Alle warten auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Sachen Dieselbetrug, nur VW nicht. VW versucht im Gegenteil alles, um ein solches Urteil zu verhindern. Dazu gehört es auch, Kläger gegen VW oder einen VW-Verkäufer mit viel Geld, also mit einem Vergleich ruhig zu stellen – auf dass dann kein Urteil, auch kein Grundsatzurteil, mehr ergehen kann. Das ist soeben wieder geschehen. Ein Kläger wurde offenbar mit viel Geld bewogen, seine Klage schon beim BGH zurückzunehmen. Das ärgert den BGH wohl sehr. Aber ein Gericht muss neutral bleiben, es darf nicht einfach auf den Tisch hauen, es darf seinem Ärger nicht freien Lauf lassen. Es muss diesen Ärger in eine juristische Form gießen.
Das hat der BGH nun gemacht: Er hat, weil eine mündliche Verhandlung und damit ein Urteil aufgrund des Vergleichs nicht mehr möglich war, einen Hinweisbeschluss erlassen – der allen Klägern gegen Dieselauto-Hersteller einen glasklaren rechtlichen Hinweis gibt. Ein Grundsatzurteil im Sinne des Verbrauchers ist auch dieser Grundsatzbeschluss. Dieser Beschluss des BGH ist in der Form ein rechtlicher Hinweis. Im Ergebnis ist er eine Aufforderung an die Dieselautokäufer. Er besagt: Klagt, klagt, klagt! – Ihr werdet Erfolg haben; denn die eingebauten Abschaltvorrichtungen stellen einen Sachmangel dar. Da ist dann auch die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht weit.
Das ist inhaltlich spektakulär, weil daraus bedeutende Rechte für den Käufer von Diesel-Autos folgen: Der Hersteller muss dann dem betrogenen Käufer ein fehlerfreies Ersatzauto liefern; und wenn der seinerzeit verkaufte Typ nicht mehr hergestellt wird, muss der Hersteller ein gleichwertiges Modell herausrücken.
Dieser Beschluss beendet womöglich die Diskriminierung der deutschen VW-Kunden gegenüber denen in den USA. In den USA hat VW den Schadenersatz wie aus dem Füllhorn ausgegossen, die Kunden dort hat der Konzern als Senator-Kunden behandelt; die deutschen Kunden waren und sind für ihn nur Holzklasse-Kunden, Kunden dritter Klasse. Damit ist es jetzt vorbei.
Der Hinweisbeschluss des BGH ist nicht nur inhaltlich, sondern auch prozessual spektakulär. Eigentlich dient ein solcher Beschluss der Prozessleitung und der Vorbereitung der Entscheidung im konkreten Fall, also des Urteils. Im vorliegenden Fall gab es aber eigentlich nichts mehr zu leiten und nichts mehr vorzubereiten – weil Kläger und Beklagte sich ja verglichen hatten. Der BGH hat trotzdem einen Beschluss geschrieben – um weitere Verfahren und künftige Urteile vorzubereiten; für die gilt sein rechtlicher Hinweis. Das ist juristisch mutig, das ist fair gegenüber den Käufern, das ist spektakulär und sensationell.