Ein veröffentlichter Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein „Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ [1] offenbart die Pläne für eine Gesetzesänderung, mit der bisher illegitime Eingriffe in die Pressefreiheit als rechtens erklärt werden könnten.
Mit dem Entwurf (siehe unser aktueller Beitrag oben) wird erneut deutlich, was für ein Geist im Bundesinnenministerium vorzuherrschen scheint. Jedes Schulkind lernt über die Bedeutung des Journalismus als Korrektiv in der Demokratie. Und ebenso über die Notwendigkeit des Quellenschutzes. Es kann das eine nicht ohne das andere geben. Dieses Verhältnis aufzuweichen kommt einer Demontage der Grundpfeiler der Demokratie gleich. So wie – meinen wir – ein derartiges Vorgehen in der Türkei kritisieren, kritisieren wir auch solche Bestrebungen in Deutschland.
Was – zum Beispiel – geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie den Begriff „Spiegel-Affäre“ hören? Manche mögen derzeit an den Relotius-Skandal denken, gemeint sind aber natürlich die Redaktionsdurchsuchungen des Spiegel Anfang der 1960er Jahre. An dessen Ende stand ein für die Pressefreiheit wegweisendes Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem es das Redaktionsgeheimnis in der deutschen Rechtsordnung verankerte. Eine Durchsuchung von Redaktionsräumen, die allein das Ziel hat, die Identität von Informanten herauszufinden, ist bis heute unzulässig in Deutschland.
Nun rüttelt das Bundesinnenministerium an diesem Pfeiler unserer Demokratie. Einem Referentenentwurf zufolge sollen Deutschlands Inlands- und Auslandsgeheimdienste künftig Server, Computer und Smartphones hacken dürfen. Sie sollen dabei in Einzelfällen auch verschlüsselte Kommunikation von Verlagen, Rundfunksendern sowie freiberuflichen Journalisten abfangen oder ihre Geräte verdeckt nach digitalen Daten suchen können. Damit könnten sie auch die Identität von Quellen aufdecken.
Nachdem Reporter ohne Grenzen über die Pläne erstmals berichtet hatte, entfachte sich eine breite Debatte. Unter anderem Spiegel Online, die Süddeutsche Zeitung, die tageszeitung, die Welt, die Zeit (und wir) berichteten über der „grenzenlosen Reporter“ Recherchen, sodass die SPD rasch Widerstand gegen die Pläne von Innenminister Horst Seehofer ankündigte. Dieser mühte sich, via Bild-Zeitung zu beruhigen und kündigte Nachbesserungen an, vermied jedoch ein klares Dementi.
Wir machen „einen offenen Brief“ an das Horst Seehofersche Ministerium öffentlich.
Die Kritik von Reporter ohne Grenzen bleibt bestehen.
Solche Analysen brauchen viel Zeit, um solche Regelungen im Kleinklein der Gesetzgebung zu entdecken. Und es wird einige Anstrengungen brauchen, um mit politischer Arbeit die verantwortlichen Parteien beim Wort zu nehmen und die Medien vor Überwachung besser zu schützen, anstatt das Redaktionsgeheimnis digital auszuhebeln.
Quellen/Fußnoten:
[1] Veröffentlichung des Gesetzentwurfes durch netzpolitik.org