So sieht also die Revolution aus. Kleine Grüppchen stehen um einen allein stehenden Tiefkühlschrank beim Discounter Lidl. Dort, zusammen mit altbömischem Kuchen, tiefgefrorenen Bio-Roggenbrötchen und Harissa-Köfte sollte sie liegen – die fleischlose Burgersensation. Doch die Gruppe aus Joggern, Hipstern und ganz „normalen“ Discounter-Kunden wirkt unzufrieden. Sie diskutieren. Denn sie finden nicht, was sie hierhergelockt hat – die Zukunft der fleischlosen Ernährung, ohne Entbehrung.

Lidl hatte einen wahren Coup gelandet und den Beyond-Meat-Burger aus den USA über den Großen Teich geholt. In Amerika genießt das pflanzenbasierte Fleischimitat bereits Kultstatus. Fleisch, das kein Fleisch ist, aber genauso schmeckt – das fasziniert viele Verbraucher. Dafür hat Beyond Meat Erbsenpüree so verarbeitet, dass es in Sachen Konsistenz wie Hackfleisch anmutet. Das hinzugefügte Raucharoma sorgt für den bekannten Geschmack und Rote-Bete-Saft für die „blutige Optik“. Mit diesem Rezept hat der Hersteller der „Frikadellen“ an der Wall Street soeben das erfolgreichste Börsendebüt der vergangenen zehn Jahre hingelegt.

Es schien, als hätte der deutsche Discounter mit der exklusiven Kooperation den großen Wurf gelandet. Handelsexperten fühlten sich bereits an die Einführung des iPhone in Deutschland erinnert. Damals, im Jahr 2007, hatte sich die Deutsche Telekom die exklusiven Vertriebsrechte gesichert. Was folgte, war ein Wachstum in der Mobilfunksparte, welches jahrelang über dem der Konkurrenz lag.

Aber: Lidl hat die Revolution gründlich vermasselt. Schon wenige Minuten nach dem Verkaufsstart waren die Burger ausverkauft. In einigen Filialen hatten die Kunden am Mittwoch von vornherein keine Chance, an der Revolution teilzunehmen, da die Lidl-Mitarbeiter die Aktionsware bereits am Dienstag in die Kühlbox sortiert hatten, woraufhin die Kunden am Abend sofort zugriffen.

Der Discounter verärgert mit dem Start ins fleischlose Zeitalter nicht nur die Kunden. Der Lebensmittelriese hat auch eine Riesenchance verpasst. Aldi, Lidl & Co. versuchen seit Jahren, vom nur auf den Preis starrenden Publikum wegzukommen. Durch eine neue Art der Warenpräsentation soll ein ganz neues Einkaufserlebnis geschaffen werden. In vielen Läden stehen neuerdings Kaffeeautomaten, um die Kunden zum Verweilen einzuladen. Man versucht, eine Art Community-Charakter zu kreieren. Vorbei sind die Zeiten, da Kunden ausschließlich auf den Preis achten und die Supermarktmanager ihren Laden und das Personal allein auf Effizienz trimmen. Der Beyond-Meat-Burger passt perfekt in diese Aufbruchstimmung. Der mit 4,99 Euro für zwei kleine „Bouletten“ keineswegs günstige Artikel hätte als Sinnbild für neues Denken im Lebensmitteleinzelhandel stehen können.

Doch Lidl hat die Fleischlosrevolution zu halbherzig gedacht. Entweder wollte der Konzern die Aktion unbedingt starten, ohne überhaupt genug Ware für einen echten Hype vorrätig zu haben. Oder man traute der Euphorie nicht recht über den Weg und wollte erst mal einen Testballon starten. Für das erste Szenario spricht, dass Lidl die ganze Aktion sehr dezent flankierte. Obwohl sich die Branche ansonsten sehr lautstark mit Alleinstellungsmerkmalen schmückt, war der Discounter aus Neckarsulm diesmal überaus bescheiden. Auch die Präsentation in den Läden war so ausgelegt, dass nur echte Fans die Burgerinitiative wahrnehmen konnten.

„Als erster Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland haben wir den beliebten Beyond-Meat-Burger bundesweit als Aktionsartikel in unsere Filialen gebracht und sind begeistert von der überwältigend hohen Nachfrage nach der rein pflanzlichen Produktinnovation, die in vielen Filialen bereits nach kürzester Zeit ausverkauft war“, erklärte Lidl gegenüber WELT. „Wir arbeiten bereits mit Hochdruck daran, dass der Beyond-Meat-Burger so schnell wie möglich wieder in unseren Filialen erhältlich ist, und halten unsere Kunden auf dem Laufenden.“

Das werden diese dann wohl nicht zuerst über Prospekte erfahren, sondern via Social Media. „Unser Fokus liegt ganz klar auf den sozialen Netzwerken, da wir hier in den direkten Austausch gehen können. Zudem wird das Produkt-Special von Influencern begleitet“, erklärt eine Sprecherin. Auch Lidl hat erkannt, dass Beyond Meat ein Symbol für den neuen Zeitgeist ist. Forschung und technologischer Fortschritt halten auch in der Lebensmittelindustrie Einzug. Niemand muss das Volk länger mit „Veggie Days“ maßregeln. Stattdessen verlangt der aufgeklärte Bürger nach smarten Lösungen für sein Leben. Ökologisch und ökonomisch soll es sein.

Genau wie Lidl versuchen im Grunde weite Teile der deutschen Gesellschaft, sich in diesem Paradigma einzurichten. Verzichten und sich trotzdem frei und gut fühlen. Dies ist genau die Welle, auf der die Grünen gerade sehr erfolgreich surfen. Eine Welle, auf die sich längst noch nicht alle wagen – oder wagen wollen. FDP-Chef Christian Lindner etwa hat ein Problem mit dem „Öko-Dirigismus“, wie er im Interview mit WELT offen bekannte. „Sie wollen den Petrolheads das Auto nehmen und den Fleischliebhabern das Steak. Und für die Mittelschichtfamilie wird die Flugreise nach Mallorca teurer. Da wird der Klimaschutz genutzt, um Lebensstile zu verändern. Unsere Vision ist dagegen, durch Einfallsreichtum Klimaschutz mit Freiheit und Wohlstand zu verbinden.“

Ordnungspolitisch stimmt Lindners Aussage sogar. Und der Beyond-Meat-Burger erfüllt genau diese Parameter. Er schafft es, durch Einfallsreichtum Klimaschutz, Freiheit und Wohlstand zu verbinden. Doch der Liberalenchef klingt in seiner Analyse rückwärtsgewandt. Genau wie Lidl, das ebenfalls das Richtige gedacht haben mag, aber die Chance auf das richtige Momentum erst mal vertan hat.

Mai 2019 | €uropa | Kommentieren

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Mai 2019 | €uropa | Kommentieren

Die Selfie-Kultur wird immer gesichtsloser in ihrem Spiegellabyrinth der Eitelkeiten im Zürcher Museum Rietberg. Die Modedesignerin Kazu Huggler spricht in ihrer Kunstinstallation über Selbstachtung und die vielen Schichten wahrer Schönheit. Im Spiegellabyrinth tauchen Gesichter unvermutet und überall auf. Man erschrickt insbesondere vor dem eigenen. Ob Männer mehr Angst haben vor Spiegeln als Frauen? Schliesslich ist der Spiegel doch ein klassisches weibliches Attribut. Deshalb ja vielleicht musste das dritte der Machtinsignien des Tenno im Verborgenen bleiben. Es ist ein Spiegel. (mehr …)

Mai 2019 | Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Senioren | Kommentieren
Mit 12 zugelegten Prozenten, sind nunmehr die Grünen stärkste Fraktion im Heidelberger Gemeinderat. Sie haben

Die Grünen sind der große Gewinner der Gemeinderatswahl in Heidelberg. Sie legten gut 12 Prozent zu und sind nun stärkste Kraft im Stadtparlament. Sie erhielten mehr Stimmen, als CDU und SPD zusammen.

Trotzdem wird der Heidelberger Gemeinderat mindestens genauso zersplittert sein, wie in den vergangenen fünf Jahren: 12 Listen werden Mandate bekommen. Der Gemeinderat hat insgesamt 48 Sitze.

Die Wahlbeteiligung lag bei dieser Wahl bei 64,9 Prozent – vor fünf Jahren waren es noch 50,6 Prozent.

 

Schon nach der Auszählung der meisten unveränderten Stimmzettel am Sonntag hatte sich angedeutet, dass es einen Erdrutschsieg für die Grünen geben könnte.

So haben die Parteien und Listen bei der Gemeinderatswahl abgeschnitten:

Grüne: 31,9 Prozent

CDU: 15,0 Prozent

SPD: 13,9 Prozent

AfD: 5,0 Prozent

Die Heidelberger: 7,0 Prozent

Die Linke: 5,9 Prozent

FDP: 5,7 Prozent

Bunte Linke: 3,0  Prozent

GAL: 4,7 Prozent

Die Partei: 2,7 Prozent

HiB: 2,6 Prozent

Freie Wähler: 1,7 Prozent

So werden die Parteien und Listen zukünftig die 48 Plätze im Gemeinderat unter sich aufteilen:

Diese Kandidaten werden im Gemeinderat sitzen:

> CDU: Werner Pfisterer, Jan Gradel, Alexander Föhr, Kristina Essig, Nicole Marmé, Otto Wickenhäuser, Matthias Kutsch

> Grüne: Luitgard Nipp-Stolzenburg, Felix Grädler, Marilena Geugjes, Christoph Rothfuß, Kathrin Rabus, Sahin Karaaslan, Frank Wetzel, Anja Gernand, Ursula Röper, Liz Rahel Amler, Manuel Steinbrenner, Julian Sanwald, Derek Cofie-Nunoo, Dorothea Kaufmann, Nicola Lutzmann, Anita Schwitzer

> SPD: Anke Schuster, Andreas Grasser, Monika Meißner, Mathias Michalski, Sören Michelsburg, Johannah Illgner, Adrian Rehberger

> Die Heidelberger: Wolfgang Lachenauer, Larissa Winter-Horn, Marliese Heldner

> GAL: Michael Pfeiffer, Judith Marggraf

> FDP: Karl Breer, Michael Eckert, Simone Schenk

> Die Linke: Sahra Mirow, Bernd Zieger, Zara Kızıltaş

> AfD: Matthias Niebel, Sven Geschinski

> Bunte Linke: Arnulf Weiler-Lorentz, Hildegard Stolz

> Freie Wähler: Raimund Beisel

> HiB: Waseem Butt

> Die Partei: Björn Leuzinger

Weitere Details zum Abschneiden der Parteien und Listen in den Stadtteilen finden sich hier.

Update: 27. Mai 2019, 20.19 Uhr

Mai 2019 | Heidelberg | Kommentieren

Das Internet als Heimat zu denken, heißt, jeglicher Ausgrenzung die Grundlage zu entziehen. «Dirk von Gehlen: Über Heimat redet jeder. Manchmal gerne und ausufernd, in süßer Erinnerung schwelgend, manchmal voller Wehmut und Entbehrung, manchmal gar aggressiv in verteidigender Manier. Gerade erzeugt die Heimat-Debatte wieder großes Tamtam im öffentlichen Diskurs und verstopft die Feuilletons.
Ursachen dafür mag es viele geben,
Antworten sind vorhersehbar.
Fakt aber ist: Die Diskussion ermüdet uns zunehmend, sie ermattet uns, macht uns Heimatt. Womit der Titel für das Kursbuch 198 schnell gefunden war. (mehr …)

Mai 2019 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren
Ein Video zeigt eine betrunkene Nancy Pelosi – und führt uns vor Augen, was mit Deepfakes heute alles möglich ist
Manipulierte Videos lassen die demokratische Politikerin Nancy Pelosi betrunken oder anderweitig verwirrt erscheinen. Sie sind ein Vorgeschmack auf sogenannte Deepfakes – Fälschungen, die technisch nicht mehr entlarvt werden können.

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Mai 2019 | €uropa | Kommentieren

Das Ferienprogramm „FerienOnJob“ bietet Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren die Möglichkeit, während der Ferien eine Woche lang in die Ausbildungsberufe einzelner Betriebe zu schnuppern. Auch in diesem Jahr gibt es „FerienOnJob“ wieder in den Pfingstferien. (mehr …)

Mai 2019 | Heidelberg, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau | Kommentieren

Die Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) wurde zum Gartentier des Jahres 2019 gewählt. In den Monaten April und Mai  konnte online für einen von sechs Gartenbewohnern abgestimmt werden. Insgesamt gaben knapp 3.100 Interessierte ihre Stimme ab. In diesem Jahr standen sechs Teichbewohner zur Wahl. Mit der Aktion möchte die Heinz Sielmann Stiftung auf den dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt in unserer Kulturlandschaft hinweisen. Mit 33,4 % der Stimmen lag die Blaugrüne Mosaikjungfer, eine der häufigsten Großlibellen in Deutschland, klar vor den anderen Kandidaten. Den zweiten Platz belegte mit 21,56 % der Stimmen die Erdkröte (Bufo bufo), dicht gefolgt vom Teichmolch (Lissotriton vulgaris), der knapp 19,51 % der Stimmen bekam. (mehr …)

Mai 2019 | €uropa | Kommentieren

Vor dem Hintergrund eines globalen Verdrängungswettbewerbs entdecken auffallend viele nachdenkliche Menschen die ethischen Vorzüge des Christentums: Peter Sloterdijk prophezeit ein grausames 21. Jahrhundert. (mehr …)

Mai 2019 | €uropa | Kommentieren

Als Präsident des Klimaschutz-Städtenetzwerks „Energy Cities“ hat Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner bei der „Energy Cities“-Jahrestagung im Rahmen der „ICCA2019“ das Treffen
(Foto: Christian Buck) der internationalen Bürgermeister geleitet.
Sie vernetzten sich bei der internationale Klimakonferenz ICCA2019 mit den internationalen Städtenetzwerken wie ICLEI, Klimabündnis und C40. Prof. Würzner leitete Gespräche über die Energiewende und Verkehrswende. (mehr …)

Mai 2019 | Heidelberg, Politik, Zeitgeschehen | Kommentieren

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