Terrororganisation befehligen» soll, ist aus Sicht von Kennern des Landes absurd.
Manche hatten gehofft, dass Erdogan jetzt, wo auf absehbare Zeit keine Wahlen anstehen, einen Neuanlauf für eine politische Lösung des seit 35 Jahren andauernden Konflikts nehme. Dass der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan nach Jahren endlich wieder von seinen Anwälten Besuch erhalten kann und sich zu Wort melden durfte, hat entsprechende Spekulationen befeuert. Mit dem jetzigen Schlag macht Erdogan freilich mehr als deutlich, dass er keinerlei Interesse an einem friedlichen Ausgleich hat.
Vielmehr meint er, die Kurden mit Repression und Gewalt in die Knie zwingen zu können. Dass dieser Kurs keinen Erfolg hat, machten die Kurden freilich in den Kommunalwahlen am 31. März deutlich. Die HDP eroberte fast alle der Stadtverwaltungen zurück, in denen ihre Vertreter abgesetzt und teilweise verhaftet worden waren. Mizrakli, dessen Vorgängerin Gülten Kisanak seit Oktober 2017 in Haft sitzt, feierte in Diyarbakir mit knapp 63 Prozent einen Erdrutschsieg. Türk wurde mit mehr als 56 Prozent der Stimmen wiedergewählt, und Erdan holte in Van knapp 54 Prozent.
Nach eigenen Angaben fanden die drei Bürgermeister nach ihrer Amtsübernahme jedoch leere Staatskassen vor. Die von der Regierung eingesetzten Verwalter hätten diese geplündert, sagten sie. Besondere Verschwendungssucht legte offenbar der eingesetzte Verwalter von Diyarbakir an den Tag. Kurz nach seiner Amtsübernahme sorgte ein Tweet von Mizrakli für Furore, in dem er das mit schweren Möbeln und einem Luxusbad ausgestattete Büro zeigt, das er sich während seiner Amtszeit hat einrichten lassen.einrichten liess.
Erdogan hatte offenkundig zu befürchten,
dass seine Machenschaften afgedeckt würden
Der Bürgermeister von Mardin, Türk, habe sich in Ankara befunden, um für Kredite für seine Stadt zu werben, als er von seiner Absetzung erfahren habe, berichteten türkische Medien. Erdogan musste also fürchten, dass noch mehr über die Verschwendung und mögliche Korruption seiner Getreuen ans Tageslicht kommen würde. Auch das könnte ein Grund für die Einsetzung der Zwangsverwalter in den für die Kurden wichtigsten Metropolen sein. Gedroht hatte der Präsident damit bereits kurz nach der Wahl.
Die HDP nannte die Amtsenthebung von Mizrakli, Türk und Erdan einen «politischen Putsch». Die Regierung könne es nicht ertragen, dass die «Korruption», «Schande» und «Verschwendung von öffentlichen Ressourcen» der ehemaligen Statthalter ans Tageslicht komme. Sie versuche auf undemokratischem Weg zu erreichen, was ihr über Wahlen nicht gelungen sei. Anders als in der Vergangenheit, als die restliche Opposition zum Vorgehen der Regierung gegen die HDP schwieg, löste der Schlag vom Montag diesmal einen Sturm der Empörung aus. Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul, nannte die Amtsenthebung undemokratisch. Es sei inakzeptabel, dass der Wille des Volkes ignoriert werde, twitterte Imamoglu auch auf Englisch:
Ekrem İmamoğlu
It is impossible to associate the removal of Diyarbakır, Van and Mardin Mayors with democratic practices. The three mayors who are replaced by state-appointed trustees were elected by popular vote in the March 31 local elections. Ignoring the will of the people is unacceptable.
3.157
09:39 – 19. Aug. 2019
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Imamoglu, der der Republikanischen Volkspartei (CHP) angehört, wurde Ende Juni in einer von Erdogan erzwungenen Wahlwiederholung mit den Stimmen von HDP-Anhängern ins Amt der grössten Stadt des Landes gewählt. Vor wenigen Tagen trafen sich seine Frau und die des CHP-Vorsitzenden mit Demirtas’ Frau Basak. Nicht wenige sahen darin ein klares politisches Signal der CHP an die Kurden.
Der Bürgermeister von Mardin, Türk, habe sich in Ankara befunden, um für Kredite für seine Stadt zu werben, als er von seiner Absetzung erfahren habe, berichteten türkische Medien. Erdogan musste also fürchten, dass noch mehr über die Verschwendung und mögliche Korruption seiner Getreuen ans Tageslicht kommen würde. Auch das könnte ein Grund für die Einsetzung der Zwangsverwalter in den für die Kurden wichtigsten Metropolen sein. Gedroht hatte der Präsident damit bereits kurz nach der Wahl.
Die HDP nannte die Amtsenthebung von Mizrakli, Türk und Erdan einen «politischen Putsch». Die Regierung könne es nicht ertragen, dass die «Korruption», «Schande» und «Verschwendung von öffentlichen Ressourcen» der ehemaligen Statthalter ans Tageslicht komme. Sie versuche auf undemokratischem Weg zu erreichen, was ihr über Wahlen nicht gelungen sei. Anders als in der Vergangenheit, als die restliche Opposition zum Vorgehen der Regierung gegen die HDP schwieg, löste der Schlag vom Montag diesmal einen Sturm der Empörung aus. Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul, nannte die Amtsenthebung undemokratisch. Es sei inakzeptabel, dass der Wille des Volkes ignoriert werde, twitterte Imamoglu auch auf Englisch:
Imamoglu, der der Republikanischen Volkspartei (CHP) angehört, wurde Ende Juni in einer von Erdogan erzwungenen Wahlwiederholung mit den Stimmen von HDP-Anhängern ins Amt der grössten Stadt des Landes gewählt. Vor wenigen Tagen trafen sich seine Frau und die des CHP-Vorsitzenden mit Demirtas’ Frau Basak. Nicht wenige sahen darin ein klares politisches Signal der CHP an die Kurden.
Ungewöhnlich deutliche Kritik gab es auch vom ehemaligen Staatspräsidenten Abdullah Gül und dem früheren Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Die Absetzung von neugewählten Bürgermeistern auf «diese Art» sei mit der türkischen Demokratie nicht vereinbar, twitterte Gül:
Daha yeni seçilmiş belediye başkanlarının „bu şekilde“ görevden alınmaları demokrasimiz için doğru olmamıştır.39.800
13:03 – 19. Aug. 2019
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Davutoglu, der eine neue Partei gründen will, erklärte über den Kurznachrichtendienst, wer durch Wahlen ins Amt komme, müsse auch über Wahlen gehen. „Das ist ein Grundprinzip des nationalen Willens.
Dies alles dürfte Herrn Recep Tayyip Erdogan am Arsch vorbeigehen – was, warum wohl, Menschen mit türkischem Paß so werden weder sagen noch schreiben können. Angela Merkel natürlich auch nicht. Aber vielleicht könnte sie mal weniger diplomatisch Tacheles mit Herrn Erdogan über Menschenrechte Finanzen und so weiter reden: انشاء الله
Aug. 2019 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Senioren, Wirtschaft | Kommentieren