Die Regulierung der Finanzmärkte durch die EU war nur halbherzig – und wird unter Lobbydruck teilweise schon wieder aufgeweicht. Zehn Jahre nach dem Crash hat sich nicht viel geändert. Noch immer sind die Banken zu groß und zu vernetzt. Global stieg die Anzahl der systemrelevanten Banken von 29 auf 30 (hier). Fast drei Viertel der Gesamtvermögen (banking total assets) werden von den 35 größten Banken Europas gehalten (hier). Und 13 europäische Banken halten mehr als ein Viertel des Vermögens anderer Banken (hier) („cross holdings of assets between banks globally“). Entsprechend hoch ist die Ansteckungsgefahr zwischen den Banken.

Dabei gab es nach dem Immobiliencrash durchaus Regulierungsvorschläge und Maßnahmen. Die EU-Kommission setzte eine Expertengruppe ein und übernahm deren Empfehlungen, große Banken wenn nötig aufzusplitten. Doch nach fünf Jahren intensiver Lobbyarbeit der Bankenindustrie wurden die Reformvorschläge Ende 2017 ad acta gelegt.

Nicht ausreichend sind auch die Reformen zur Regelung des Eigenkapitals und Verschuldungsstands der Banken in den letzten Jahren. Denn die Größe und Systemrelevanz der Banken resultiert nicht zuletzt aus den großen Mengen Fremdkapital, die sie für ihre Geschäfte einsetzen durften, ohne dabei eigenes Kapital vorhalten zu müssen (gut wird das hier ab Minute 2 erklärt). Eine höhere Eigenkapitalquote würde es den Banken aber ermöglichen, Verluste einfacher aufzufangen. Eine kapitalschwache Bank hingegen droht weitaus schneller Bankrott zu gehen und andere Banken sowie die Realwirtschaft mit in den Abgrund zu reißen.

Finanzexperten kritisieren, dass die Banken auch nach Basel III noch immer zu viel Fremdkapital aufnehmen dürfen. Das Argument: Schweizer und US-Banken können mit einer Verschuldungsquote von 5 Prozent lediglich 20 Mal mehr Fremd- als Eigenkapital für Investitionen aufbringen und sind damit wesentlich strenger reguliert als in der EU. Wissenschaftler des IWF und der Bank of England kamen unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass Banken über risikogewichtetes Eigenkapital von 18 bis 20 Prozent verfügen müssten, um Krisen wie in den letzten 50 Jahren unbeschadet zu überstehen (hier und hier).

Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt gehen indes noch viel weiter. In ihrem Buch Gescheiterte Globalisierung weisen sie darauf hin, dass nicht das Überleben der Banken das primäre Ziel der Finanzmarktregulierung sein sollte, sondern die Einschränkung schädlicher spekulativer Geschäfte.

Einfluss der Finanzlobby

Ursache für die unzureichende Regulierung ist auch der Druck der Bankenlobby. Die Finanzindustrie dominiert die Konsultationen zur Finanzmarktregulierung der größten US- und europäischen Regulierungsbehörden. 94 Prozent aller Briefe und sonstiger Anmerkungen an die Regulierungsbehörden stammen aus der Feder der Finanzbranche

Der Vorstand der Bundesbank, Andreas Dombret, plädierte Anfang des Jahres wiederholt für eine Aussetzung der Reform der Finanzmärkte, da er eine gewisse „Reformmüdigkeit“ sehe. Und der Co-Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken rief in der gleichen Podiumsdiskussion zu einer „Revision“ der Regulierung auf, will die Reformen also schon zurücknehmen, bevor überhaupt eine Überprüfung ihrer Wirksamkeit stattfand (hier).

Sep. 2018 | Politik, Sapere aude, Wirtschaft, Zeitgeschehen | Kommentieren