Trump mit Kippa, Netanjahu als Hund – diese in der „NYT“ erschienene Karikatur wurde stark kritisiert. Foto: NYT

Hintergrund ist ein Skandal um eine antisemitische Zeichnung. Die „New York Times“ hat gerade verkündet, dass sie ab 1. Juli keine politische Karikaturen mehr in ihrer internationalen Ausgabe veröffentlichen wird. Das betrifft die Werke von Patrick Chappatte und Heng Kim Song, zwei Karikaturisten, mit denen die Zeitung seit einigen Jahren zusammengearbeitet hat.
Bereits zwei Monaten zuvor hatte die US-Zeitung angekündigt, keine Karikaturen mehr zu veröffentlichen, die an mehrere Medien parallel verkauft werden („syndicated cartoons“). Anlass war damals die Empörung, die eine Karikatur des portugiesischen Zeichners António Moreira Antunes von Benjamin Netanyahu und Donald Trump wegen ihrer als antisemitisch empfundenen Bildsprache ausgelöst hatte.

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Juni 2019 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren

Vertreter und Anhänger der Alternative für Deutschland (AfD) fallen häufig durch rechtspopulistische Äußerungen auf. Doch das Parteiprogramm kommt weichgespült, staatstragend und fast liberal daher. Das aber – sieht man genauer hin – täuscht. Dies, nämlich sehr genau hingeschaut – tat Jürgen Beetz, indem er sowohl die verwendete Sprache im AfD-Programm sowie Äußerungen von Repräsentanten der Partei untersuchte. (mehr …)

Juni 2019 | €uropa | Kommentieren

Ein Jahr lang musste nicht nur das Heidelberger Publikum auf dieses jährliche Highlight warten. Auch die Gäste aus dem In- und Ausland erfreuen sich jährlich an den Aufführungen und Konzerten in den einzigartigen Spielstätten über den Dächern der romantischen Stadt am Neckar (Plakatmotiv Ludwig Olah: Hendrik Richter (Monsieur Lenglumé).

Am 21. Juni 2019 ist es nun wieder so weit. Gestartet wird mit der Premiere von Eugène Labiche „Die Affäre Rue de Lourcine“.
Labiche (geboren am 6. Mai 1815 bei Paris; gestorben am 22. Januar 1888 in Paris) zählt zu einem der bedeutendsten französischen Lustspieldichter. Er schrieb in vier Jahrzehnten für die Pariser Bühnen, hauptsächlich Genretheater, einen unglaublich reichen Schatz an Komödien, Lustspielen und Possen. In ihnen spiegelt sich nahezu immer ein humanistischer, menschenkundiger aber nie verletzender Humor, eine seltene Schlagfertigkeit des Dialogs sowie sichere Bühnentechnik nieder. (mehr …)

Juni 2019 | Heidelberg, Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Senioren, Metropolregion Rhein-Neckar, Theater & Orchester HD | Kommentieren

Die Heidelberger Schlossfestspiele 2019 haben auch für junge Zuschauer etwas zu bieten: Unmittelbar nach der ersten Schauspielpremiere am 21. Juni im Dicken Turm, steht für alle ab 6 Jahren die zweite Premiere bei den Heidelberger Schlossfestspielen 2019 auf dem Programm.
Illustration: Martin Stufferin | Im Bild: Alexandra Lehmler
Die Leiterin des Jungen Theaters, Natascha Kalmbach, inszeniert im Englischen Bau das wunderschöne Märchen nach dem berühmten Märchenerzähler Hans Christian Andersen „Die chinesische Nachtigall“.

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Juni 2019 | Heidelberg, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Senioren, Metropolregion Rhein-Neckar, Theater & Orchester HD | Kommentieren

Wem online gekaufte Ware missfällt, kann sie zurückschicken: Neuwertige Waren werden dann nicht immer wiederverkauft, sondern auch vernichtet. Die Grünen sprechen von „Perversion der Wegwerfgesellschaft“ und wollen dies stoppen.

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Juni 2019 | €uropa | Kommentieren
es gibt so gut wie nichts, was heute nicht gemessen, gewertet oder gerated wird: Die Quantifizierung ist zum gesellschaftlichen Megatrend geworden. Sie befeuert den Wettbewerb, schafft aber auch Fehlanreize.

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Juni 2019 | €uropa | Kommentieren

Als der Architekt Walter Gropius vor hundert Jahren im thüringischen Weimar das „Bauhaus“ begründete, entstand eine wirkungsreiche Kunstschule, die binnen weniger Jahre die europäische Avantgarde vernetzte. Die von hier ausgehenden Einflüsse prägten außer der Kunst die Architektur und das Möbeldesign nachfolgender Generationen. So gewann das Bauhaus einen starken Einfluss auf unsere ästhetische Wahrnehmung und das Wohngefühl der „Moderne“. Beides wirkt bis heute fort. (mehr …)

Juni 2019 | Heidelberg, Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren

 

 

 

 

https://www.youtube.com/watch?v=rzOUBZY7rWI

Juni 2019 | €uropa | Kommentieren

Der Psychologe Philip Zimbardo hat sein Leben lang das Böse im Menschen erforscht – und dabei Formeln für das Gute entdeckt. Jetzt will er sie uns allen beibringen.

Philip Zimbardo braucht zwei Stunden, um von den Abgründen der Menschheit zu ihren Lichtgestalten zu kommen, von den Nazis zu Nelson Mandela. Normalerweise schafft er es in der halben Zeit, aber an diesem Tag steht ein Dolmetscher auf der Bühne, der seine Worte ins Ungarische übersetzt. Man fragt sich nur, wie Zimbardo das durchhalten soll. Seine Wangen sind eingefallen, beim Gehen braucht er einen Krückstock, den Vortrag hält er im Sitzen. Dieser Mann ist 85 Jahre alt, und das sieht man.

Willkommen im Köfém Klubház, einem Kulturzentrum im Industriegebiet von Székesfehérvár, eine Autostunde von Budapest entfernt. Im Saal sitzen rund 250 Zuhörer, vor allem Schulkinder, aber auch Angestellte des benachbarten Aluminiumwerks. Zimbardo wird ihnen einiges zumuten, seine Festplatte ist voller Grausamkeiten. Dieser Mann hat eine Mission, und die wird durch eine Spinalstenose der Wirbelsäule nicht eingeschränkt. Seine Botschaft lautet, kurz gefasst: Du wirst nicht zum Helden geboren und auch nicht zum Bösewicht. Du wirst dazu gemacht: durch die Situation, durch die anderen, durch das System.

Es gibt die Banalität des Bösen, verkörpert vom SS-Bürokraten Adolf Eichmann, der während der Nazi-Zeit die Ermordung von Millionen Juden organisierte. Für Philip Zimbardo gibt es auch eine Banalität des Guten: Du kannst lernen, in brenzligen Situationen das Richtige zu tun. Es geht nicht um Superman oder Wonder Woman, sondern um die Helden des Alltags. Er sagt: „Jeder von euch kann ein Held sein. Helden erzeugen einen Dominoeffekt in der Gesellschaft und vermehren das Gute in der Welt.“ Das ist jedenfalls der Plan.Es geht darum, die Jugendlichen mithilfe von Erkenntnissen aus der Sozialpsychologie zu hilfsbereiten und empathischen Menschen zu machen. Zu Menschen, die sich einsetzen gegen Rassismus, Antisemitismus, Mobbing. Zimbardo hat dafür ein Training entwickelt, das er seit ein paar Jahren in der Welt verbreitet. „Heroic Imagination Project“ (HIP) heißt das Programm. In Polen und im Iran gibt es Ableger, in Großbritannien und auch auf Sizilien, wo seine Familie ihre Wurzeln hat. In Österreich soll es bald starten, in Deutschland trägt der Verein „Helden“ die Ideen weiter.

„Wir alle sind Helden in Warteposition“

Nirgendwo jedoch ist das Heldenprojekt so groß wie in Ungarn. Es heißt hier Hősök Tere, „Heldenplatz“. Zu den Mitgründern der gleichnamigen Stiftung gehört Péter Halácsy, der die PowerPoint-Alternative Prezi mit erfunden hat. In Ungarn haben seit 2014 mehr als 2000 Lehrer an mehreren Hundert Bildungseinrichtungen das Heldentraining durchlaufen. Zimbardos Vortrag in Székesfehérvár ist der Kick-off für sechs weitere Schulen.

Es ist alles ein bisschen größenwahnsinnig, und für Zimbardo steht einiges auf dem Spiel. Wird er als Professor des Bösen in Erinnerung bleiben? Oder als derjenige, der die Banalität des Helden entdeckt hat?

Zwei Jahrtausende lang war das Bild des Helden geprägt von Ausnahmegestalten wie dem sagenhaften Herkules der griechischen Mythologie, charakterisiert durch gewaltige Körperkräfte, überragende Schönheit oder Intelligenz, Unverwundbarkeit und dergleichen mehr. Vorbei. Historiker reden schon vom postheroischen Zeitalter. Die Sehnsucht ist noch da, aber die neuen Helden sind anders: Erzieherin springt in Schacht, um Kind zu retten („Heldin vom Osterwald“); Mädchen mit Asperger-Syndrom kämpft gegen Weltuntergang („‚Öko-Pippi‘ stiehlt in Davos allen die Show“); Krankenschwester im Sommerkleid stellt sich schwer bewaffneten Polizisten in den Weg („Superwoman“); Obdachloser rammt islamistischen Messerstecher mit seinem Einkaufswagen („Trolleyman“).

Wer solche Geschichten liest, fragt sich vielleicht: Wie würde ich selbst handeln? Niemand weiß das, bis es so weit ist.

„Der wahre Held ist immer ein Held aus Versehen“, schrieb Umberto Eco, „er träumt davon, ein ehrlicher Feigling zu sein wie alle anderen.“ Philip Zimbardo sagt: „Wir alle sind Helden in Warteposition. Wenn wir Heldentum als Teil der menschlichen Natur betrachten und nicht als seltene Charaktereigenschaft einiger Auserwählter, dann können wir in jeder Gesellschaft heroisches Handeln fördern.“

Drei Monate im Jahr fliegt Zimbardo um die Welt wie ein Handlungsreisender mit zwei Koffern. In dem einen Koffer: das Gute, Zivilcourage, peace & love. In dem anderen: das Böse, die Nazis, Genozid. Wenn er auf der Bühne steht, öffnet er als Erstes den Nazi-Koffer und erzählt von seinem Schulfreund Stanley Milgram.

„Stanley war ein kleiner jüdischer Junge an meiner Highschool“, sagt Zimbardo und zeigt ein Foto des Abschlussjahrgangs der James Monroe High School in der Bronx von 1950. „Stanley und ich waren getrieben von dem Wunsch, etwas aus unserem Leben zu machen und dem Ghetto zu entfliehen.“ Milgrams Eltern waren im Ersten Weltkrieg aus Ungarn und Rumänien nach New York ausgewandert. Während des Zweiten Weltkriegs bangten sie vor dem Radioempfänger um das Schicksal ihrer Verwandten in Europa. Nach dem Krieg kamen Angehörige zeitweise bei den Milgrams unter, sie hatten KZ-Nummern eintätowiert. Diese Erlebnisse prägten Stanley Milgram. Er studierte Psychologie und wurde Professor für Sozialpsychologie an der Yale University und später in New York. Sein Thema: blinder Gehorsam gegenüber Autoritäten.

Per Zeitungsannonce rekrutierte Milgram Freiwillige im Raum New Haven für eine vermeintliche Lern- und Gedächtnisstudie. In seinem Labor an der Yale University sollten jeweils zwei Teilnehmer in die Rolle eines Lehrers und eines Schülers schlüpfen. Der Lernende musste Wortpaare auswendig lernen, und der Lehrende sollte unter Aufsicht des Versuchsleiters die Leistung abfragen. Lehrer und Schüler saßen in benachbarten Zimmern und kommunizierten über eine Sprechanlage. Jedes Mal wenn der Schüler irrte, sollte der Lehrer ihm einen elektrischen Schlag zunehmender Stärke verpassen. Diesem Zweck diente ein imposantes Elektrogerät mit 30 Schaltern, von 15 Volt bis 450 Volt. „Danger: Severe Shock“ stand unter den höheren Voltzahlen, und bei 450 Volt einfach nur „XXX“.

Dass die Stromschläge gar nicht verabreicht wurden und der „Schüler“ in Wirklichkeit ein Komplize der Forscher war, wussten die Versuchspersonen nicht. Dennoch machten die meisten bereitwillig bei der Tortur mit und steigerten Schritt für Schritt die Voltzahl. Wenn der Schüler Schmerzen simulierte und flehte, aufhören zu dürfen, äußerten viele zwar Bedenken. Die meisten folgten schließlich aber den Anweisungen des strengen Versuchsleiters. Dieser versicherte, das Experiment sei für die Forschung sehr wichtig, außerdem würden die Probanden ja bezahlt. Zwei Drittel der Teilnehmer gingen bis zum Äußersten und betätigten am Ende auch den Schalter für 450 Volt, Frauen ebenso wie Männer.

Davon war selbst Milgram schockiert. Er sagte: „Früher habe ich mich gefragt, ob eine grausame Regierung in den ganzen USA genug moralische Dummköpfe finden könnte, um den Personalbedarf für ein nationales System von Konzentrationslagern, wie es sie in Deutschland gegeben hat, zu decken. Jetzt glaube ich langsam, dass die ganze Belegschaft allein in der Stadt New Haven rekrutiert werden könnte.“

Der „bystander effect“

© Jason Ratliff

„Alles Böse startet mit 15 Volt“, sagt Philip Zimbardo in Székesfehérvár. Es sei der erste Schritt auf einer slippery slope, einer schiefen Bahn. „Die Nazis wussten das. 15 Volt: Alle Juden müssen einen gelben Stern tragen. 100 Volt: Juden dürfen keine Geschäfte besitzen. 450 Volt: die Ermordung von sechs Millionen Juden.“ Im Saal ist es mucksmäuschenstill.

In einer der weniger bekannten Versuchsreihen sollten die Testpersonen, bevor sie an die Reihe kamen, kurz warten, bis der vorangehende Test abgeschlossen war. Sie schauten also dabei zu, wie jemand anderes den Elektroschocker bediente. In Wirklichkeit war auch diese Person ein Komplize der Forscher. Diese Variante des Experiments findet Zimbardo am interessantesten. Denn das Verhalten des Vorgängers beeinflusste die wahre Versuchsperson enorm: Wenn der Vorgänger bis zur höchsten Stromstärke mitmachte, gingen anschließend 90 Prozent der Probanden bis zum Äußersten. Brach er das Experiment ab, sank die Gehorsamsquote auf zehn Prozent. „Wer den Gehorsam verweigert, erzeugt einen positiven Dominoeffekt“, sagt Zimbardo.

Es gibt heute Methodenkritik an den Experimenten von Milgram und Zimbardo, aber die Grundaussagen werden nicht angezweifelt. Und als nach dem Irakkrieg Fotos aus dem Militärgefängnis Abu Ghraib an die Öffentlichkeit gelangten, auf denen zu sehen ist, wie US-Soldaten Häftlinge misshandeln, schien es, als habe die Wirklichkeit Philip Zimbardo noch übertroffen.

Wenn Menschen angesichts von Leid oder Unrecht passiv bleiben, dann schieben Sozialpsychologen dies auf den bystander effect: Das Verhalten der ersten Zuschauer etabliert eine soziale Norm, die eine starke Sogwirkung entfaltet. „Ihr müsst die erste Person sein, die die soziale Norm durchbricht“, sagt Zimbardo. „Seid keine bystander, seid upstander.“ Dann will er vom Heldenprogramm berichten, aber die drei Frauen seines Budapester Teams machen Handzeichen. Time over! Er hat sich mal wieder zu lange mit dem Bösen aufgehalten. Fragerunde, Selfies machen, dann müssen die Kinder zurück in die Schule.

Vor zwei Jahren traf Philip Zimbardo Viktor Orbán. „Die Einladung kam überraschend“, sagt er, „denn ich kritisiere Orbáns Politik öffentlich und lehne seine Angstkampagne gegenüber Migranten vehement ab.“ Orbán kennt Zimbardos Bücher und hatte erfahren, dass der Professor auf einer Konferenz in Budapest spricht. Sie trafen sich in Orbáns Büro und redeten zwei Stunden lang. „Intellektuelle Sachen“, sagt Zimbardo, Orbán habe sich für seine Thesen darüber interessiert, wie man frustrierten Männern helfen kann, die sich in der modernen Gesellschaft abgehängt fühlen. „Am Ende erwähnte ich, dass wir dieses Trainingsprogramm haben, das gerade die Schulbildung revolutioniert.“ Der Bildungsminister könne das Heldenprojekt offiziell würdigen, schlug Zimbardo vor. Er hat dann nichts mehr von Orbán gehört.

Am Tag nach Zimbardos Vortrag in Székesfehérvár sitzt Barbara Raffai in einem Budapester Café und erzählt von einer Offenbarung. Sie begleitet Zimbardo in dieser Woche und leitet seit einigen Monaten das ungarische Heldenprogramm. Zuvor hat sie das Training selbst durchlaufen.

Erste Lektion: bystander effect. Barbara Raffai sollte in der Fußgängerzone einen Schwächeanfall vortäuschen, während die anderen die Szene unauffällig beobachteten. Sie stützte sich an einen Laternenpfahl und legte die Stirn in die Armbeuge. „Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an“, sagt sie. Nach drei Minuten waren 40 Passanten vorbeigegangen, ohne sie anzusprechen, darunter 15 Frauen im Business-Anzug. Erst dann blieb ein Mann stehen und erkundigte sich, ob er helfen könne. Zur Belohnung gaben ihm die Heldentrainer einen Aufkleber: „Du bist ein Held des Alltags.“

Zweite Lektion: growth mindset. Wenn Eltern ihre Kinder loben oder tadeln, sagen sie oft so etwas wie „Was bist du für ein kluger Kopf“ oder „Sei doch nicht so dumm“. Das sind Zuschreibungen, die von einer starren Persönlichkeit ausgehen, einem fixed mindset. Warum soll sich ein Kind anstrengen, wenn es schon clever ist oder dumm? Growth mindset dagegen heißt: Lobe die Bemühung, nicht die Persönlichkeit – „Du hast dich ganz toll angestrengt“; „Du hast dich blöd verhalten“. Dritte Lektion: Vorurteile abbauen und Stereotype hinterfragen. Dafür hat Hősök Tere ein Kurzvideo produziert, in dem mehrere Personen über ihre eigenen Vorurteile gegenüber Schwulen und Angehörigen der Sinti und Roma ins Grübeln kommen (bit.ly/hösöktere).

Ein Altruismus-Generator

„Das Training hat mich verändert“, sagt Raffai. „Und wie man über sich selbst denkt, beeinflusst auch, wie man andere behandelt.“ Einmal stand sie im Supermarkt vor einer gestressten Kassiererin. „Cooles T-Shirt haben Sie“, sagte Raffai. Ein Einhorn war darauf abgebildet. Die Frau erstrahlte. „Wirklich? In meiner Familie finden das alle doof.“ Raffai sagt: „Man muss nicht immer jemanden vor einer einfahrenden U-Bahn retten, um etwas Gutes zu tun.“

Ist es wirklich so einfach? Aus Stanford schickt der Sozialpsychologe Gábor Orosz eine Mail. Er hat das Heldenprogramm mitgegründet und 2017 eine Studie dazu publiziert. 55 Zehntklässler wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine bekam in fünf Unterrichtsstunden die growth mindset-Ideen unterrichtet, die andere Gruppe ein anderes Thema. Tatsächlich sah die erste Gruppe nach dem Unterricht etwas mehr Sinn im eigenen Lernen als die Vergleichsgruppe. Aber am Ende des Schuljahres waren die positiven Effekte nicht mehr messbar. „Das waren nur erste Ergebnisse“, schreibt Orosz, „wir haben seitdem enorme Fortschritte gemacht und sollten unbedingt mal die neuen Ergebnisse publizieren.“

Das Heldenprogramm soll politisch und konfessionell neutral sein. Aber Philip Zimbardo kennt natürlich den Spruch der Hippies: Das Private ist politisch. In einer autoritären Gesellschaft kann schon ein Akt der Nächstenliebe eine subversive politische Handlung sein. „Wir können nicht in zwei Jahren die Gesellschaft verändern“, sagt Raffai. „Das kann Jahrzehnte dauern.“

Dann muss sie los, denn Zimbardos Woche in Ungarn ist eng durchgetaktet. Videoschaltung mit einer Universität in Rumänien, wo ihm 700 Studierende zuhören. Auch dort will ein Professor das Heldenprogramm starten. Ein weiterer Vortrag an einer Eliteschule in Budapest. Teambesprechung mit den Helfern von „Heldenplatz“. Und am Donnerstag muss Zimbardo auch noch kochen: Ein Geschäftsmann hat ein Dinner mit ihm ersteigert, eine Idee des Fundraising-Teams. Aus Kalifornien hat er deshalb Pasta, Parmesankäse und selbst gemachtes Pesto mitgebracht und für den Nachtisch Feigen, umhüllt mit Schokolade. Freitag und Samstag kommt eine Professorin aus Warschau zu Besuch, um das Heldenprogramm für Polen voranzubringen.

Was treibt diesen Mann bloß? „Ich durfte studieren und forschen und als Professor arbeiten“, sagt Zimbardo. „Ich möchte der Welt etwas zurückgeben. Ich könnte niemals zu Hause vor dem Fernseher sitzen. Wenn ich gesünder wäre, würde ich nicht drei, sondern sechs Monate im Jahr reisen.“

Philip Zimbardo träumt von einer umgekehrten Milgram-Maschine, einer Art Altruismus-Generator. Man fängt mit kleinen Heldentaten an und steigert langsam die Intensität. Unterste Stufe: zehn Minuten lang eine Dankeskarte an einen Freund schreiben. Nächste Stufe: 30 Minuten lang im Altenheim vorlesen. Nächste Stufe: eine Stunde Nachhilfe geben. Nächste Stufe: einen Abend lang Suppe servieren bei der Obdachlosen-Tafel. Am Ende der Altruismus-Skala, sagt Zimbardo, „wird diese Person vielleicht etwas tun, das er oder sie nie für möglich gehalten hätte“.

So wie Christina Maslach, eine angehende Psychologieprofessorin, die am fünften Abend des Stanford-Prison-Experiments zu Besuch kam. Maslach und Zimbardo waren seit Kurzem ein Paar. Es war zehn Uhr abends, und als Maslach in den Keller kam, um Zimbardo abzuholen, wurden die Gefangenen mal wieder mit Papiertüten auf dem Kopf zur Toilette geführt, so erzählt es Zimbardo in The Lucifer Effect.

„Chris, schau dir das an!“, sagte er zu seiner Freundin. „Ich habe das schon gesehen“, antwortete sie und blickte zu Boden. „Was heißt das?“, fragte Zimbardo, „verstehst du nicht, dass wir hier gerade ein Verhalten sehen, das in so einer Situation noch niemand beobachtet hat?“ Maslach weinte vor Wut. „Phil erschien mir wie ein anderer Mensch“, sagte sie später einmal. Seine Rolle als Gefängnis-Direktor hatte auch ihn verändert. „Er war nicht mehr derjenige, in den ich mich verliebt hatte.“ Sie stritten bis weit nach Mitternacht, und Maslach stellte Zimbardo vor die Wahl. Entweder das Experiment oder die Liebe. Am nächsten Morgen war das Stanford-Prison-Experiment Geschichte.

 

BU

geboren 1933 in New York, ist einer der prominentesten Sozialpsychologen weltweit. Er propagiert den Situationismus, dem zufolge das menschliche Verhalten stark von den äußeren Umständen abhängt, weniger von der Persönlichkeit. An der Stanford University forschte er außerdem über Zeitempfinden, Schüchternheit und Videospielsucht. Seit 1972 ist er mit der Psychologieprofessorin Christina Maslach verheiratet. Das Paar lebt in San Francisco.

Juni 2019 | €uropa | Kommentieren
Phishing – ein IT-typisch zusammengezogener Begriff aus Password und Fishing – meint das betrügischere Abfangen („Fischen“) von Passwörtern mittels fingierter E-Mails und Links auf gefälschte Landing Pages. Wegen der Nutzung von E-Mails ist Phishing einer der ältesten Angriffsarten. Trotzdem ist diese Methode nach wie vor einer der erfolgreichsten Wege, wie Hacker Zugang zu sensiblen Daten erhalten.

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Juni 2019 | €uropa | Kommentieren

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