
Pink Floyd ist eine der ersten Kultbands der späten 60er-Jahre, die vor allem durch ihren ins Psychedelische tendierenden Sound als Avantgarde des Pop angesehen wurde. Dabei verarbeiteten sie Rock, Jazz, Blues und Neue Musik.
Die Schau „David Bowie Is“ zelebrierte 2013 eine Ikone, einen Sänger und Selbstdarsteller, ein Stile absorbierendes Chamäleon, und der Andrang von gleichaltrigen und nachgeborenen Fans gab den Ausstellungsmachern Recht. 2016 feierte eine Schau über die zweite Hälfte der 60er-Jahre Triumphe, ein „Bombardement der Sinne“ (Guardian) mit psychedelischer Musik und grellen Farben, ein audiovisueller Anbetungswirbel.
„Nostalgie ohne Erinnerung“, hat der Beatles-Biograf Philip Norman das Phänomen der nachgeborenen Anbeter genannt. Von einer kritischen, distanzierten Auseinandersetzung mit einer Zeit und deren Heroen kann keine Rede sein, auch nicht in der aktuellen V&A-Galaschau, die der über Jahrzehnte immer wieder tief zerstrittenen Rockband Pink Floyd gewidmet ist und deren Musik, Plattencover und bombastisches Bühnenbild in den letzten drei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts immer neue ästhetische Meilensteine markierten.
Dass deren Anführer, Sänger und Haupt-Komponisten Roger Waters (Bass) und David Gilmour (Gitarre) überaus innovativ waren, ist kaum zu bezweifeln. Sie waren so einflussreich, dass ihnen eine kritiklose, kommerziell glatte Show nicht gerecht werden kann. Der Ausstellungstitel „Ihre sterblichen Überreste“ (Their mortal remains) verweist ironisch ins Transzendente. Wie leicht hätte sich daran anknüpfen lassen?
Beginn mit Bußübung
Stattdessen wird den zahlenden Besuchern der V&A-Ausstellung nicht weniger als die Beteiligung an einer kultischen Handlung abverlangt. Sie beginnt, wie jeder ordentliche Gottesdienst, mit einer Bußübung: Wer nicht in aller Herrgottsfrühe erscheint, beginnt die Annäherung ans Allerheiligste trotz längst gelöster Eintrittskarte mit mehr oder minder langem Anstehen. Erst dann dürfen sich die Gläubigen die Kopfhörer überstreifen und die feierlich abgedunkelte Weihestätte betreten.
Dort beginnt die Zeitreise in die psychedelische Welt von Drogen und experimenteller Musik Mitte der 1960er-Jahre, als vier junge Engländer in London ihre Band Pink Floyd nannten. Es herrscht feierliche Stille, die Ausstellungsbesucher sind ja von ihren je eigenen Klangwolken („alles automatisch“) umhüllt. Schon das Klicken einer Kamera wirkt wie eine empfindliche Störung.
Berühmte Prisma-Pyramide
In Hochglanz, mit feinsten Materialien in dezent beleuchteten Vitrinen werden die „Ingenieure des Experimentierens“ gefeiert, chronologisch wird eines nach dem anderen der Alben aus den 1970er-Jahren behandelt. Die Prisma-Pyramide, Markenzeichen des bahnbrechenden Albums „Dark Side of the Moon“ (1973), hat einen eigenen Raum erhalten, wohl als Anerkennung dafür, dass die Platte bis heute durchschnittlich 7000 Mal pro Woche verkauft wird.
[3]Die legendären Illustrationen für „Wish you were here“ (1975), darunter der Handschlag zweier Geschäftsleute, müssen sich einen Raum teilen. Ein gewaltiges Neon-Schwein spielt auf „Animals“ (1977) und den Flug eines Artgenossen über das ehemalige Kraftwerk von Battersea an. Schließlich kommt eine 13 Meter lange „Wall“ (1979), komplett mit einem Doppeldecker der Luftwaffe und den Phantasiefiguren des Rockstars und halluzinierenden Möchtegern-Faschisten Pink. Bänkchen zum Niederknien vor den Ikonen wären der Stimmung angemessen. Mögen Waters, Gilmour & Co sich auch stets „normalen“ Pop-Musikern wie den Beatles oder Rolling Stones überlegen gefühlt und ein Gefühl der Exklusivität gepflegt haben − in den V & A-Räumen herrschen Zustände wie beim Schlussverkauf im nahen Kaufhaus Harrods.
Kopfhörer ab zum Gebet
Die bitteren, über Jahrzehnte andauernden Zerwürfnisse über Urheberrechte und Bandhierarchie werden als „gut dokumentierte Spannung zwischen Mitgliedern der Gruppe“ abgetan, die zudem deren Kreativität befeuert habe. Zum Schluss erhalten die Gläubigen den Segen: Pink-Floyd-Fans seien „ebenso hartgesotten wie passioniert“, lobt der Ausstellungstext. Und haben über die Jahrzehnte eine „echt progressive Band, die nie aufhörte zu experimentieren“ unterstützt.
Roger WatersThe Wall, Live In Berlin 1990 [4]
Solcherart gestreichelt heißt es nun Kopfhörer ab zum Gebet: Im letzten Ausstellungsraum werden Bilder vom letzten gemeinsamen Liveauftritt 2005 gezeigt, Glockenläuten inbegriffen. Fehlt nur noch der Besuch im Devotionalienladen. Dort gibt es sechs Tourprogramme der Band im schwarzen Kartonkasten (69 Euro/75 Franken). Für den Hausaltar.