Bild zum Thema: Zugeschickt. Aber was soll der Heidelberger Schloss-Turm mit Korruption zu tun haben? Fragen wir uns …

Wie korrupt ist DeutschLand? Bestechung, Vorteilsannahme, Schmiergelder sind viel weiter verbreitet als angenommen. Und Polizei und Staatsanwälte tun sich schwer mit der Bekämpfung der Korruption, denn es gilt das Gesetz. Das Gesetz  nämlich des Schweigens.
Alle wissen Bescheid, aber, was Wunder, redet niemand darüber. Das Risiko, wirklich erwischt und überführt zu werden, ist bei diesem Heimlichkeitsdelikt minimal. Denn alle Beteiligten sind Täter. Zahlreiche Bestecher haben keinerlei Skrupel.
Und auf Seiten der Strafverfolger sieht es dürftig aus:

Unterm Tisch, unter der Hand – so schmiert das ganze Land!

Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind überlastet und werden durch einzelne, sehr komplexe Verfahren blockiert. Die Folgen der Korruption sind gravierend: Sie beschädigt die Grundwerte des demokratischen und sozialen Rechtsstaates. Denn wo Aufträge, Genehmigungen oder Straffreiheit käuflich sind, gehen die Geschäftsmoral und das Vertrauen in Rechtsstaat und Politik kaputt.
Deutschland? Alle? Alsdann, wer ist korrupt? Müssen deutsche Unternehmen im Ausland bestechen?
Was hilft gegen Korruption, und lohnt sie sich?

Wie verbreitet ist das Schmieren. Wie zum Beispiel funktioniert die Anbahnung?

Man kennt sich schon länger, vertraut sich, hilft sich. Ein System, das die Strafverfolgung so mühsam macht und zu wenigen Ermittlungserfolgen führt. Aufwändige Tests in der Branche mit der größten Korruptionshäufigkeit, der Bauwirtschaft zeigten – und Analysen von Ermittlern kommen zum Schluss: Bestechung ist hierzulande weit verbreitet und strukturell in der Bevölkerung tief verwurzelt.

Im Jahr 2014 etwa verzeichnete das Bundeskriminalamt (BKA) fast 20.300 Korruptionsstraftaten. Dabei wurden laut dem Bundeslagebild Korruption die sogenannten Nehmer im Wert von 140.000.000 (in Worten: Einhundert und vierzig Millionen !) Euro geschmiert, fast immer mit Bargeld. Der ehemalige Staatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, heute auf Korruptionsprävention spezialisiert, ist sich sicher: „Es gibt wohl kaum eine Branche, die frei ist von Korruption. Das gibt es überall, in der Privatwirtschaft genauso wie bei der öffentlichen Hand. Die Bestechungssysteme funktionieren ungestört über Jahrzehnte.“

Eine Straßenumfrage in der Metropolregion-Rhein-Neckar ergab, dass die Befragten mehrheitlich sehr streng urteilen, wenn es darum geht, ab wann ein „Geschenk“ zur Korruption wird und wie sie bestraft werden sollte. Die Mehrheit der Passanten sah Sachgeschenke mit einem Wert von über zehn Euro als Bestechung an. Im Regelfall wurde als „angemessene Bestrafung“ für Korruption ein weitaus härteres Strafmaß angesetzt, als es vor deutschen Gerichten üblich ist.

BKA-Statistik

Die Statistik – Vielleicht haben ja aber auch einige Befragte „etwas geflunkert“ belegt, besonders häufig werde im Dienstleistungsgewerbe, in der Automobilbranche, im Handwerk und im Bau-Bereich korrumpiert. Ein Handwerker aus Mannheim packt aus – und erklärt die Masche: „Ich hatte schon von meinem Vorgänger gehört, dass es üblich ist, den Leuten zu Weihnachten entweder ein kaltes Buffet oder ein bisschen Geld vorbeizubringen und demjenigen, der für die Bausachen verantwortlich ist, noch ein extra Weihnachtsgeschenk.“ Später sei die Korruption auf gründliche deutsche Art in Höhe von 2,5 Prozent der jährlichen Auftragssumme festgeschrieben worden: „Jemand kommt und verlangt Geld: Abrechnen nannte er das“, erinnert sich der Handwerker.

Oder, etwas subtiler:

Man kommt (in einem konkreten Fall) ins Gespräch, wobei das Thema längst nichts mehr mit dem Auftrag zu tun haben muss. Die allgemein schlechten Zeiten müssen herhalten, die auch vor einem Sportverein nicht halt machen würden. Dem Sportverein, in dem der „Nehmer“ Mitglied ist, erzählt, es sei nicht mal das Geld in der Kasse, um sehr nötige neue Sport-Geräte kaufen zu können. Der „Geber“ versteht, meint, er könne ja vielleicht ein wenig helfen, bittet – aber natürlich nur „prophylaktisch“ um eine Kontonummer – und handelt. Und so weiter … Nachdem die Spende eines anonym bleiben wollenden Wohltäters für „neue Geräte“ auf das angegebene Konto eingegangen ist, klappt das auch mit dem Nachbarn –
ä pardon, mit dem Auftrag.

Der gesamtwirtschaftliche Schaden durch Korruption ist immens

So belief er sich laut BKA im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre auf 270.000.000 Euro. Allein für das Jahr 2014 geht das BKA von mindestens 358.000.000 Euro Schaden aus. Die tatsächlichen Schadenssummen sollen jedoch weitaus höher liegen, da die Folgeschäden von Korruption, insbesondere bei Genehmigungen und Aufträgen, kaum bezifferbar seien. Zudem ist die Dunkelziffer riesig, die meisten Taten bleiben unerkannt. Der Generalstaatsanwalt (A&¥ schätzt das Dunkelfeld auf 90 bis 99 Prozent aller Korruptionstaten. „Das heißt, viele Täter können zu Recht davon ausgehen, dass sie nicht mit uns in Berührung kommen“, erklärt der Strafverfolger.

Der Deutsche Richterbund (DRB) beklagt das Fehlen von dringend benötigten Ermittlern, um mehr Wirtschaftsstrafsachen ahnden zu können: „Den Willen bei den Staatsanwaltschaften gibt es schon. Aber uns fehlen teilweise die Mittel dazu, indem wir eben nicht genügend Personal haben.“ Die Verfahren seien hochkomplex und die Zahl der Verfahren, die ein einzelner Dezernent zu erledigen habe, einfach zu groß. In vielen deutschen Unternehmen ist Korruption weiterhin verbreitet, trotz aller betrieblichen Antikorruptionsrichtlinien, den Compliance-Regeln. Ein Insider aus der Immobilienbranche, zu dessen täglichem Geschäft das Bestechen gehört, schätzt, dass bei 30 bis 40 Prozent der unter professionellen Unternehmern abgewickelten Immobiliendeals Korruption im Spiel ist. Vor der Staatsanwaltschaft fürchte er sich nicht: „Wegen Schmiergeldzahlungen ist bei uns noch nie einer aufgeflogen, noch nie! Die Angst vor Strafverfolgung ist gering, das ist irrelevant.“

Das Entdeckungsrisiko ist in Deutschland zu gering, da sind sich die Experten einig. Deshalb fordern sie dauerhaft eingerichtete, spezialisierte Korruptions-Staatsanwaltschaften mit ausreichend Personal. Aber, es bedürfe, Abhilfe zu schaffen nicht Massen an Staatsanwälten, sondern eher eine Verunsicherung der Täter, die solche Art professioneller Strafverfolgung mit sich bringt. Hier muss eine noch breitere gesellschaftliche Sensibilisierung einsetzen. Das heißt: Wo beginnt Korruption? Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich ein entsprechendes Angebot bekomme? Wie gehe ich um mit Verdachtsmomenten? Das ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und, vielleicht auch einer wachen Medienpräsenz! Alsdann …
Guten Rat gegen Korruption weiß übrigens die FIFA:
Die streicht das Wort Korruption – „der Verständlichkeit halber“ – einfach aus ihrem Ethik-Kodex. Bravo!

Aug. 2018 | Heidelberg, Allgemein, In vino veritas, Politik, Sapere aude, Wirtschaft | Kommentieren