Obwohl ihr Tod wegen ihrer schweren Erkrankung absehbar war, war es für ihre Freunde dann doch ein Schock. Denn diese Galerie war nicht eine Galerie wie andere, sondern Galerie, Kleinkunstbühne, Konzertsaal, Diskussionsforum, Literatur- Cafe und wichtiger Treffpunkt in einem.
Wer Magdalena in den frühen Sechzigern gekannt hat, erinnert sich noch an diesen Farbtupfer des Heidelberger Stadtbilds. Lange Haare – was damals ungewöhnlich war – als ob sie sich aus einem Madonnenbild gelöst hätte.

Aber ihre Ausstrahlung war es, die beeindruckte. Diese Germanistikstudentin, die ständig von der Literatur aus ihren Vorlesungen plauderte, hörte bei den Proben des Studentenorchesters zu, lauschte den Streichquartett – Formationen desselben bis spät in die Nacht oder zum frühen Morgen, war mit Karl- Heinz Biederbick, – dem später renommierten Professor an der Kunsthochschule Berlin – liiert.
Und dennoch ? Reicht das, um über Jahrzehnte mit ihrer Galerie so sehr das Heidelberger
Kulturleben zu garnieren, wie sie es getan hat? Was war anders an dieser Galerie?

Zunächst einmal fühlten sich viele, die darin ausstellten, an die Galerie gebunden und gründeten einen Verein mit dem Namen „Verein zur Förderung der zeitgenössischen Kunst eV“. Eigentlich ein Fan- Club, eine Stütze der Galerie, auch wenn andererseits es den Verein ohne sie gar nicht gäbe. Es entwickelten sich dann zu Jahresanfang Ausstellungen mit Werken von über einem Dutzend Künstlern, eröffnet mit einer Vernissage, die ein großes Fest mit zahlreichen künstlerischen Darbietungen wurde. In den letzten Jahren entstand aus den Ausstellungen ein Kalender, sodass die Künstler eine Vervielfachung ihres Werks erleben durften.
Magdalenas Wurzeln im Baltikum und Rußland brachten sie dazu, diese Themen immer wieder aufzugreifen. Schon das gab der Galerie eine Richtung, verhinderte eine Beliebigkeit .

Unter denen, die ausstellten gab es ein paar prominente Namen – Günter Grass. Elke Wassmann zum Beispiel – aber das ist nicht das wichtigste. Sie förderte auch Maler und andere Künstler, ja sie kümmerte sich zuweilen sogar um deren Existenz. Bestimmte Themen waren neben Osteuropa für sie wichtig: Heidelberg. Zwei Künstler – Waldemar Heger und Dieter Quast – mit wunderbaren Zeichnungen von Heidelberg , eine Ausstellung über Heidelberger Köpfe und die mehrjährige Beteiligung am Heidelberger Stückemarkt sind Beispiele dafür. Die Stadt wußte dann auch, was sie an diesem Kulturzentrum in der Theaterstraße hat. Das Programm in dieser Galerie war von einer Vielseitigkeit, die sich hier nicht aufzählen läßt. Von einer konzertanten Aufführung einer Rimski- Korsakow- Oper bis zu Volksmusik aus (wirklich !) allen Teilen der Welt.

Magdalena kam dann auf die Idee, einen „Salon Henriette Feuerbach“ zu installieren, also ein Literatur- Cafe im Andenken an Henriette Feuerbach. Unter anderem regte sie interreligiöse Gespräche an, nicht nur, weil sie im Grunde ihres Herzens religiös war, sondern, weil sie durch das Erscheinen des Islam in Deutschland solche Gespräche für notwendig hielt, was nun wiederum ihren Sinn für Realität zeigte. Für jede Anregung war sie offen, aber gleichzeitig mit einem guten Gefühl für die Machbarkeit und die Qualität.

Durch die Galerie allein ist sie aber noch nicht charakterisiert. Nur, wenn man Gelegenheit hatte, auch abseits der Events mit ihr zu sprechen, konnte man sie wirklich kennenlernen. Dann hörte man ihre Begeisterung für so vieles, was gerade nicht in der Galerie zu realisieren war. Und immer wieder ihre sehr starke Anteilnahme an ihren Freunden und den Künstlern, als ob sie selbst die betroffene Person wäre. Wer zuhören konnte, erfuhr auch am Rande ihre Probleme, über die sie nicht groß sprach. Nicht nur, wenn ein Künstler, weil sein Bilder nun nicht mal besser zu hängen waren, diese erbost abhängte und ihr die Freundschaft aufkündigte, oder wenn ein ausländischer Aussteller eine verabredete Ausstellung absagte, weil er plötzlich mit gigantischen und nicht bezahlbaren finanziellen Forderungen aufwartete.

Schlimmer waren die Rückzüge einiger Freunde, die sie verkraften mußte. Sicher – sie war manchmal schroff und undiplomatisch. Aber ist das anders möglich, wenn man so oft mit unmöglichen Vorhaben bedrängt wird, und die Ablehnung einem übel genommen wird? Bei allem: sie war von einer unglaublichen Bescheidenheit und einer Genügsamkeit, was ihre Person betraf. Ihr fehlte jede Art von Überheblichkeit und Besserwisserei.

Über 40 Jahre Galerie. Bis zuletzt – schon ein Schatten ihrer selbst – hat sie die letzte Ausstellung organisiert.

Denkt man sich einen Stadtplan von Heidelberg im Dunkeln mit einem Zeitraffer über 40 Jahre und ist jede Galerie ein Lämpchen, so gehen die Lämpchen an und aus, bis auf eines: in der Theaterstrasse. Das bleibt hell.
Und wenn man wiederum im Zeitraffer über die Stadt geht, und bei jedem Event leuchtet ein Lämpchen auf, so blinkt es ständig auch dort.

Nach der Urnenbeisetzung war ich zu keinem“ Small Talk „ fähig und ging in die Heiliggeistkirche. Ich traf eine ungewöhnliche Führung. Die Führerin sagte bei einem Grabstein: „ heute, wo wir undenklich viel produzieren und kopieren, bald mit dem d3- Drucker noch mehr schaffen. Hier diese Heiliggeistkirche und dieser Grabstein, das gibt es nur ein einziges Mal auf der Welt. Und damit wird auch dieser Moment für Sie zu etwas einzigartigem, zu ` just a single moment in your life`, wie ich es meinen amerikanischen Gästen sage“.
Diese Worte trafen auf meine Gedanken, denen ich gerade nachhing.
Die Galerie von Magdalena war etwas ganz besonderes und einmaliges – wo findet man Vergleichbares?- ; sie war ihr Werk und Markenzeichen. Wer Magdalena nicht kannte, mißt sie daran. Aber nur ihr engster Freundeskreis kannte die Person dahinter, und so wird sie für uns alle, ihre Freunde unvergessen bleiben.

Dez. 2017 | Heidelberg, Zeitgeschehen | 1 Kommentar