Die Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst gehen weiter. Tausende Braunkohlegegner halten die Polizei auf Trab. Auch heute (Stand: Montag 11.30 Uhr) könnte es wieder zu Auseinandersetzungen kommen. Im Hambacher Forst will (will?) die Polizei die Räumung der Baumhäuser von Braunkohlegegnern fortsetzen. «Wir haben noch Arbeit vor uns», schrieb eine Polizeisprecherin am frühen Morgen auf Facebook. Nach den Auseinandersetzungen am Sonntag sei es in der Nacht ruhig geblieben.
Wir haben bereits am 29. August eine Pressemitteilung
der Gewerkschaft der Polizei NRW bekommen und „reingenommen“:
„Erst reden, dann roden“. Aufforderung an Politik und Wirtschaft.
RWE – was Wunder – ignorierte diese Mahnung.
Wir hingegen wollen Ihnen diese Meldung nicht vorenthalten.
Die Einsatzkräfte haben seit Beginn der Maßnahmen 28 Baumhäuser (von rund 50) geräumt und 19 davon abgebaut, wie die Polizei Aachen in der Nacht zu Montag mitteilte. Den Angaben zufolge wurden allein am Sonntag 14 Demonstranten festgenommen. Außerdem seien acht Menschen verletzt worden, davon drei Polizisten.
Weitere Informationen:
Der Kampf um den Hambacher Forst ist eine Grundsatzfrage (Deutsche Welle):
https://www.dw.com/de/kommentar-der-kampf-um-den-hambacher-forst-ist-eine-grundsatzfrage/a-45523910
Kommentar Hambacher Forst und Klima – Die Zeit zum Handeln ist jetzt (TAZ):
http://www.taz.de/!5531996/
Hambacher Forst soll bis Ende der Woche geräumt sein (WDR):
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/hambacher-forst-388.html
Halbe Million Unterschriften: Erhalt des Hambacher Forstes (Süddeutsche):
https://www.sueddeutsche.de/news/wirtschaft/energie—duesseldorf-halbe-million-unterschriften-erhalt-des-hambacher-forstes-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180920-99-39432
Hambacher Forst – Landesregierung besteht auf Räumung (Neues Deutschland):
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1101046.hambacher-forst-landesregierung-besteht-auf-raeumung.html
Energie – RWE hält an Rodung im Hambacher Forst fest (focus.de)
https://www.focus.de/politik/deutschland/energie-rwe-haelt-an-rodung-im-hambacher-forst-fest_id_9632009.html
28.Sep..2018, 16:45
Der feine Unterschied zwischen legal und legitim – er könnte in der Auseinandersetzung um die Rodung des Hambacher Walds nicht größer sein. Zwar bewegen sich der Energiekonzern RWE und die nordrhein-westfälische Landesregierung noch im gesetzlichen Rahmen, doch legitim ist ihr Handeln längst nicht mehr. Das Beharren der beiden Akteure, die vor über 40 Jahren eingeschlagene Route nicht zu verlassen, verstößt angesichts der Heißzeitstudie gegen jede ökologische und ökonomische Vernunft.
Es ist eigentlich nur noch ein kleiner Streifen Wald, der entlang der Abbruchkante des Hambacher Tagebaus noch die Stellung hält. Vom Hitzesommer ist auch er ausgetrocknet: Gelbe Spätsommerblätter liegen am Boden. Das dünne Waldband von gerade einmal 200 Hektar ist der Rest eines ursprünglich mehr als 5000 Hektar großen Waldgebiets, das Stück für Stück für den Abbau des denkbar schmutzigsten Energieträgers gerodet wurde: der Braunkohle.
Der Hambacher Wald ist binnen weniger Tage nicht nur lokal, sondern sogar international zum Symbol für eine unentschlossene, wenn nicht sogar tragische Klimapolitik Deutschlands geworden. In der jüngsten Auseinandersetzung um die Rodung des letzten Rests des Hambacher Forsts fallen rasch jede Menge Widersprüche auf – zum Beispiel die Behauptung, dass die Kohle unter dem Forst einen beträchtlichen Teil der nordrhein-westfälischen Energieversorgung abdecken würde: So sollen jährlich im Tagebau Hambach rund 40 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden, mit denen der Energiekonzern RWE 22 bis 25 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen will. Damit werde rund 15 Prozent des Strombedarfs in NRW abgedeckt, ist etwa bei »Spiegel Online« oder dem »Handelsblatt« zu lesen.
Das ist zwar rechnerisch richtig, doch das bedeutet nicht, dass die Kohle unter dem Wald tatsächlich benötigt wird. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weist auf eine aktuelle Studie hin, an der sie mitwirkte: Demnach ist die Versorgungssicherheit im deutschen und europäischen Stromsystem auch bei einem beschleunigten Kohleausstieg weiterhin gewährleistet. Deshalb sei die Nutzung des Hambacher Forsts energiewirtschaftlich nicht für die Versorgungssicherheit notwendig. Auch müssten für den Tagebau Garzweiler II fünf Dörfer nicht mehr dem Tagebau weichen. In der Studie heißt es: »Der Braunkohletagebau in Hambach beschränkt sich in dem schnellen Ausstiegspfad auf 230 Millionen Tonnen, insbesondere für die Kraftwerke Neurath und Niederaußem. Durch die Verringerung der benötigten Kohlemenge könnte auch auf die Rodung des wegen Naturschutzes schützenswerten Hambacher Waldes verzichtet werden.«
Auch das Timing der Räumungsarbeiten irritiert: Mitte Oktober wird das Oberverwaltungsgericht entscheiden, ob der Wald aus Naturschutzgründen erhalten werden muss. Die DIW-Studie führt an, dass der Hambacher Wald alle Kriterien erfülle, um nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat ins ökologische Netz »Natura 2000« aufgenommen zu werden. Er besteht nämlich teilweise aus dem naturschutzrechtlich besonders wertvollen Maiglöckchen-Stieleichen-Hainbuchenwald, in dem mehr als 100 Vogelarten, 10 Fledermausarten, Amphibien und Haselmäuse vorkommen. Diese Vielfalt gebe es nur noch in wenigen der ältesten Wälder in Mitteleuropa.
Freunde, boykottiert die RWE, wechselt nötigenfalls den Stromanbieter
Max Sonne