Digitalcourage kritisiert einen Offenen Brief des Verbands deutscher Zeitschriftenverleger, mit dem 52 Unternehmen gegen Datenschutz in der EU appellieren. In dem Brief fordern die Unternehmen und Verbände eine Abschwächung des EU-Datenschutzes der geplanten E-Privacy-Verordnung und tracken illegal alle, die den Brief lesen.
Digitalcourage hat den Offenen Brief des VDZ umgeschrieben, um auf den massiven Lobbydruck gegen Datenschutz in der EU hinzuweisen. „Wer den von uns korrigierten Brief liest, erfährt, was die Werbeindustrie wirklich über das Privatleben von Menschen denkt“, sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage:
Digitalcourage-Version des VDZ-Briefs:

Der Verband deutscher Zeitschriftenverleger behauptet in seinem Offenen Brief, „dass die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation und der Schutz personenbezogener Daten unbestreitbar sind.“ Aber auf Internetseite, auf der der Offene Brief zu lesen ist, leitet der Verband illegal mit Google Analytics die ungekürzten IP-Adressen von allen, die diesen Offenen Brief lesen, an US-Server von Google weiter.
„Der VDZ hat durch dieses illegale Tracking jede Glaubwürdigkeit verloren und sollte seine Lobbyarbeit gegen Privatsphäre beenden“, sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage. „Das Grundrecht auf Privatsphäre steht über der Gier der Werbeindustire nach persönlichen Daten. Werben geht auch ohne kommerzielle Überwachung!“
„Die politischen Entscheidungsträger in der EU, an die sich die Werbeindustrie mit diesem Brief wendet, müssen spätestens jetzt verstanden haben, dass sich die Datenindustrie in keiner Weise für Privatsphäre interessiert“, sagt Kerstin Demuthvon Digitalcourage. „Auch, wenn sie gern das Gegenteil behaupten.“
Die deutschen Unterzeichner des Offenen Briefs sind Zalando, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und Deutsche Startups (DS Media GmbH). Digitalcourage fordert, dass der Verband deutscher Zeitschriftenverleger sofort das illegale Tracking abstellt. Die bis dato illegal erhobenen Daten müssten gelöscht werden, was auf Servern in den USA schwer durchsetzbar sein wird.
Seit Jahren versuchen Unternehmen die Verhandlungen um die ePrivacy-Verordnung zu beeinflussen. Die ePrivacy-Verordnung wird zukünftig in allen EU-Ländern regeln, wie tief Unternehmen in die Privatsphäre bei der Kommunikation eingreifen können. Reguliert werden unter anderem WLAN-Tracking, Cookie-Walls, Datenschutzeinstellungen in Software, Werbe-Tracking und Standards für den Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit bei SMS, Telefon, WhatsApp und Video-Chats. Mit massiver Lobbyarbeit versuchen Unternehmen starken Datenschutz in der EU zu bekämpfen. Nach Einschätzung von Digitalcourage sind der Grund dafür Geschäftsmodelle, die auf der Ausnutzung personenbezogener Daten basieren. Solange Unternehmen an diesen Modellen festhalten, können sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Privatsphäre nicht ernsthaft wahren.

Weiterführende Informationen:

Von Digitalcourage korrigierte Version des VDZ-Briefs:
Offener Brief: „Europa darf die Datenrevolution nicht verpassen“
Berichterstattung von netzpolitik.org zur ePrivacy-Verordnung und der Lobbyarbeit der Datenindustrie:
Videovortrag von Ingo Dachwitz: Lobby-Schlacht um die ePrivacy-Verordnung Die EU hat die Wahl: Schutz von Menschen oder von Geschäftsmodellen?
Digitalcourage: e-Privacy: Unsere Stellungnahme gegen die Mythen der Industrie.
Stefan Krempl (heise.de): Lobby-Bericht E-Privacy Wie die Industrie starken Datenschutz bekämpft.
Digitalcourage: ePrivacy: Surfen, chatten und telefonieren wir ab 2018 vertraulicher?
Corporate Europe Observatory: Big Data is watching you The industry lobby battle against ePrivacy.
Digitalcourage:   
Digitalcourage setzt sich seit 1987 für Datenschutz und Bürgerrechte ein und richtet seit 2000 die jährliche Verleihung der BigBrotherAwards aus. 2008 erhielt Digitalcourage die Theodor-Heuss-Medaille für besonderen Einsatz für die Bürgerrechte.
März 2018 | Allgemein | Kommentieren