Was weg ist, macht keinen Ärger mehr: Das Bundespresseamt hat einen Großteil seiner Unterlagen zur „schwarzen Liste“ beim G20-Gipfel gelöscht, ist auf eine entsprechende Anfrage zu erfahren. Die Bundesregierung hat 2017 während des G20-Gipfels in Hamburg 32 Journalisten die Akkreditierung entzogen und den Schritt mit Sicherheitsbedenken begründet. Die Namen hatte das Bundespresseamt vor Ort an Polizisten verteilt. Bis heute ist nicht nachvollziehbar, wer über die Ausschlüsse entschieden hat. „Ein Großteil der Aufzeichnungen“ sei nach dem Gipfel gelöscht worden, schreibt das Bundespresseamt, „aus Datenschutzgründen“.

Ein weiterer Teil der Aufzeichnungen ohne personenbezogene Daten sei vernichtet worden, weil er „für eine Veraktung nicht in Frage kam“.
Die noch vorhandenen Unterlagen berührten die äußere und innere Veranstaltungssicherheit, ihre Bekanntgabe gefährde die öffentliche Sicherheit. Der DJV bezeichnet das Vorgehen als eigentümlich, der DJU findet die Löschung zynisch. Welche Journalisten aus welchen Gründen und aufgrund welcher Rechtsgrundlage auf der Liste landeten, bleibt nun wahrscheinlich auf ewig verborgen im Schredder.
Rechtskonform war die Liste ohnehin nicht, wie die Tagesschau damals berichtete.

Dies hier nochmal zum wieder lesen
und wider das Vergessen:

Datenschützer waren entsetzt, Journalistengewerkschaften protestierten, auch Reporter ohne Grenzen erwähnte das Vorgehen der Bundesregierung als Negativbeispiel in ihrem Jahresbericht: 32 Journalisten hatte die Bundesregierung während des G20-Gipfels 2017 in Hamburg wegen angeblicher Sicherheitsbedenken die Akkreditierung entzogen. Die Namen hatte das Bundespresseamt vor Ort an Polizisten verteilt; die Liste war von zahlreichen Menschen offen einzusehen.

Für diese sogenannte „schwarze Liste“ war das Bundespresseamt wochenlang kritisiert worden und musste sich auch im Bundestag mehrfach rechtfertigen. Doch bis heute ist ungeklärt, wer diese Entscheidungen getroffen hat.

BuzzFeed News hat deshalb bereits vor sechs Monaten nach jeglicher Kommunikation innerhalb des BPA, in das BPA hinein und aus dem BPA heraus gefragt, „die sich mit der sogenannten „schwarzen Liste“ zu G20 befasst hat, also mit den Journalisten, denen die Akkreditierung entzogen wurde.“

 Die Antwort des Bundespresseamtes auf Anfragen:

Außer den bereits veröffentlichten Pressemitteilungen und Antworten auf Anfragen von Bundestagsabgeordneten gebe es keinerlei Informationen, die man herausgeben könne. „Ein Großteil der Aufzeichnungen wurde nach dem G20 gelöscht. Weil sie personenbezogene Daten enthielten und nicht mehr benötigt wurden, war eine Löschung aus Datenschutzgründen angezeigt“, schreibt das Bundespresseamt.
Zudem sei: „Ein weiterer Teil der Notizen und sonstigen Aufzeichnungen ohne personenbezogene Daten ist inzwischen ebenfalls nicht mehr vorhanden, weil der Gipfel nunmehr fast zehn Monate zurückliegt und sie deshalb nicht mehr benötigt wurden und im Übrigen für eine Veraktung nicht in Frage kamen.“
Selbst diejenigen Unterlagen, die im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung noch vorhanden sind, berühren der Behörde zufolge allesamt „die äußere und innere Veranstaltungssicherheit“, schreibt ein Pressesprecher. „Die Bekanntgabe dieser Informationen würde die öffentliche Sicherheit gefährden.“
So würden unter anderem Rückschlüsse auf künftige Veranstaltungen mit hoher Gefährdungsstufe möglich.

Belastendes Material geschreddert?

 

Für die beiden deutschen Journalistengewerkschaften ist das höchst erstaunlich. Der Deutsche Journalistenverband bezeichnet das Vorgehen als eigentümlich. „Die Listen der entzogenen Akkreditierungen von Journalisten zum G20-Gipfel waren ein Politikum, ein gravierender Eingriff in die Pressefreiheit“, schreibt DJV-Sprecher Hendrik Zörner auf Anfrage. Nach G20 habe es im vergangenen Jahr zwei Krisensitzungen gegeben, an denen auch der DJV teilgenommen habe. „Und wenige Monate danach ist das belastende Material, um das es ging, angeblich geschreddert? Ein Informationsamt ohne Information nützt uns Journalisten nichts.“

Die Deutsche Journalisten-Union nennt die Löschung zynisch. „Genau in der Frage des Umgangs mit personenbezogenen Daten seitens der Behörden gibt es auch ein Jahr nach dem Gipfel noch viel zu viele offene Fragen und einen immensen Aufarbeitungsbedarf“, schreibt dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß auf Anfrag

„Wer wann warum auf welche Listen gekommen ist und welche Datenbanken welcher Behörden aufgrund welcher Rechtsgrundlage gegeneinander abgeglichen worden sind, dazu haben wir immer noch keine validen Erkenntnisse und stellen fest, dass die Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt auf Anfragen zwar fristgerecht, aber ausgesprochen zugeknöpft reagieren, weswegen wir auch für die Betroffenen weitere Klagewege prüfen“, schreibt Haß.

Acht Klagen gegen den Entzug der Akkreditierung

Gegen den Akkreditierungsentzug laufen Haß zufolge acht Klagen vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Zudem sei mit weiteren Klagen wegen des kritisierten Umgangs mit personenbezogenen Daten zu rechnen. „Wir wollen und werden das nicht auf sich beruhen lassen“, schreibt Haß.

Die Antwort des Bundespresseamtes auf die Anfrage zeigt Haß zufolge „ein weiteres mal deutlich, wie dringend wir ein Bundespresseauskunftsrecht brauchen“, damit auch Bundesbehörden von Journalisten zur Auskunft gezwungen werden können.

Jul 2018 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude | Kommentieren