Hat er, oder hat er nicht? Hat Rezo dazu aufgerufen, die CDU zu zerstören? Das behauptet die Parteichefin. Tatsächlich sagte der YouTuber, die CDU zerstöre sich selbst. Unklar bleibt, was Kramp-Karrenbauer mit Regeln zur „Meinungsmache“ meint.
„Wenn einflussreiche Journalisten oder #Youtuber zum Nichtwählen oder gar zur Zerstörung demokratischer Parteien der Mitte aufrufen, ist das eine Frage der politischen Kultur. Es sind gerade die Parteien der Mitte, die demokratische Werte jeden Tag verteidigen.“ Unter anderem mit diesem Tweet hat CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer das Video des YouTubers Rezo scharf kritisiert und für Diskussionen gesorgt.
„CDU zerstört sich selbst“
Doch hatte Rezo wirklich zur „Zerstörung demokratischer Parteien“ aufgerufen? Das Video, das mittlerweile mehr als zwölf Millionen Mal angeklickt worden ist, trägt tatsächlich den Titel „Die Zerstörung der CDU“. Doch bereits in den ersten Minuten erklärt der YouTuber, wie dieser Titel gemeint ist: Er zeige, sagt Rezo, dass nach der Expertenmeinung von zigtausenden Wissenschaftlern „die CDU aktuell unser Leben und unsere Zukunft zerstört“.
Er habe dieses Video wochenlang vorbereitet und beweise seine Behauptung mit zahlreichen Quellen, sagt Rezo. Es werde kein „langweiliges Politikvideo“, sondern „wirklich ein Zerstörungsvideo“. Und weiter: „Nicht weil ich aktiv versuche, jemanden zu zerstören, sondern weil die Fakten und Tatsachen einfach dafür sprechen, dass die CDU sich selbst, ihren Ruf und ihr Wahlergebnis selbst zerstört.“
Im Hinblick auf das Wahlergebnis bei der Europawahl lag Rezo zumindest in der Tendenz nicht falsch: Die CDU blieb zwar stärkste Kraft, verlor aber massiv – während die Grünen stark zulegten.
Diskussion um AKK-Äußerungen
Kramp-Karrenbauer brachte zudem Regeln für politische „Meinungsmache“ im Internet in Wahlkampfzeiten ins Gespräch. „Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: ‚Wählt bitte nicht CDU und SPD‘. Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen“, erklärte sie.
Im Netz wurde der CDU-Chefin vorgeworfen, sie wolle die Meinungsfreiheit einschränken beziehungsweise regulieren. Dies wies sie als absurd zurück. Tatsächlich hatte sie gesagt: Es stelle sich die Frage, „was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein.“
Wahlempfehlungen sind nun mal – noch? – nicht verboten
Allerdings gibt es in Deutschland kein Gesetz, dass es Zeitungen verbietet, Wahlempfehlungen abzugeben. In den USA ist dies sogar absolut üblich, ebenso in Großbritannien. In Deutschland empfahl beispielsweise die „Financial Times“ im Jahr 2009, die Grünen zu wählen.
„Durchaus vergleichbar mit klassischen Rundfunkveranstaltern“
Eine Frage, die sich im Hinblick auf YouTuber mit großer Reichweite eher stellen könnte: Handelt es sich bei solchen Veröffentlichungen um Rundfunk? Rundfunkveranstalter müssen sich nämlich an gewisse Regeln halten. Sie wenden sich an eine breite Masse und haben damit durchaus Einfluss auf die Meinungsbildung.
Der Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, Tobias Schmid, sagte dazu in der FAZ: „Es gibt die falsche Vorstellung, dass YouTuber alles Laien seien, die zufällig vor ihre Kamera gestolpert sind. Das ist ein ganz normales Business, das auch von Firmen betrieben wird.“ Die Szene sei mittlerweile ein „professionelles, audiovisuelles Geschäftsmodell“, das „durchaus vergleichbar mit klassischen Rundfunkveranstaltern“ sei.
Besondere Verantwortung
bei Meinungsbildung
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in mehreren Entscheidungen lange zu der besonderen Bedeutung des Rundfunks ausgelassen. Die besondere Verantwortung bei der Meinungsbildung ist sogar größer als bei Zeitungen. Diese Besonderheit tragen die Regeln etwa im Rundfunkstaatsvertrag Rechnung, in dem es heißt: „Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist unzulässig.“
Außerdem müssen Berichterstattung und Informationssendungen „den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente“, entsprechen – sowie unabhängig und sachlich sein. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.
Würden die Regelungen für Rundfunkveranstalter ausgeweitet, wäre aber nicht nur Rezo betroffen, sondern auch die CDU selbst. Denn auch Parteien nutzen die Video-Plattform, obwohl es ihnen in Deutschland verboten ist, einen eigenen Fernsehsender zu betreiben.
Besonders pikant erscheinen in diesem Kontext die Pläne von Kramp-Karrenbauer zum Aufbau eines eigenen Newsrooms. So verfügt die Partei bereits über einen eigenen Kanal mit dem Namen „CDU TV“.
Zudem sagte Kramp-Karrenbauer in dem Magazin der Jungen Union, die Partei müsse einen Weg finden, „in Echtzeit auf unterschiedlichen Kanälen zu kommunizieren und eigene Nachrichten zu setzen“. Als Beispiel nannte sie das Auftaktgespräch zum Werkstattgespräch, bei der man keine Presse zugelassen habe. „Wir waren Herr über die Bilder, wir haben die Nachrichten selbst produziert. In diese Richtung wird es weitergehen.“
Ob Kramp-Karrenbauer mit ihren Äußerungen zu Regeln zur „Meinungsmache“ aber überhaupt die Regelungen für den Rundfunk meinte, ist aber noch unklar.