Der Angriff auf das Beinahe-Monopol von Flixbus begann am Montagmorgen. Um 7.10 Uhr startete in Düsseldorf der erste deutsche BlaBlaBus. Während sich das rot, weiß und blau lackierte Fahrzeug auf seiner knapp neunstündigen Fahrt nach Berlin befand, umriss der deutsche Ableger des französischen Unternehmens während einer Pressekonferenz seine Strategie. Wie will BlaBlaBus in einem Markt bestehen, der sich in den vergangenen Jahren konsolidiert hat und der nach dem Ausstieg diverser Konkurrenten von einem Unternehmen beherrscht wird – von Flixbus?
„Wir wollen Impulse setzen. Wir sind preisaggressiv. Und wir sind optimistisch, dass es funktioniert“, sagte Christian Rahn, General Manager von BlaBlaCar Deutschland, am Montagmittag in Berlin. BlaBlaCar, das Mutterunternehmen, ist die größte Mitfahrzentrale Europas. Sie vermittelt in 22 Ländern Mitfahrgelegenheiten. Rund 75 Millionen Menschen stehen in den Kundenkarteien, davon zirka 6,5 Millionen in Deutschland.
Das Kerngeschäft mit seiner großen, weit reichenden „Community“ von „Membern“ („Member“ heißen die Mitfahrer bei BlaBlaCar) ist die Grundlage, auf der das neue Geschäft gedeihen werde, hieß es. Es ist diese Kombination, die zu einer „Win-win-Situation“ beitrage.
„Wir sind mit BlaBlaCar profitabel, und wir werden auch mit BlaBlaBus profitabel sein“, sagte Rahn. Die Fernbusse, die wie bei Flixbus von anderen Unternehmen betrieben werden, ergänzen auf bestimmten Rennstrecken das bereits in allen Regionen verästelte Angebot der Mitfahrzentrale. In Deutschland hat BlaBlaCar rund 75000 Treffpunkte, an denen Autofahrer Mitfahrer auflesen können.
Für 99 Cent quer durch Deutschland
Nun sind in zunächst 19 deutschen Städten Busbahnhöfe und Bushaltestellen an Flughäfen dazu gekommen. In Berlin halten die Busse am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) am Messedamm sowie am Flughafen Tegel. Von hier aus fährt BlablaBus auf anfangs vier Linien nach Frankfurt am Main, Düsseldorf, Dresden sowie über Hamburg nach Bremen.
Mit Aktionspreisen ab 0,99 Euro für eine innerdeutsche Fahrt will der Neuling dem mächtigen Konkurrenten Flixbus Marktanteile abjagen. Einige Fahrten in den nächsten Tagen sind bereits ausgebucht. Punkten möchte BlaBlaBus auch mit Komfort: In den Bussen, die wie bei Flixbus von Partnerunternehmen betrieben werden, gibt es kostenloses WLAN und Steckdosen. Das Unternehmen wirbt außerdem mit XL-Sitzen und großem Sitzabstand.
Rahn: „Die Busse sind entweder nagelneu oder naximal drei Jahre alt, und sie werden von ausgesuchten Buspartnern betrieben“ – unter anderem vom Omnibus-Reisedienst „Der Tempelhofer“ aus Berlin. Sicherheit werde groß geschrieben, hieß es. So soll eine Sperre am Zündschloss dafür sorgen, dass der Motor eines Busses erst dann angelassen werden kann, wenn ein Test dem Fahrer bescheinigt, dass er nicht alkoholisiert ist. Die Niedrigpreise gehen nicht zu Lasten der Busbetreiber, versprach Rahn. „Wir wollen uns fair verhalten. Die Aktionspreise sind ein Marketinginstrument.“
Fahrgäste bei BlaBlaBus müssen aber relativ lange Fahrzeiten einplanen. So dauert eine Fahrt von Berlin nach Hamburg fast fünf Stunden – drei Mal so lange wie im ICE. Wer vom Berliner Busbahnhof nach Dresden möchte, ist drei Stunden und 25 Minuten Fahrzeit unterwegs – mit der Bahn wären es etwas mehr als zwei Stunden. „Die gesetzlichen Vorgaben, etwa zu Lenk- und Ruhezeiten, müssen eingehalten werden“, erklärte Christian Rahn. Er schloss aber nicht aus, dass die Fahrzeiten noch angepasst werden.
Auf jeden Fall ist klar: BlaBlaBus will rasch expandieren. Noch im Juli wird das innerdeutsche Liniennetz um zehn Städte ergänzt, und auch eine erste internationale Verbindung (nach Amsterdam) kommt hinzu. Bis Ende 2019 soll die Zahl der Destinationen in Deutschland auf 40 steigen.
Flixbus hat keine Angst vor Wettbewerb
André Schwämmlein, Gründer und Geschäftsführer von Flixbus, sieht die Konkurrenz gelassen. „Wir sind harten Wettbewerb gewohnt und es wird sich noch zeigen, inwieweit Blablacar – bisher vornehmlich als Mitfahrgelegenheit aktiv – anpassungsfähig genug ist, um auf diesen sich schnell wandelnden Markt zu reagieren und für den Kunden ein flächendeckendes und innovatives Angebot anzubieten“, sagte er. „Hier zählen Flexibilität, Geschwindigkeit und die Fähigkeit im Wettbewerb gegen Bahn-, Flugverkehr, aber vor allem das eigene Auto zu bestehen.“
Letztlich entscheidet der Kunde, wie er seine Reise tätigt, so Schwämmlein. „Wir sind stolz auf unser Produkt, an dessen Weiterentwicklung wir täglich mit einem hoch motivierten Team arbeiten. 45 Millionen Fahrgäste allein im vergangenen Jahr sind eine tolle Bestätigung, dass wir für sehr viele Menschen die Mobilitätsalternative ihrer Wahl sind.“
BlaBlaBus hat ein „gutes Produkt – nun haben die Kunden das Wort“, sagte Christoph Gipp, Geschäftsführer und Bereichsleiter Mobilität am IGES Institut. Er ist gespannt, wie langfristig BlaBlaBus sein Engagement durchhalten wird. „Es gibt einige Voraussetzungen, die positiv zu bewerten sind. Das ist zum einen die Tatsache, dass ein Netz aufgebaut wird. Als europäischer Marktführer bei den Mitfahrzentralen ist BlaBlaCar, das Mutterunternehmen, zudem in seinem bisherigen Kerngeschäft gut verankert und genießt einen hohen Grad an Bekanntheit.“
Klappt der Markteinstieg? Experte zeigt sich skeptisch
Flixbus zeige, wie wichtig es ist, in diesem Markt eine starke Marke zu haben, so Gipp weiter. „Allerdings wird BlaBlaBus genug Kapital mitbringen müssen, um den nun beginnenden Preiskampf durchzuhalten. Ob der Preiswettbewerb dazu führen wird, dass Flixbus sein Preisniveau massiv senkt, glaube ich aber nicht.“
„Ein Neueinsteiger im Fernbusmarkt in Deutschland ist aus Sicht der preisbewussten Kunden sicherlich willkommen“, sagte Dieter Schneiderbauer, Chef des Beratungsunternehmens ECM Ventures. Für den nachhaltigen Erfolg werden aber nicht die Aufsehen erregenden Einstiegspreise von 99 Cent, sondern die dauerhaft angebotenen und dann kostendeckenden Preise sowie eine ausreichend hohe Auslastung der Busse maßgeblich sein: „Dies beurteile ich als sehr kritisch. Ähnlich wie bei den Billigfliegern ist es für einen Neueinsteiger sehr schwer, ein zusätzliches Angebot auf bereits in dichter Frequenz befahrenen Linien an.“
Der etablierte Anbieter könne seinen Kunden mehr Verbindungen pro Tag und zu günstigen Verkehrszeiten anbieten und bei Eintritt eines Wettbewerbers auf den umkämpften Linien sowohl das Angebot ausweiten als auch die Fahrpreise auf das Niveau des Herausforderers senken, gab Schneiderbauer zu bedenken.
Was die Kosten anbelangt, habe BlaBlaBus kaum Möglichkeiten günstiger zu produzieren als der Marktführer Flixbus, so der Mobilitätsexperte weiter. „Damit wird es für den Herausforderer sehr schwer, eine Position im Markt aufzubauen, welche einen nachhaltig profitablen Betrieb möglich macht.“ Allenfalls in ausgewählten Marktnischen, zum Beispiel auf Verbindungen, die Flixbus noch nicht anbietet, oder nach Frankreich, wo BlaBlaBus eine starke Marktposition aufweist, erscheine ein nachhaltig profitabler Betrieb möglich. Doch genau dieses Ziel müsse langfristig erreicht werden: Dauerhaft – was Wunder werden Anbieter nur Linien betreiben, wenn dies „wirtschaftlich rentabel“ ist.