[1]Das Wichtigste der Debatte in Kürze: Ein AfD-Antrag zum Islam ist im Bundestag von Abgeordneten der übrigen Fraktionen scharf kritisiert worden. Dabei ging es auch darum, dass die AfD-Fraktion das Schriftstück erst sehr spät zur Verfügung gestellt hatte: lange war nur der Titel bekannt, so dass die Abgeordneten der anderen Fraktionen sehr wenig Zeit hatten, sich damit auseinanderzusetzen. Die übrige Kritik war inhaltlicher Natur: Die AfD fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, etwas gegen angeblich rechtswidrige Inhalte des Koran zu unternehmen. Was, bleibt unklar. Verschiedene Redner kritisierten, der Antrag solle Stimmung gegen Muslime machen. Viele Abgeordnete verwiesen darauf, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit garantiere, und zwar für alle Religionen. Die Regierung solle und dürfe sich nicht in die Religionsausübung Einzelner einmischen. Probleme wie Frühehen oder Versuche von Paralleljustiz würden nicht verharmlost, sondern bekämpft.
11.40 Uhr: Der letzte Redner, Ingmar Jung von der CDU, greift nochmals den Streit um den Zeitpunkt auf, an dem der AfD-Antrag vorgelegen hat. Am Mittwochmittag sei er jedenfalls noch nicht hochgeladen gewesen und die AfD-Mitglieder des Rechtsausschusses hätten den Antrag selbst noch nicht gekannt. Zum parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion Baumann sagt er: „Dann schicken Sie ihn (den Antrag) vielleicht auch an die eigene Fraktion!“ Baumann hatte behauptet, den Antrag bereits am Dienstag herumgemailt zu haben. Nach Darstellung einiger Redner ging die Mail allerdings so spät ein, dass die Abgeordnetenbüros am Dienstagabend nicht mehr besetzt gewesen seien.
Zum Inhalt des Antrags fragt sich Jung, ob die AfD etwa den Koran verbieten wolle. „Weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen – verbrennen, oder was?“, fragt er. Aus dem sechsseitigen Antrag gehe nicht hervor, was die AfD eigentlich von der Bundesregierung erwarte.
Lars Castellucci (SPD):
11.31 Uhr: „Zum Fremdschämen, was Sie hier jede Woche vorlegen“ – Castellucci, der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, nennt den AfD-Antrag „schlecht, ungenau, verleumderisch, unverschämt“. Er wirft der AfD vor, aus politischem Kalkül Hass gegenüber Muslimen zu schüren. „Das ist zum Fremdschämen, was Sie hier jede Woche vorlegen!“, ruft er.
Als Ex-Chefin Frauke Petry spricht, schweigt AfD-Fraktion
11.28 Uhr: Die frühere Co-AfD-Vorsitzende Frauke Petry (jetzt fraktionslos) verteidigt den AfD-Antrag, bekommt aber keinerlei Applaus aus ihrer früheren Fraktion. Unter anderem behauptet sie, der Rechtsstaat habe vor der Scharia „kapituliert“.
Christoph de Vries, CDU:
11.22 Uhr:„Lesen Sie doch mal den Verfassungsschutzbericht“ – Er nennt den AfD-Antrag unter anderem „inhaltlich komplett wirr“ und „feindselig“. Er betont, dass die Bundesregierung Probleme wie islamistische Radikalisierung ernst nehme und den Rechtsstaat verteidige. Der AfD empfiehlt er: „Lesen Sie doch mal den Verfassungsschutzbericht!“
11.16 Uhr: Christine Buchholz, Linke – Vergleicht AfD-Antrag mit nationalsozialistischer Hetze gegen Juden: „Die Linke verteidigt die Religionsfreiheit für alle Menschen in diesem Land“, sagt die religionspolitische Sprecherin der Fraktion, Christine Buchholz. Die AfD verunglimpfe Muslime mit ähnlichen Methoden wie die Nationalsozialisten einst die Juden, sagt sie.
SPD-Mann sieht AfD als Bedrohung für Rechtsstaat
11.14 Uhr: Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner vertritt die Meinung, AfD-Politiker wie Curio bedrohten den Rechtsstaat mehr als die Scharia. In Deutschland werde keine Paralleljustiz geduldet – „wir haben einen starken Rechtsstaat, und das ist auch gut so.“In Chemnitz seien AfD-Politiker an der Seite von Rechtsextremisten marschiert, sagt er weiter. „Klären Sie erst mal Ihr Verhältnis zu rechtsradikalen Gewalttätern!“
11.09 Uhr: Es geht noch einmal um den Streit, wann der Antrag nun vorlag. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, behauptet, der Antrag sei bereits am Dienstag an die Fraktionen gegangen. Bis Mittwochnachmittag war jedoch auf den Seiten des Bundestags zu lesen, der Antrag liege noch nicht in schriftlicher Form vor. Der Antrag, der am Mittwochnachmittag online gestellt wurde, war zuletzt am Mittwoch gegen 14 Uhr bearbeitet worden. Am Donnerstagmorgen wurden dann offenbar noch kleinere Änderungen gemacht. CSU-Mann Hoffmann wiederholt seinen Vorwurf, die AfD verhalte sich im Rechtsausschuss wiederholt unkollegial. Oft sei lediglich der Titel von AfD-Anträgen bekannt.
11.03 Uhr: Alexander Hoffmann von der CSU wiederholt den Vorwurf, dass der AfD-Antrag erst sehr spät vorgelegen hat. Das sei keine Ausnahme, sondern im Rechtsausschuss in der Zusammenarbeit mit der AfD die Regel. Außerdem kritisiert er den AfD-Antrag als oberflächlich.
Zu AfD-Mann Curio sagt er: „Und am Ende haben Sie nicht mal den Schneid, eine Zwischenfrage zuzulassen.“ Zu den Vorwürfen aus dem AfD-Antrag sagt er, es gebe bereits eine Arbeitsgruppe zum Thema Paralleljustiz – an der Lösung solcher Probleme werde bereits gearbeitet.
10.58 Uhr: Die religionspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Filiz Polat, kritisiert den AfD-Antrag als „voller Hetze und Rassismus“. An die Adresse der AfD-Fraktion sagt sie: „Der inquisitorische Eifer Ihres Antrags ist mittelalterlich!“ Sie spricht sich für eine „multireligiöse, aber säkulare Gesellschaft“ aus.
10.57 Uhr: Friedrich Straetmanns von der Linksfraktion hielt der AfD gerade eine Standpauke über rechtsstaatliche Grundsätze und darüber, dass die Fraktion sich erst einmal mit der freiheitlichen Grundordnung Deutschlands auseinandersetzen solle, bevor sie den Bundestag mit einem solchen „wirren Antrag“ überziehe. Er weist zum Beispiel darauf hin, dass für die Regierung ein Neutralitätsgebot gelte. Sie dürfe gar keinen Einfluss darauf nehmen, wie Menschen ihre Religion leben.
10.42 Uhr: Der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Jürgen Martens zitiert aus der Bibel, um zu beweisen, dass es in vielen religiösen Schriften isolierte Stellen gibt, die homophob oder frauenfeindlich wirken. Der Antrag laufe „eigentlich auf Koranverbot hinaus“, sagt der FDP-Abgeordnete. „Aber das wäre so offenkundig verfassungswidrig, dass Sie sich das nicht trauen.“ Mit dem Antrag werfe die AfD einen „Brandsatz mitten in die Gesellschaft hinein. Aber das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!“
10.37 Uhr: Sensburg (CDU) zerpflückt den AfD-Antrag, der viel zu undifferenziert und uninformiert sei. Es sei auch unklar, worauf der Antrag eigentlich abziele. „Der Antrag ist nicht debattenfähig“, sagt er. Immer wieder gibt es Zwischenrufe aus der AfD-Fraktion. Einmal bügelt Sensburg dies ab – und zwar mit den Worten: „Jetzt hören Sie doch mal zu, Sie verstehen es doch sonst nicht!“ Mit beißendem Spott fragt der Abgeordnete, ob man etwa problematische Koran-Passagen schwärzen solle.
10.32 Uhr: Omid Nouripour von den Grünen stellt eine Zwischenfrage, die aber mehr eine Lehrstunde „Grundkurs Islam“ an die Adresse der AfD-Fraktion ist. Nouripour erklärt zum Beispiel kurz, dass es verschiedene Formen der Scharia gibt, von denen einige durchaus mit dem Grundgesetz kompatibel sind. Außerdem erinnert er daran, wie wichtig die Interpretation des Korans sei. Sensburg bedankt sich ausdrücklich für den Beitrag.
10.31 Uhr: Ein Redner der AfD beschwert sich, auch Anträge aus der Unionsfraktion würden teils spät zur Verfügung gestellt. Das lässt Sensburg nicht gelten. Im Rechtsausschuss hätten ihm AfD-Abgeordnete noch kurz vor der Debatte gesagt, sie würden den AfD-Antrag selbst noch nicht kennen.
10.26 Uhr: Jetzt spricht Patrick Sensburg von der CDU. Er beschwert sich darüber, dass die AfD-Fraktion ihren Antrag erst am Mittwochnachmittag den übrigen Parlamentariern zur Verfügung gestellt hatte. Dabei bezieht er sich auch auf einen Beitrag von FOCUS Online. Der Antrag sei nochmals von der AfD geändert worden – in der neuen Fassung sei der Antrag sogar erst am Tag der jetzigen Debatte um 8.50 Uhr online gewesen. – Im Gegensatz zu Curio lässt Sensburg gleich mehrere Zwischenfragen zu.
10.23 Uhr: Curio, AfD zitiert immer wieder einzelne Koransuren, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass das ohne Kontext kaum etwas über den Islam aussagt. Er behauptet unter anderem, es gebe keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus und macht muslimische Flüchtlinge für alle möglichen Probleme wie „religiöses Mobbing“ und Antisemitismus verantwortlich – und damit aus AfD-Logik wohl naheliegend: auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Er behauptet, der Koran könne Muslime schon von Kindesbeinen an zu radikalisieren. Er behauptet weiter, der Islam gehöre nicht zum Rechtsstaat, vermischt in der Begründung aber soziale Probleme wie Kinderheirat und Vielheirat mit dem Islam als Religion. Dafür gibt es naturgemäß – was Wunder – nur Applaus von der AfD-Fraktion.
10.17 Uhr: Erster AfD-Redner Gottfried Curio, der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion legt gleich mit Behauptungen zum Islam und dem Koran los. Zum Beispiel behauptet er, dem Islam sei eine „niedrige Schwelle zur Gewalt“ eigen; woran er das festmacht, bleibt offen. Curio lehnt eine Zwischenfrage ab, es sind wütende Zwischenrufe von anderen Fraktionen zu hören. Der AfD-Politiker lehnt nun auch weitere Zwischenfragen ab.
10.14 Uhr: Laut Sitzungsplan soll die Debatte gegen 10.15 Uhr beginnen.
Anti-Islam-Debatte ist typisch für Parlamentsarbeit der AfD
09.32 Uhr: Ab circa 10.10 Uhr debattiert der Bundestag über einen Entschließungsantrag der AfD gegen den Islam. In dem Antrag, der erst gut einen halben Tag vor Beginn der Debatte schriftlich vorlag, fordert die Partei unter anderem, die Bundesregierung solle „geeignete Maßnahmen (…) ergreifen, die Verbreitung von im Koran enthaltenen gesetzwidrigen Inhalten und Aufrufen zu unterbinden“. Wie die Partei sich ein Vorgehen der Regierung gegen eine bestimmte Religion vorstellt, geht es dem Antrag nicht hervor. Ebenso nicht, ob die AfD auch andere religiöse Schriften darauf geprüft hat, ob Formulierungen darin gegen geltende Gesetze verstoßen.
Um die Debatte einordnen zu können, sollte man sich vor Augen führen, dass die AfD-Bundestagsfraktion die Parlamentsarbeit anders angeht als die meisten anderen Fraktionen: Zwar halten sich die Abgeordneten an die parlamentarischen Regeln. Sie zielen jedoch nicht darauf ab, andere Parlamentarier zu überzeugen, sondern nutzen das Parlament als Bühne, um AfD-typische Vorstellungen zu verbreiten. Das anvisierte Publikum sind AfD-Anhänger und solche, die es werden sollen.
In Bezug auf den Islam bedeutet dies, dass die meisten AfD-Abgeordneten Ressentiments gegenüber dieser Religion und Muslimen verbreiten oder zumindest unterstützen.