Nach Berichten, wonach eine Datenanalyse-Firma aus dem Wahlkampf von Donald Trump sich unerlaubt Zugang zu Daten von über 50 Millionen Nutzern verschaffen konnte, forderten Abgeordnete in den USA und Europa von der Facebook-Spitze um Mark Zuckerberg Antworten. Einwände von Facebook-Managern, dass dabei keine Facebook-Systeme gehackt wurden, sondern rechtmäßig erhaltene Daten illegal weitergegeben wurden, gossen – was Wunder – eher Öl ins Feuer und ließen Rufe nach mehr Regulierung für Online-Plattformen lauter werden. In der Tat, das Misstrauen gegenüber Facebook wächst von Woche zu Woche. Facebooks Rolle bei der US-Wahl, als das weltgrößte soziale Netzwerk manipulative Anzeigen aus Russland zuließ, wurde am Wochenende von den Enthüllungen eines Whistleblowers erschüttert.

Ein ehemaliger Mitarbeiter von Cambridge Analytica berichtet, wie das der Trump-Administration nahestehende Datenanalyse-Unternehmen durch ein Datenleck 50 Millionen Nutzerprofile über Jahre hinweg ausspionierte. Desaströs für Facebook: Das Social Network wusste seit zwei Jahren von dem Vorfall – und reagierte nicht.

Dass Cambridge Analytica eine Rolle bei der vergangenen US-Wahl gespielt hat, ist kein Geheimnis. Kurz nach dem Wahlerfolg von Donald Trump referierte Cambridge-Chef Alexander Nix auf Konferenzen – wie im vergangenen März bei den Online Marketing Rockstars in Hamburg – immer wieder darüber, wie sein Team Donald Trump mit einer maßgeschneiderten Social Media-Strategie (neudeutsch: „Voter Targeting“) zum Wahlsieg verholfen haben will.

So richtig ernst genommen wurde der eloquente Cambridge-Mann, der wie das Stereotyp eines typischen  Londoner Bankers einherkommt, in der Tragweite seiner Aussagen indes bislang jedoch nicht. Das dürfte sich nach dem Wochenende geändert haben. In einer aufsehenerregenden Reportage berichten der britische Guradian und die New York Times über das 2013 gegründete Datenanalyse-Unternehmen und das ausgeklügelte System der Wählerbeeinflussung.

Steve Bannon und Multimilliardär steuerten Cambridge Analytica

Neue Hintergründe dazu liefert ein Insider: Christopher Wylie, der jahrelang bei Cambridge Analytica arbeitete, packte nun als Whistleblower aus. Tatsächlich ist die Verbindung zwischen Cambridge Analytica und der Trump-Administration tiefer als bislang gedacht.

Groß gemacht wurde das britische Data-Unternehmen mit Hauptsitz in New York 2012 erst durch ein 15 Millionen Dollar schweres Investment des konservativen Hedgefondsmanagers Robert Mercer, bekanntlich ein früher Unterstützer Donald Trumps und gleichzeitig Finanzier der rechtspopulistischen Webseite Breitbart.

Maßgeblich involviert in beide Firmen war Trumps früherer Chefstratege und Wahlkampfmanager Steve Bannon, der jahrelang sowohl Breitbart als Chefredakteur führte wie als Vice President von Cambridge Analytica agierte – der Kreis schließt sich.

50 Millionen Nutzerprofile auf Facebook ausspioniert

Dass Cambridge Analytica also von langer Hand als Datenanalyse-Instrument für konservative Zwecke operiert hat, wird anhand der teilweise schockierenden Enthüllungen von Christopher Wylie nun klarer. Demnach hat sich Cambridge Analytica bereits 2014 durch ein Datenleck Zugriff auf 50 Millionen Facebook-Profile verschafft.

In der Praxis passierte das über eine App namens thisisyourdigitallife, die Aleksandr Kogan, ein Mitarbeiter der Cambridge University als Umfrage entwickelt hatte und von Cambridge Analytica dann verwendet wurde.

Wie Wylie im Interview mit dem Guardian berichtet, hätten lediglich 270.000 Profile gereicht, um Zugriff auf tatsächlich 50 bis 60 Millionen Facebook-Profile zu erlangen, weil die Analytiker wegen eines Datenlecks durch einen Facebook-Nutzer auch gleichzeitig die Daten von dessen Freunden erhielten – Likes, Status Updates, bis zu Privatnachrichten.

Ausgerüstet mit dem tiefsten Einblick in das Nutzerverhalten von über 50 Millionen Amerikaner konnte Cambridge Analytica nun die von Steve Bannon erhoffte Propaganda-Maschine designen, die nun mit den entsprechenden Posts gefüttert werden konnten – bis zur passenden Aufmachung und Ansprache.

 

Facebook wusste vom Datenleck, reagierte aber nicht

So blamabel für Facebook der Vorfall in Sachen Datensicherheit ist, so skandalös ist der Umgang des schwer in die Kritik geratenen Social Media-Giganten mit dem Datenleck. Wie CBS berichtet hat der drittwertvollste Internetkonzern der Welt nämlich seit über zwei Jahren Kenntnis von den Datenlecks, den Vorgang aber weder öffentlich gemacht noch Cambridge Analytica abgemahnt.

Das erfolgte erst am Samstag Stunden vor den Guardian- und NYT-Enthüllungen, die Facebook durch die Drohung einer Klage verhindern wollte: Facebook verbannte Cambridge Analytica, doch der Imageschaden dürfte nicht mehr zu korrigieren sein.

Der unterschwellige Verdacht der vergangenen eineinhalb Jahre, dass das Ausmaß der Manipulation von potenziellen Wählern auf Facebook größer wäre als bislang angenommen, erhielt durch die Enthüllungen neue Nahrung. Stimmen nach einem regulativen Eingriff seitens der Politik wurden am Wochenende lauter.

März 2018 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude | Kommentieren