Was Wunder sieht das der bayerische MP nicht so! Andererseits löst der der södersche Kruzifixbeschluss erstaunlich wenig säkulare Empörung aus; zwar kĂĽndigt der Bund fĂĽr Geistesfreiheit (MĂĽnchen) immerhin Widerstand an, die taz macht auf das der katholischen Kirche nahestehende Netzwerk „Agenda Europe“ aufmerksam, das gerade obsiegte mit – zum Beispiel – seinen Ansichten ĂĽber Abtreibung und Homoehe in Ländern wie Kroatien oder Slowenien und diese dort bereits durchzusetzen in der Lage war.
Wieder zurĂĽck nach Bayern – der Kruzifixbeschluss des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder – so weit sind sich die Zeitungen einig – ist schamlos, unchristlich und dient allein der Ausgrenzung. Söder nämlich hat verfĂĽgt, das Kreuz mĂĽsse kĂĽnftig im Eingang aller bayerischer Amtsstuben hängen – allerdings „nicht als religiöses Symbol“, so Söder, „sondern als kulturelles“. Das ist „Ketzerei“, wie Söder das Kreuz zum „religiösen Hirschgeweih“ degradiert, meint dazu Heribert Prantl in der SZ.
Erst als mit der Europäischen Union eine wirklich säkulare Institution fĂĽr die Friedenssicherung in Europa zuständig wurde, begannen die 70 Jahre Frieden, den die christliche Religion ihren Anhängern nicht schenken konnte, erinnert der ehemalige The European-Herausgeber Alexander Görlach im Tagesspiegel und fĂĽgt hinzu: „Religion spaltet mehr, als dass sie eint. Unsere freiheitliche Rechtsordnung betrachtet den Menschen als Gegenstand des Rechts, ungeachtet seiner Herkunft, Religion und anderer Merkmale. Das sollten Konservative, die sehr häufig glĂĽhende Europäer sind, zu Markte tragen und nicht das Kreuz zur Schau stellen. So verhelfen sie dem Narrativ eines starken, freien Europas zu neuer BlĂĽte. Das ist es, was an Europa ĂĽberall in der Welt bewundert wird, seine Friedensordnung und sein Wohlstand. Nicht seine Religion.“
Im Bekenntnis zu Land, Religion und Ideen ziehen die Deutschen immer den Schwanz ein, klagt indes Katholikin Birgit Kelle in der Welt enttäuscht darĂĽber, dass die Religion nun doch nicht zurĂĽck ist. Sie sieht das Problem Europas nicht in einer „stetigen Islamisierung“, sondern vielmehr in einer „grassierenden Entchristlichung“.
Der Beschluss zeigt auch die unklaren Verhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland, schreibt Christian Rath in der taz. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht 1995 gegen das Kreuz in bayerischen Klassenzimmern entschieden – aber der Beschluss hatte kaum Folgen. Die Kreuze hängen da immer noch und werden nur abgehängt, wenn sich Eltern beschweren. „Wenn nun im Eingangsbereich von bayerischen Landesbehörden Kreuze aufgehängt werden, ist eine Widerspruchslösung weder vorgesehen noch praktikabel, schlieĂźlich wird eine Eingangshalle meist nur kurz passiert. FĂĽr die bayerische Regierung ist eine Widerspruchslösung aber auch nicht notwendig, da das Kreuz hier ja kein Glaubenssymbol sei, sondern nur ein ‚Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung‘.“
Im Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes und sowohl des HERRN Söder wie auch des christlichen Abendlands spricht man in Bayern zur Not sogar dem Kreuz seinen religiöse Symbolik ab.
Und der Bayerische „Bund fĂĽr Geistesfreiheit MĂĽnchen“ kommentiert laut hpd.de: „Der neue Ministerpräsident schlägt gleich die richtigen Nägel ein und will eine ‚Staatsreligion‘ wieder fest verankern, obwohl in der Verfassung (Art 142, 1) zu lesen ist, dass keine Staatskirche besteht. So ganz sicher ist er sich seiner Sache wohl nicht, denn er hat sich im Vorfeld rechtlich abgesichert und den ’neutralen‘ Eingangsbereich der Dienstgebäude fĂĽr seine Kampagne gewählt, um den zu erwartenden Klagen den Wind aus den Segeln zu nehmen.“
Patricia Hecht stellt in der taz einen Bericht des „Europäischen Parlamentarischen Forums fĂĽr Bevölkerung und Entwicklung“ (EPF) vor, der die Aktivitäten des ultrakonservativen Netzwerks „Agenda Europe“ untersucht. Es handelt sich um eine Einflussorganisation, die der katholischen Kirche nahe steht und die VerhĂĽtung, Abtreibung und Homoehe als Teufelszeug betrachtet: „Das Beunruhigende: Neben dem schnellen und professionellen Aufbau des europaweiten Lobby-Netzwerks und mehr als einem Dutzend politischer Initiativen in den einzelnen Ländern erzielte die Bewegung bereits konkrete politische Erfolge – vor allem in Ländern, in denen der Kampf um Antidiskriminierungsrechte noch eher am Anfang steht. So trieb die kroatische Mitgliedsorganisation ‚Im Namen der Familie‘ das Referendum zur traditionellen Ehe in Kroatien 2013 voran, Ehe gilt dort nun als Einheit von Mann und Frau. In Slowenien wurde 2015 ein Referendum zur EinfĂĽhrung der gleichgeschlechtlichen Ehe mithilfe des Netzwerks blockiert, schreibt EPF.“
Spott, aber auch Lob – Promis zum Kruzifix-Beschluss:
Der Landtag hat die RĂĽckkehr der Kruzifixe in bayerischen Landesbehörden beschlossen. DafĂĽr hagelt es viel Kritik – aber auch Lob:
Kruzifixe in Bayerns Amtsstuben: Auch einen Tag nach der Entscheidung des Kabinetts unter Führung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sorgt dieses Thema für Kontroversen. Von einigen Seiten erntet die Entscheidung aber auch Lob. Ab 1. Juli tritt der Beschluss in Kraft, von da an haben in allen Landesbehörden künftig Kreuze im Eingangsbereich zu hängen. Das gilt auch für die staatlichen Schulen in München, wie das Kultusministerium auf Nachfrage der tz bestätigte.
Söder begrĂĽndete die Entscheidung damit, dass „das Kreuz nicht ein Zeichen einer Religion“ sei, sondern auch ein „Bekenntnis zur Identität“ und zur „kulturellen Prägung Bayerns“. Bisher schrieb die Staatsregierung Kreuze nur fĂĽr die Klassenzimmer der bayerischen Schulen und die Gerichtssäle vor. Die tz hat einige Reaktionen auf den Beschluss zusammengefasst und sich bei einigen MĂĽnchnern umgehört. Die Meinungen gehen hierbei durchaus auseinander. ÂÂDas Kreuz, Âes spaltet!
Reaktionen auf die Entscheidung zu Kreuzen
in den Landesbehörden
Schauspielerin Uschi Glas (74) kann sich mit den Kreuzen anfreunden. Zur tz sagte sie am Mittwoch: „Ich finde das eine gute Idee, um unsere Werte hochzuhalten. Wir sind ein christlich-jüdisch geprägtes Land.“
Astrophysiker, Naturphilosoph, Hochschullehrer und Fernsehmoderator Harald Lesch (57) hingegen hat so seine Zweifel: „Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz. Ich glaube, das hätte man besser gelassen. Ich weiĂź nicht, was das soll – es geht schlieĂźlich nicht um Symbole, sondern um Taten. Christlich handeln wäre viel wichtiger“, sagte er zur tz.
Und auch FDP-Chef Christian Lindner (39) packte auf Twitter die Kritikerkeule aus. Er lederte gegen Ministerpräsident Söder: „Wie Markus Söder und die CSU Religionen permanent für Parteipolitik instrumentalisieren, das erinnert geradezu an (Recep Tayyip) Erdogan. Das Grundgesetz hat keine Konfession!“
Prälat Lorenz Wolf (62), Leiter des Katholischen Büros in Bayern, findet positive Worte für den Beschluss: „Wir begrüßen es, wenn christlich geprägte Grundwerte unseres Gemeinwesens, insbesondere Menschenwürde, Nächstenliebe, Toleranz und Solidarität, wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.
Das Kreuz kann als Anstoß für eine Debatte in unserer Gesellschaft dienen, welche Werte nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis unser Leben, unser Tun und Lassen und unser Verantwortungsgefühl bestimmen. Wenn Kreuze dazu motivieren, dass darüber intensiv nachgedacht und gesprochen wird, kann das für alle Menschen in unserem Land hilfreich sein.“
Ganz anders sieht das der römisch-katholische Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler (57): „Ich verbitte mir, dass Markus Söder mit dem Kreuz Wahlkampf betreibt. Das Kreuz in die Öffentlichkeit zu tragen, ist meine Aufgabe und nicht seine. Söder hat zudem gesagt, dass das Kreuz ein rein kulturelles Symbol sei. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist ein religiöses Symbol, ein Zeichen für die ewige Liebe Gottes und dafür, dass es eine Kraft gibt, die stärker ist als Gewalt, Not und Tod.“
Jan Korte (41), Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag übt ebenfalls Kritik: „Söders verfassungswidriges Kruzifix-Dekret ist nicht nur plumpester Wahlkampf, sondern auch eine Instrumentalisierung von Religion für persönliche Zwecke.“
Das sagt Susanne Breit-KeĂźler (64), Oberkirchenrätin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern: „Die bayerische Staatsregierung möchte mit Kreuzen auf das geistig-ethische Fundament der Gesellschaft aufmerksam machen. Schön, wenn christliche Grundwerte wie MenschenwĂĽrde, Nächstenliebe und Toleranz stärker ins öffentliche Bewusstsein gerĂĽckt werden. Sie sollten allerdings nicht bloĂź symbolisch an der Wand hängen – sondern alltägliches Leben und damit auch die Politik bestimmen. So dient das Kreuz allen Menschen zum Leben.“
Jan Böhmermann (37) spottet: „Neues bayrisches Gesetz für noch mehr Heimatgefühle: Ab 1. Juni müssen im Eingangsbereich jedes öffentlichen Gebäudes in Bayern ein Kreuz, ein Bündel Knoblauch und ein Schrumpfkopf hängen.“
Dr. Hans-Georg Küppers (54), Kulturreferent der Landeshauptstadt München zur tz: „Ich bin katholisch und natürlich ist das Kreuz ein religiöses Symbol. Was denn sonst? Und ich halte das weltanschauliche Neutralitätsgebot der öffentlichen Hand für ein wichtiges Gut.“
Bayerns evangelischer Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (58): „Ich freue mich, wenn das Kreuz, das für unseren Glauben steht, ernst genommen wird. Das Entscheidende ist, dass es nicht nur an der Wand hängt, sondern auch vom Inhalt her mit Leben erfüllt wird.“
„Vor dem Hintergrund der Integration halte ich es für richtig, die Normen und Werte zu definieren, die für das Miteinander unverzichtbar sind“, sagt Charlotte Knobloch (85) der Welt.