Tatsächlich aber passierte etwas ganz anderes:
Stickstoff verschmilzt mit Helium zu Sauerstoff, und dabei bleibt der Kern eines Wasserstoffatoms, also ein Proton übrig. Bei dieser Kernfusion wird allerdings keine Energie frei; sie verbraucht stattdessen welche, was durch die negativen 1,2 Megaelektronvolt am Ende der Gleichung angezeigt wird. Damit die Kernfusion als Energiequelle genutzt werden kann, braucht es Atome mit geringerer Masse, wie der Astrophysiker Arthur Eddington 1920 spekulierte. Er dachte auch darüber nach, ob die Sterne ihre Energie nicht vielleicht aus der Fusion von Wasserstoff zu Helium beziehen.
Um wirklich zu erklären, was bei solchen Kernreaktionen passiert, musste man erst die Quantenmechanik besser verstehen. Dann aber konnte man auch gezielt darangehen, Atome miteinander fusionieren zu lassen. Das geschah das erste Mal im Jahr 1934, als Rutherford gemeinsam mit seinem Assistenten Mark Oliphant das Wasserstoffisotop Deuterium zu Helium verschmolz und demonstrierte, dass dabei Energie freigesetzt werden kann.
Angesichts der klimaschädlichen Wirkung der von den fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas freigesetzten Treibhausgase wird immer wieder auf die diesbezüglichen Vorteile der Kernkraft hingewiesen. Damit könnte der Strom produziert werden, der uns nach dem Wegfall der Kohlekraftwerke fehlen würde und ohne dabei die CO2-Menge in der Atmosphäre zu erhöhen. Dabei wird allerdings das Problem der Endlagerung des Atommülls ebenso ignoriert wie die Gefahr durch potenziell katastrophale Störfälle. Als Alternative bleiben regenerative Energien wie Windkraft oder Solaranlagen. Oder eben die Kernfusion. Was auf natürlichem Weg in Sternen funktioniert, muss theoretisch auch künstlich möglich sein. Doch das Problem ist nicht einfach nur die Durchführung von Kernfusion unter kontrollierten Bedingungen. Das ist seit den ersten Versuchen von Rutherford und Oliphant immer wieder gelungen. Vielmehr brauchten wir Kraftwerke, in denen die Fusion von Atomen in großem Maßstab abläuft und dabei mehr Energie freisetzt, als zu ihrem Betrieb erforderlich ist.
Kernverschmelzungen sind wichtige Naturprozesse: Viele chemische Elemente sind per Fusion aus Wasserstoff entstanden; Fusion ist die Energiequelle von Sonne und Sternen.
Kernfusion in der Sonne …
Die Sonne ist Grundlage allen irdischen Lebens: In dem Zentralgestirn stecken 99,8 Prozent der Masse des gesamten Planetensystems. Der riesige Plasmaball besteht überwiegend aus Wasserstoff.
In seinem heißen Inneren brennt ein beständiges Fusionsfeuer. Hier verschmelzen die Wasserstoff-Atomkerne zu Helium. Die bei dieser Kernfusion erzeugten gewaltigen Energien erwärmen und beleuchten auch die Erde.
… und auf der Erde
Ziel der Fusionsforschung ist es, aus der Verschmelzung von Atomkernen in einem Kraftwerk Energie zu gewinnen. Unter irdischen Bedingungen verschmelzen am leichtesten die beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Dabei entsteht ein Helium-Kern, außerdem wird ein Neutron frei sowie große Mengen nutzbarer Energie: Ein Gramm Brennstoff könnte in einem Kraftwerk 90 000 Kilowattstunden Energie erzeugen – die Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle.
Die Fusionsbrennstoffe sind billig und auf der Erde gleichmäßig verteilt. Deuterium ist in nahezu unerschöpfbaren Mengen im Meerwasser zu finden. Tritium – ein radioaktives Gas mit kurzer Halbwertszeit von 12,3 Jahren – kommt in der Natur kaum vor. Es kann aber innerhalb des Kraftwerks aus Lithium gebildet werden, das ebenfalls reichlich vorhanden ist. Da ein Fusionskraftwerk zudem günstige Umwelt- und Sicherheitseigenschaften aufweisen wird, könnte die Fusion nachhaltig zur künftigen Energieversorgung beitragen.
Fusionskraftwerke wären technisch machbar; so viel haben die bisherigen Experimente ergeben. Ob sie auch wirtschaftlich betrieben werden können, muss sich erst zeigen. Am internationalen Forschungsreaktor ITER wird seit 2007 gebaut, Ergebnisse sind frühestens im nächsten Jahrzehnt zu erwarten; vermutlich noch viel später.
Die Forschung an der Nutzbarmachung der Kernfusion soll und muss definitiv weitergehen. Aber wir sollten uns nicht allzu sehr darauf verlassen, dass sie demnächst alle unsere Energie- und Klimaprobleme lösen wird. Kurzfristig muss unsere Aufmerksamkeit auf jeden Fall den erneuerbaren Energien gelten.