Michael Moores neuer Film ist in den USA angelaufen

Am Anfang des Filmes „Fahrenheit 11/9“ steht die Frage: „How the fuck could that happen?“ Wie konnte es passieren, dass Trump Präsident geworden ist? Diese Frage ist mittlerweile allerdings so oft gestellt worden, dass, schon bevor irgendwer den Film überhaupt gesehen hatte, sich Ermüdungserscheinungen einstellten. Es war zu lesen, der Film sei nicht gut aufgebaut, er spreche zu viele Themen an und dass er zwischen dem Aufstieg Trumps und dem Untergang Flints, Moores armem Heimatort in Michigan, hin- und herspringe, ohne dass man immer genau verstehe, wo die Verbindung sei.

Und dass an alledem auch etwas dran wäre, hat – die meisten – Kritiker allerdings nicht gestört. Für sie ist Fahrenheit 11/9 der Film eines Mannes am Rande des Nervenzusammenbruches, und genau das ist ein Zustand, in dem sich derzeit viele Menschen in Amerika  befinden.

 

Tatsächlich hat Moore Amerika immer wieder gewarnt. In seinem Film Roger & Me hatte er angekündigt, dass General Motors pleitegehen und ganze Städte mit sich reißen könne. In Bowling for Colombine, dass die Massenschießereien nur noch weiter zunehmen würden. In Fahrenheit 9/11 (auf den der Titel des aktuellen Films anspielend), dass den Amerikanern unter dem Vorwand der Sicherheit die Freiheit genommen werde. In Capitalism: A Love Story, dass der Kapitalismus die Demokratie auffresse.

Aber nie hat sich etwas geändert.

Er hat Hillary Clinton im Wahlkampf gewarnt, dass Michigan, dieser arme, heruntergewirtschaftete Industriestaat, seine Heimat, nicht hinter ihr stehe und dass Trump die Präsidentschaft gewinnen könne (was Moore im Film ausführlich erwähnt).
Aber sie hat nicht auf ihn gehört.

Fahrenheit 11/9 (der 9. November war der Tag, an dem offiziell feststand, dass Donald Trump Präsident sein würde) ist die wütende Abrechnung eines enttäuschten Demokraten mit seiner eigenen Partei. Einer Partei, die, wie Moore es im Film sagt, geholfen habe, „den Weg für Trump zu bereiten“.

Dass Moore es sich mit seiner Kritik manchmal ein wenig einfach macht, fällt einem erst so richtig auf, wenn man die laute Party verlassen hat. Hatte Obama damals nicht 170 Millionen Dollar Hilfsgelder für Flint im Senat durchgesetzt? Moore erwähnt das in seinem Film nicht. Und ja, es stimmt, dass Bill Clinton die Politik der Demokratischen Partei von links nach rechts verschoben hat. Aber dass Moore daraus die Bereitschaft der Demokraten zum politischen Kompromiss mit den Republikanern als Ursünde ableitet, die letztendlich zu Trump geführt habe, das macht einen dann doch stutzig. Welches Bild von Demokratie hat Moore?

Auch wenn es so scheint, als sei Washington völlig kaputt – selbst 2017 hat der Kongress 97 Gesetze mit den Stimmen beider Parteien verabschiedet. Eines davon hat ein Programm zur Früherkennung von Schwerhörigkeit bei Kindern erweitert, ein anderes die Ausbildungszuschüsse für Veteranen erhöht. Gemeinsam haben Demokraten und Republikaner neue Sanktionen gegen Russland verhängt und sich auf einen Verteidigungshaushalt geeinigt.

Und dennoch haben Millionen Demokraten aufgehört zu wählen. Sie haben, wie die Menschen in Flint, das Gefühl, dass ihre Partei sie in den wirklich wichtigen Fragen im Stich gelassen habe.

Die Lösung sieht Moore in den jungen, linken Kandidaten, die sich überall im Land im November zur Wahl in den Kongress stellen. Fahrenheit 11/9 ist daher Moores vielleicht letzte Warnung an die Amerikaner. Es gibt eine linke Alternative zum Establishment. Ihr müsst sie nur wählen.
„Sonst werdet ihr“ – so Moores Credo – “ Trump“, der gebetsmühlenartig immer wieder die Frage gestellt habe, warum es in Amerika keinen Präsidenten auf Lebenszeit gebe, „nie wieder los“.

Sep. 2018 | Allgemein, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren

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