Nichts anderes als eine frontale Kampfansage an uns Verbraucher versuchen (wenngleich klammheimlich) derzeit Nestlé, Coca-Cola, Mars & Co., durchzubringen! Was genau wird da getrieben? Die Verantwortlichen in der Lebensmittelindustrie wissen – was Wunder – sehr genau, dass und warum sich viele Menschen Klarheit über den Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in Lebensmitteln wünschen. Sie wissen natürlich auch, dass sich eine große Mehrheit für die Ampelkennzeichnung (siehe Grafik) ausspricht.
Vor Jahren – Beobachter sprachen von einer der „größten Lobby-Schlachten“ in der Geschichte der EU – hat die Lebensmittelindustrie diese Ampelkennzeichnung verhindert und ihr eigenes Kennzeichnungsmodell durchgesetzt. Das hat sie sich nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro (!) kosten lassen. Doch die Forderung nach der „Ampel“ wird wieder lauter, von Verbrauchern, von foodwatch, Krankenkassen und Ärzteverbänden. Und jetzt haben sich sechs Konzerne vorgenommen, der Ampel endgültig den Garaus zu machen: Das versuchen sie zu tun, indem sie nämlich zwar einfach selbst die Ampel einführen wollen. Nur – aber eben nicht „die“ Ampel, sondern eine eigene, eine Fake-Ampel – natürlich zu ihren Bedingungen:
Eine Kennzeichnung, die zwar auch mit rot-gelb-grünen Farben arbeitet, die aber selbst die ungesündesten Produkte überhaupt nicht mehr ungesund aussehen lässt. Mit Macht versuchen Unilever, Pepsi, Mondelez (früher Kraft), Nestlé, Mars und Coca-Cola, diese Industrie-Ampel in Europa durchzusetzen – auf dass die Forderung nach einer Nährwert-Ampel endgültig verstummt.
… „die essensretter“ wollen das verhindern! Doch leicht wird das nicht. Haben Sie die Namen gelesen, dann wissen Sie: Das wird eine Auseinandersetzung gegen sechs der größten und mächtigsten Konzerne der Welt.
Die Ampelkennzeichnung ist – eigentlich – eine bestechende Idee aus Großbritannien. Bei ihr würde schon auf der Vorderseite der Verpackungen der Zucker-, Fett- und Salzgehalt angegeben werden, und zwar einheitlich pro 100 Gramm. Nur so ist ein Vergleich zwischen den Produkten möglich. Die Ampelfarben kennzeichnen zusätzlich die Gehalte als hoch (rot), gelb (mittel) und grün (niedrig) – dadurch könnten wir die Unterschiede ähnlicher Lebensmittel schon auf einen Blick erkennen. Vor allem aber könnten wir all den versteckten Zucker in Frühstücksflocken oder Kinderketchup erkennen, die Fitnessprodukte als Fettbomben entlarven oder manch irreführende Gesundheitswerbefloskel richtig einordnen.
Genau aber das ist auch der Grund dafür, warum so viele Lebensmittelhersteller die Ampel ablehnen. Wenn Dickmacher-Produkte sofort als solche erkannt werden, werden sie seltener oder nicht gekauft. Da ist es nur logisch, dass die Lebensmittelindustrie mit Umsatzeinbußen rechnet und deshalb dagegen ist. Wir Verbraucher aber wollen, dass alle Menschen, die das möchten, auf einen Blick stark zucker-, fett- oder salzhaltige Lebensmittel erkennen können.
Was aber ist das Problem mit der neuen Industrie-Ampel?
Ganz einfach: Die sechs Konzerne wollen die Angaben auf „Portionsgrößen“ eines Produkts beziehen … Der Trick dabei ist ganz einfach: Je kleiner eine Portion, desto weniger Zucker kann in dieser Portion drin sein und desto weniger rote Ampeln erscheinen.
Ein Beispiel: Nutella. Besteht zu fast 90 Prozent aus Zucker und Fett. Natürlich kann man das ab und an mal zum Frühstück essen, aber ein gesundes Produkt ist es trotzdem nicht. Die echte und zu forndernde Ampel bringt das klar zum Ausdruck, sie zeigt drei Mal rot (für Fett, gesättigte Fettsäuren und Zucker). Mit der Industrie-Ampel aber wären – simsalabim – alle roten Punkte verschwunden. Mini-Portionsgrößen machen diesen faulen Zauber möglich – es ist ein ganz schäbiger Trick auf Kosten von uns Verbrauchern. Doch wenn wir uns die Entscheidungen auf EU-Ebene in der Lebensmittelpolitik der vergangenen Jahre ansehen, müssen wir befürchten, dass die sechs Konzerne damit durchkommen.
Wie dreist die Konzerne mit ihrer eigenen Ampel vorgehen,
zeigt ein anderes Beispiel: Reiner Zucker.
Es sollte doch gemeint werden dürfen, dass der Zuckergehalt von reinem Zucker – genau: sehr hoch ist. Doch, und das ist kein Witz: Nicht so bei der Industrie-Ampel. Ein Hersteller könnte ein Stück Kandiszucker als Bonbon verkaufen, und weil die „Portion“ so winzig klein ist, würde die Industrie-Ampel nur auf gelb stehen. Nestlé, Mars & Co. wollen uns allen Ernstes eine Kennzeichnung verkaufen, bei der der Zuckergehalt von reinem Zucker als „mittel“ dargestellt werden könnte! Wenn wir das nicht verhindern, was kommt als nächstes – Salz, das als salzfrei gekennzeichnet werden darf?
Es ist niemals zu früh und selten zu spät:
Schauen wir den Lobbyisten über die Schulter – und machen unseren Bundestagsabgeordneten Dampf!