Ein Interview von „heute journal“-Moderator Claus Kleber mit einer der Autorin der „Mitte-Studie“ schlug am Wochenende hohe Wellen. Die Redaktion hatte Nachfragen aus dem gesendeten Interview geschnitten, aus Zeitgründen, wie es hieß. Kleber verbreitete das komplette Interview danach via Twitter.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass sich Vorbehalte gegen Asylsuchende unter Deutschen verstärken. „heute journal“-Redaktionsleiter Wulf Schmiese weist Kritik an den Kürzungen zurück – wir bringen Wulf Schmieses Einlassung im Wortlaut:
Herr Schmies, zunächst: Warum wurden ausgerechnet die kritischen Nachfragen bezüglich der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Interview des “heute journals” geschnitten?
Das komplette Gespräch war kritisch. Gekürzt werden musste aus reiner Zeitnot. Denn nachdem das Gespräch mit der „Mitte-Studie“-Autorin Prof. Küpper vereinbart worden war, bekam das “heute journal” kurzfristig die Zusage von Deutsche Bank-Chef Christian Sewing für ein Live-Gespräch. Daher wurde das Gespräch mit Frau Prof. Küpper nicht live geführt, sondern kurz vor der Sendung aufgezeichnet. Es wurde mit ihr dann etwas länger als geplant. Also musste es um eine gute Minute gekürzt werden und zwar in aller Schnelle.
Auch Claus Kleber begründete die Kürzungen mit “der Uhr”, es sei also ein reines Zeitproblem gewesen, hätte es wirklich keine anderen Möglichkeiten zur Kürzung gegeben?
Claus Kleber hat auf Twitter darauf hingewiesen, dass sein Nachhaken in den ersten Minuten „Opfer unserer Stoppuhr“ geworden sei, eben auch seiner. Nie wird ein Interview im “heute journal” gegen den Willen und ohne das Wissen des Moderators oder der Moderatorin gekürzt. Der Redakteur, der die Kürzung mit Claus Kleber besprochen hatte, holte die Zeit rein durch das Entfernen zweier kompletter Frage-Antwort-Blöcke, was technisch die sauberste und inhaltlich die üblichste Form eines Schnitts ist. Gekürzt wird bei uns übrigens einzig und allein aus Zeitgründen – niemals wegen des Inhalts! Es wäre daher ein absurder Verdacht, wenn hier ein Eingriff aus inhaltlichen Gründen unterstellt würde. Die Crew war sich einig: Es gab das wichtige Argument der technischen Schneidemöglichkeit an den gesetzten Punkten. Und es reichten inhaltlich in dem gesendeten Gespräch drei kritische Fragen zur Methodik der Studie aus, um die journalistische Distanz zum Thema deutlich gemacht haben. Die zwei weiteren Fragen zur Methodik, die dann für die Sendung gekürzt wurden, erschienen wegen redundanter Antworten als verzichtbar. Das Gespräch wurde ungekürzt sogleich über den Twitter-Account des “heute journals” veröffentlicht, knapp eine Stunde vor dem Tweet, mit dem Claus Kleber auf beide Varianten hinwies.
War Claus Klebers Tweet, in dem er auf die Kürzung hinweist, mit Ihnen oder dem ZDF abgesprochen, bzw. war der Tweet in Ihrem Sinne?
An dem Abend war ich selbst nicht in der Redaktion. Aber es waren sich alle Anwesenden einig, dass die ungekürzte Version online gehen sollte, was ja umgehend geschah. Claus Kleber hat die Sendecrew darauf hingewiesen, dass er darauf noch per Twitter aufmerksam machen werde, was er dann tat. Es ist ein völlig normaler Prozess im “heute journal”, dass es beides gibt: die lineare Sendung und zusätzliche, ergänzende Ausspielungen online und in den Sozialen Medien.
Es wurden nach dem Tweet natürlich Vorwürfe laut, das ZDF, bzw. das “heute journal”, habe kritische Nachfragen zur Studie unterdrücken wollen. Was sagen Sie zu den Vorwürfen und hätten Sie damit nicht rechnen müssen?
Es wurden eben keine Vorwürfe „laut“. Die Bild-Zeitung hat nur in Form von Überschriften Vorwürfe suggeriert, die im Text widerlegt wurden. Die alte Masche: Wenn es zum Ausrufungszeichen nicht reicht, wird das Fragezeichen gesetzt hinter eine Headline, die eigentlich unhaltbar ist. Ehrlich gesagt mussten wir alle ziemlich lachen über das, was die Bild-Kollegen da unterstellen: Als springe hier ein Zensor aus der Tapetentür und schneidet mal eben alles raus, was nicht passt. Wer sollte das sein? Von wem entsandt? Mit welchem Ziel? Tatsächlich habe ich noch nie irgendeinen Versuch irgendwelcher inhaltlicher Beschneidung unserer Gespräche durch irgendwen erlebt. Anders als bei Zeitungen üblich werden bei uns Interviews nicht redigiert und können es auch gar nicht, weil sie live oder unter Live-Bedingungen stattfinden. Wenn ein voraufgezeichnetes Gespräch aus Zeitgründen – andere gibt es nicht! – mal gekürzt werden muss, dann sagen wir das den Zuschauern. Und dann stellen wir, wie auch wie in diesem Fall, die ungekürzte Version online. Geht das noch transparenter?
Die BILD titelte am Samstag “ZDF-Kleber entlarvt Asyl-Studie” – wie bewerten Sie diese Art der Berichterstattung?
Das zeigt, worum es der Bild eigentlich geht: Sie wollte Claus Kleber als einen prominenten Kritiker der „Mitte-Studie“ verkaufen. Man kann auch sagen: Sie wollte sich mit ihm besser verkaufen. Dabei hat er gar nichts „entlarvt“, wie er auch selber sagt, sondern nur kritisch nachgefragt, und zwar mit jeder seiner Fragen. Diese kritische Distanz ist journalistisch sauber.
Claus Kleber selbst hat auf den Bild-Bericht mit dem Kommentar reagiert: “Müssten auch blöde Zensoren sein, die Zensiertes ins Netz stellen” und nochmals auf das vollständige Interview in der Mediathek hingewiesen … trotzdem wird ein Interview in der Mediathek weit weniger Menschen erreichen, als in der TV-Sendung – sehen Sie darin kein Problem?
Na, das wäre ja ein Spitzen-Argument für Verschwörungstheoretiker nach dem Motto: Psst, die stellen nun beim ZDF alles online, was sie verstecken wollen; ganz perfide Masche… Weil wir schon ahnten, dass irgendwelche Alu-Hutträger auf so einen irren Verdacht kommen könnten, hatten wir das ganze Gespräch online auf unseren Webseiten ganz oben platziert.
Würden Sie die Kürzungen noch einmal in derselben Form vornehmen oder sehen Sie das angesichts des doch beträchtlichen Echos als Fehler?
Wir haben uns hier wirklich nichts vorzuwerfen. Natürlich kann mit mehr Muße alles immer noch besser werden. Aber kurz vor einer Live-Sendung müssen zügige Entscheidungen fallen, und zu dieser schnellen Entscheidung können wir stehen.