[1]Nicht alle haben seinerzeit in den Klagechor eingestimmt, als es modisch wurde, den Niedergang der Lesekultur im Allgemeinen und den Untergang des gedruckten Buches im Besonderen zu bejammern. Einige haben auch heimlich frohlockt, und dies waren keineswegs nur die Freunde des digitalen Fortschritts. Es waren ebenso die Büchernarren und bibliophilen Sammler, die mit einem Verfall der Preise für antiquarische Bücher rechneten. Die kostbaren alten Schwarten, so spekulierten sie, würden ihnen gewiss bald nachgeworfen werden.
Und, wie sehr sie sich getäuscht haben: Gewisse – auch bessere – Klassiker-Editionen gaben zwar den Erwartungen gemäß etwas im Preis nach, aber alles irgendwie Entlegene und Exquisite behauptete sich – anders als gedacht – entgegen den Wünschen der Sammler, wurde sogar deutlich teurer oder plötzlich richtig selten.
Der Befund galt nicht nur für Erstausgaben, signierte Exemplare und anderes, was sich nun einmal nicht digital reproduzieren lässt. Er betraf auch das Randständige, die Seitenzweige der Literatur, all das nicht oder nur halb kanonisch Gewordene. Wer würde sich noch, so hatten die Büchernarren gedacht, zum Beispiel für Cassius Dio, Polybios oder Aurelius Victor interessieren, überhaupt die weniger bekannten griechischen und römischen Autoren? Nun, leider mehr Käufer als genug, um die Preise in die Höhe zu treiben und – was Wunder – bei sinkendem Angebot.
Denn dieses ist der Grund für die ärgerliche Konjunktur auf dem antiquarischen Markt: Neu gedruckt werden die entlegenen Klassiker heute nicht, und die alten Ausgaben strömen nicht mehr so zuverlässig wie ehedem aus Professorennachlässen und aufgelösten Bildungshaushalten in die Geschäfte. Und warum nicht? Ganz einfach: weil sie weggeworfen werden. Die Erben kommen nicht einmal mehr auf die Idee, sie für verkäuflich zu halten.
So ist die These vom Bildungsverfall in Deutschland womöglich richtig, anders aber, als gedacht. Der Bildungsverfall entwertet die Bücher nicht, er vernichtet sie; und um den knappen Rest prügeln sich die happy few – auch dies eine Form der Marktbereinigung, die Zukunftsperspektiven hat: nämlich auf das heraufdämmernde Zeitalter der Barbaren.