„Journalistik“ heißt eine neue Fachzeitschrift, die – eigener Beschreibung nach – den Wandel des Journalismus und seiner Vertreter in der Digitalisierung untersuchen möchte. Namhafte Wissenschaftler (im Bild Mitherausgeber Horst Pöttker) bewegen sich in der ersten Ausgabe im Themenfeld zwischen Erich Kästners Wirken, ethischen Diskussionen in der Migrationsdebatte und der faden Berichterstattung über die EU. Aus einem Gespräch mit dem Herausgeber und Journalistik-Professor Horst Pöttker über das digitale Fachjournal:
In schmalen, weißen Lettern prangt der Titel Journalistik auf kieferngrüner Farbe, versehen ist er mit einem Unterstrich. Dazu die aufschlussreiche Erläuterung: Zeitschrift für Journalismusforschung. So wird der Leser auf der Startseite der Onlinepublikation empfangen. Dieses zeichnet sich durch ein minimalistisches Layout aus, das bis auf wenige Tabellen innerhalb der Studien auf eine visuelle Gestaltung verzichtet. Die Aufmerksamkeit des Publikums, so vermutlich die Intention der Macher, soll zügig auf den Inhalt gelenkt werden. In den Kategorien Aufsätze, Essay, Debatte und Rezensionen präsentieren Forscher aktuelle Ergebnisse aus dem wissenschaftlichen Fach Journalistik. Das werde „leider viel zu häufig mit der Kommunikationswissenschaft verwechselt“, so Initiator Horst Pöttker: „Dem wollen wir mit der Zeitschrift nun entgegensteuern und mehr Aufmerksamkeit für das Fach erzeugen.“
In der Premierenausgabe, die seit 1. Februar online ist, erläutert unter anderem Klaus Meier von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt seine jüngsten Ergebnisse zum konstruktiven Journalismus. Friederike Herrmann geht in ihrem Essay der Frage auf den Grund, warum Berichterstattung über die EU derart langweilig ist. Weitere Themen sind der Zustand der freien Journalisten hierzulande und ethische Richtlinien, die beim Migrationsdiskurs in Deutschland und Österreich gelten. Die Beiträge präsentieren sich dabei nach gängigen Standards der wissenschaftlichen Forschung samt altbewährter Struktur, Zitation und Quellenangabe. Wer sich in die Welt des wissenschaftlichen Journals begibt, sollte – wie es bei analogen Genrevertretern ebenfalls ratsam ist – zwei Sachen mitbringen: Zeit und Ruhe. Bei den Beiträgen handelt es sich, so Pöttker, um Erstpublikationen. Die einzigen Synergieeffekte gibt es bei den Rezensionen, die bereits im Digitalmagazin „rezensionen:kommunikation:medien“ erschienen sind, bei dem Pöttker ebenfalls Mitherausgeber ist.
Das selbst ernannte Ziel der Herausgeberschaft – bestehend aus den renommierten Forschern Horst Pöttker, Gabriele Hooffacker, Bernhard Debatin, Petra Herczeg und Tanjev Schultz – ist es, das Konzept des journalistischen Berufsstandes in der Gegenwart zu überprüfen. Das Journal leistet damit dem Fachzeitschrift „Message“ Gesellschaft, die bis 2014 in gedruckter Form erschien. Finanzieller Schwierigkeiten und mangelnder Abonnenten wegen mussten die Herausgeber um Volker Lilienthal jedoch rein digitale Verbreitung umstellen. „‚Journalistik‘ ist eine Zeitschrift, die bewusst auf Wissenschaftlichkeit setzt, ohne Interviews und andere journalistische Formen“, so Pöttker mit Verweis auf „Message“, das im Vergleich dazu ebenfalls jene Genres bedient.
Warum ausgerechnet jetzt eine Journalistikzeitschrift veröffentlichen, das mag sich der ein oder andere wohl fragen. „Die Idee hatte ich schon vor langer Zeit“, erzählt Pöttker. „Man hätte so eine Zeitschrift durchaus vor zehn Jahren machen können, aber es dauert bis man die passenden Herausgeber und den richtigen Verlag gefunden hat.“ Allerdings, betont der studierte Sozialwissenschaftler, sei der Journalismus durch die Digitalisierung „heutzutage in eine fundamentale Krise“ geraten. Aus seiner und der Sicht seiner vier Herausgebern sei da Wissenschaft besonders wichtig, um Innovation zu fördern.
Während es in englischsprachigen Ländern lange schon Zeitschriften wie „Journalism Studies“ gibt, die sich ausdrücklich mit dem Forschungsfeld Journalistik beschäftigen, mangele es im deutschsprachigen Raum an derartigen Vertretern – ist im Editorial der ersten Ausgabe zu lesen. Hiesige Journalismusforscher müssten sich mit Publikationen in kommunikationswissenschaftlichen Journalen begnügen. Diesen Mangel will die kostenlose, digitale Fachzeitschrift nun beheben. „Auch für Leser wird sie frei zugänglich bleiben“, meint Pöttker. Ein Abo-Modell jedenfalls sei nicht Teil des Konzeptes.
Budgetdecke ist dünn