Kirchenreform zielt – wie alle Reformen – auf die Veränderung eines Zustandes der einen, „von Jesus Christus gewollten“ (?) beziehungsweise gestifteten Kirche in ihrer universalen Einheit oder einer ihrer Ausprägungen in ihrer Vielfalt, insbesondere auch Reformen von deren Verfassung(en), Grundordnungen,
(und werde mich in künftig folgenden Beiträgen – ceterum censeo – über „Providenz, seinen Park“ und das vorgeblich „marode, baufällig und aus allen Nähten platzende Kirchemusikalische Institut“ welches eben drum in diesem Park vierstöckig gebaut werden müsse, noch ausführlich beschäftigen)
Grundvollzügen und dem damit verbundenen Versuch, ihre Einheit ökonomisch – pardon ökumenisch wird wohl gemeint sein wollen – und ihre Sendung authentisch wiederherzustellen.
Autentisch? Wiederherstellen?
Von Jesus Christus gewollte Kirche?
Neuzeitlich-aufklärerische Religionskritik von Feuerbach, Marx, Freud und vielen anderen hat gezeigt, dass die Wirksamkeit einer Religion, ihre Fähigkeit, Sinn zu stiften, Trost zu vermitteln und ethische Orientierung zu geben, von ihrer theoretischen Wahrheit unabhängig ist; jedenfalls läßt sich die Wahrheit des Glaubens nicht aus (s)einer tröstenden Kraft ableiten. Nur, nur wenn Gott als Zentrum, als A und Ω monotheistischer Religionen, nicht ausschließlich ewiges Sehnsuchtsbild menschlicher Psyche ist, sondern auch eine außerpsychische, unabhängige Existenz hat, ist der Trost der Religion keine Illusion.
Jesus ein exemplarischer Mensch? –
Fundamentalismus pur!
Die mittlerweile seit vielen Jahren erkennbare Tendenz – aufgeklärter – christlicher Theologen geht dahin, die von den Kirchen definierte, dogmatisierte natürliche und substantielle Gottessohnschaft Jesu, seine Wesenseinheit mit Gott Vater etwas zurücktreten zu lassen und statt dessen Jesus als den allseits vollkommenen, „den exemplarischen Menschen“ hinzustellen. Das ist zwar Fundamentalismus pur, weil: den exemplarischen Menschen für alle Zonen und Zeiten und für alle menschlichen Individualtypen gibt es nicht. Und kann es auch nicht geben. Zum Menschsein gehören Kontingenz, Zufälligkeiten, unsere phylogenetischenVergangenheit, unsere Schattenseiten und Fehler, so dass selbst ein zum Idealisieren und Romantisieren neigender Philosoph wie Karl Jaspers wenigstens von vier maßgeblichen Persönlichkeiten spricht, die uns aus der Philosophie- und Religionsgeschichte tradiert seien: Konfuzius, Buddha, Sokrates und Jesus. Aber, der Fundamentalismus mit dem einzig exemplarischen Menschen Jesus ist doch nicht so mssiv sichtbar wie der dogmatisch-kirchliche, obgleich dieser jenen impliziert.
Jesus der Stifter ist angesagt?
Es gehört zwar schon zum guten Ton unter intelligenteren Christen, an der „Amtskirche der Gegenwart“ kein gutes Haar zu lassen und sie an der Kirche, wie sie Jesus wollte und in seiner Person vorlebte, zu messen.
Großzügig aber wird dabei darüber hinweggesehen, dass Jesus weder eine Kirche noch ein Amtspristertum – und schon gar nicht ein Papstum – gestiftet oder begründet hat.
Der allenthalben in christlichen Kreisen zu hörende Ruf „Zurück zur Praxis Jesu“ und die nicht minder vernehmbare Forderung eines „Rückgriffs auf ursprüngliches Christentum“ beinhalten fundamentalistische Leerformeln, die von vorneherein die Illusion vorgaukeln, die Praxis Jesu und das ursprüngliche Christentum seien etwas entrückt und unantastbar Ideales gewesen.
Und die „Amtskirche“?
Die Amtskirche wird wohl diesen „Fundamentalisten des vollkommenen Anfangs“ trotz aller von diesen geäußerten Kritik an ihr – mehr oder weniger klammheimlich – dankbar sein. Für nämlich viele intelligentere Christen ist der Glaube an das ursprünglich vollkommene Christentum das einzige Mittel, die einzige Möglichkeit, noch in der Kirche zu bleiben und wider alle Hoffnung auf eine Reform derselben zu warten. So bleiben sie der Kirche als zumindest Steuerzahler erhalten, und darauf kommt es dieser noch allemal mehr an als auf die emotionale Identifizierung ihrer Glieder mit ihr. Sie hat – ich weiß das aus eigener Erfahrung in meinem Bekanntenkreis – in ihren Reihen sogar ausdrückliche Atheisten, die aber auf ihre Loyalität der Kirche gegenüber Wert legen. Das bringt auch heute noch gesellschaftliche Vorteile …