Aufnahme der Hyaden, des sonnennächsten offenen Sternhaufens. Bild: NASA, ESA, and STScl

Im Laufe ihres Lebens verlieren offene Sternhaufen kontinuierlich Sterne an ihre Umgebung. Dadurch entstehende, langgestreckte „Sternschweife“ bieten Einblicke in Entwicklung und Auflösung eines Sternhaufens. Im Milchstraßen – System sind diese Schweife bisher nur bei massereichen Kugelsternhaufen und Zwerggalaxien entdeckt worden. Für offene Sternhaufen wurde dieses Phänomen lediglich theoretisch vorhergesagt. Forscher der Universität Heidelberg haben erstmals die Existenz eines solchen „Tidal Tail“ nachgewiesen – in dem Sternhaufen, der der Sonne am nächsten liegt, den Hyaden. Die Entdeckung beruht auf der Auswertung von Messdaten des Gaia-Satelliten.

Offene Sternhaufen sind Ansammlungen von annähernd 100 bis zu wenigen tausend Sternen, die nahezu gleichzeitig aus einer kollabierenden Gaswolke entstanden sind und sich in etwa mit derselben Geschwindigkeit durch den Raum bewegen. Verschiedene Einflüsse führen allerdings dazu, dass sie sich bereits nach einigen Hundert Millionen Jahren auflösen: Gegen die Eigengravitation, die die Sterne aneinander bindet, arbeitet unter anderem die Gezeitenwirkung einer Galaxie. Dadurch werden Sterne aus dem Haufen herausgezogen. Während der Bewegung eines Sternhaufens durch die Milchstraße führt dies zur Ausbildung von „Sternschweifen“. Es ist der Beginn vom Ende eines offenen Sternhaufens.

Lage der Hyaden am Himmel einschließlich ihrer nun beobachteten Sternschweife. Im Hintergrund ist eine Ansicht der Milchstraße über den gesamten Himmel, basierend auf Daten des Gaia-Satelliten, zu sehen. Bild: S. Röser, ESA

Dieses Phänomen haben Wissenschaftler des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) gemeinsam mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg nun zum ersten Mal für die Hyaden nachgewiesen, einem der älteren und am besten untersuchten offenen Sternhaufen im Milchstraßensystem. Die Forscher nutzten hierfür die im April 2018 veröffentlichten Daten des Astrometrie-Satelliten Gaia, der seit fünf Jahren den Sternenhimmel systematisch erfasst.
Gaia liefert dabei keine direkten Himmelsaufnahmen, sondern misst die Bewegungen und Positionen der Sterne.

Aus diesen Daten konnten die Heidelberger Astronomen zwei „Tidal Tails“ der Hyaden mit insgesamt rund 500 Sternen identifizieren, die sich bis zu 650 Lichtjahre entfernt vom Cluster erstrecken. Dabei geht einer der beiden Schweife dem offenen Sternhaufen voraus, der andere folgt diesem nach, wie Dr. Siegfried Röser von der zum ZAH gehörenden Landessternwarte Königstuhl erläutert. „Unsere Entdeckung zeigt, dass es möglich ist, die Bahnen einzelner Sterne der Milchstraße zu ihrem Entstehungsort in einem Sternhaufen zurückzuverfolgen“, so Dr. Röser. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass dies nur der Auftakt für weitere bedeutende Forschungsergebnisse in der galaktischen Astronomie ist. Neben den Forschern in Heidelberg hat auch ein Team aus Wien die „Sternschweife“ der Hyaden entdeckt.

Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs „Das Milchstraßensystem“ (SFB 881) an der Universität Heidelberg durchgeführt.

Feb 2019 | Heidelberg, Allgemein, Wissenschaft | Kommentieren