Ein Video zeigt eine betrunkene Nancy Pelosi – und führt uns vor Augen, was mit Deepfakes heute alles möglich ist
Manipulierte Videos lassen die demokratische Politikerin Nancy Pelosi betrunken oder anderweitig verwirrt erscheinen. Sie sind ein Vorgeschmack auf sogenannte Deepfakes – Fälschungen, die technisch nicht mehr entlarvt werden können.

Nancy Pelosi diskutiert am Delaware County Community College mit Studenten (24. Mai). (Bild: Matt Slocum / AP)

Nancy Pelosi diskutiert am Delaware County Community College mit Studenten (24. Mai). (Bild: Matt Slocum / AP)

Ein offensichtlich manipuliertes Video der amerikanischen Politikerin Nancy Pelosi, das in den sozialen Netzwerken kursierte und den Eindruck erweckte, die Speakerin des Repräsentantenhauses sei betrunken oder auf andere Art angeschlagen, nimmt in kruder Art vorweg, was schon bald zu einer schweren Belastungsprobe für die Demokratien werden könnte: gut gefälschte digitale Bild- und Tondokumente, die Politiker und andere Prominente – sonst macht die Verunglimpfung ja keinen Spass – in Situationen zeigen, die nie wirklich existierten. Die technischen Möglichkeiten sind zum Teil bereits vorhanden, auf den bösen Willen darf man in der enorm polarisierten Gesellschaft sowieso zählen.

Perfekte Fälschungen

Manipulationen sind das tägliche Brot in der Politik. Auch die Medien sind darin zu Meistern geworden und wählen Bilder gerne nach dem Kriterium aus, ob die abgebildete Person sympathisch oder unsympathisch erscheinen soll. Anderen Leuten Worte in den Mund zu legen, hiess früher lügen, heute – in der Ära von Präsident Donald Trump – sind es alternative Fakten. Der Unterhaltungswert scheint enorm zu sein, wie auch ein anderes Video von Pelosi zeigt. Darin wurden Ausschnitte aus einer Pressekonferenz willkürlich aneinandereditiert. Das Video entstand offenbar in den Werkstätten des Wirtschaftskanals von Fox News, des audiovisuellen Propaganda-Arms von Trump. Und dieser konnte der Versuchung nicht widerstehen, es danach auf Twitter weiterzuverbreiten.

Bereits seit einiger Zeit warnen Legionen von besorgten Kommentatoren vor sogenannten Deepfakes – Fälschungen also, die so gut sind, dass man nicht mehr imstande ist, den Fälschungsprozess technisch nachzuweisen. Aus einer Reihe von Fotos sollen Videos produziert werden können, die so ziemlich alles unterstellen können, was menschenmöglich ist. Ob das Internet damit die Demokratie zerstören wird, wie ein Kommentar in der «New York Times» fürchtet, oder ob sich die Öffentlichkeit Gelassenheit und Skepsis anerziehen wird, wie das etwa die konservative «National Review» erwartet, ist noch eine offene Frage.

Klar ist, dass der Ton in Washington in den vergangenen Tagen nochmals etwas schärfer geworden ist. Trump hat in der Speakerin Pelosi ein Gegenüber gefunden, das die Provokation mindestens ebenso gut beherrscht wie er selber. Ihr jüngster Zusammenstoss endete in gegenseitigen Anwürfen: Pelosi erhoffte sich eine Intervention von Trumps Familie, weil sie sich Sorgen um die mentale Stabilität des Präsidenten mache. Trump nannte sie «Crazy Nancy» und warf ihr vor, über ein geplatztes Treffen im Weissen Haus Lügen zu verbreiten.

Wer will noch Ernsthaftes?

Gleichzeitig verabschiedete das Repräsentantenhaus mit seiner demokratischen Mehrheit eine grundlegende Reform der persönlichen Altersvorsorge, die es Pensionierten in Amerika ermöglicht, dank einem Systemwechsel besser mit ihrer längeren Lebenserwartung umzugehen. Sie werden sich dazu die Mittel, die sie und ihre Arbeitgeber zusammen in einem Fonds angespart haben, erstmals in monatlichen Renten auszahlen lassen können. Eine Zustimmung vom republikanisch beherrschten Senat gilt als sicher. Dieser schnürte seinerseits ein 19-Milliarden-Dollar-Paket für Katastrophenhilfe, das ebenfalls unumstritten ist – weil darin keine Mittel für den Mauerbau an der Grenze enthalten sind. Davon nahm aber nur eine Minderheit des Publikums Kenntnis.

Die amerikanische Politik ist unter Trump endgültig zu einem Kino mit zwei völlig verschiedenen Sälen geworden. Im einen werden anspruchsvolle Studiofilme gezeigt, im anderen die unterhaltsamen Kassenschlager.

Mai 2019 | €uropa | Kommentieren