Finaler Kampf gegen IS-Miliz in Nahost? – Macron verärgert Visegrád-Staaten – Können Zyperngespräche doch noch Erfolg haben? – Die Royal Family: gefangen im goldenen Käfig?
unter_beschussMedienwirksam haben IS-Terroristen die Al-Nuri-Moschee in der Altstadt Mossuls zerstört. Regierungstruppen hatten vor rund einer Woche die Offensive auf das letzte noch unter IS-Herrschaft stehende Gebiet im Irak begonnen. Auch die syrische IS-Hochburg Rakka steht unter Beschuss von russisch unterstützten Assad-Truppen und der von Kurden geführten, US-unterstützten Allianz. Die Presse diskutiert, ob das Ende der IS-Miliz bevorsteht.

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)
Das Kalifat ist am Ende, der IS nicht

Die IS-Miliz wird als Terrororganisation überleben, erwartet die Neue Zürcher Zeitung:
„Es zeugt von grosser Ignoranz, wenn Politiker und Militärs heute wieder versprechen, den IS ein für alle Mal vernichten zu wollen. Denn natürlich war es von Anfang an möglich, den Islamischen Staat wie jede territoriale Organisation militärisch zu schlagen; genau diese Entwicklung sagten dem IS die meisten Beobachter auch voraus. Von viel längerer Überlebensdauer aber dürfte dessen Wesen als Terrororganisation sein. Die Ideologie der Extremisten ist nicht aus der Welt, ebenso wenig die Gründe ihrer Anziehungskraft. Mit Selbstmordanschlägen und anderen blutigen Aktionen werden wir noch auf unbestimmte Zeit rechnen müssen.“

Daniel Steinvorth

HELSINGIN SANOMAT (FI)
Terror muss auch in Asien besiegt werden

Das philippinische Militär kämpft seit mehreren Wochen gegen IS-Terroristen, die sich in der Stadt Marawi verschanzt haben. Dieses Schlachtfeld darf Europa nicht aus dem Blick verlieren, mahnt Helsingin Sanomat:
„Die Existenz des IS [auf den Philippinen] ist an sich keine Überraschung. Neue Gefahren sind die zentralere Führung und eine Ausbreitung in die Nachbarländer. … Bedeutendstes und wahrscheinlich attraktivstes Ziel der Terroristen ist Indonesien, wo sich die größte und traditionell sehr moderate muslimische Gemeinschaft befindet. Südostasien lockt den IS schon allein wegen seiner Größe. Es reicht nicht, den IS im Nahen Osten und in Europa zu schlagen, sondern er muss auch südlich der Sahara und in weiten Teilen Asiens besiegt werden.“

DELO (SI)
Nun betreten die großen Player die Bühne
Der Stellvertreterkrieg in Syrien geht nun in eine neue Runde, erklärt Delo:
„Der Kampf gegen das Kalifat, der in Syrien und im Irak bisher unter dem Deckmantel des ‚gemeinsamen Kampfs gegen die Gräueltaten der Dschihadisten‘ lief, geht mit dem Fall der Städte Mossul und Rakka zu Ende. … Nun beginnt unter neuem Deckmantel der Kampf um ‚die Zukunft Syriens‘, ein viel offenerer Krieg um Einflusszonen. … Schon morgen werden aufgrund von Donald Trumps unüberlegtem Schimpfen auf Teheran und der Bewaffnung Riads die beiden regionalen Rivalen Iran und Saudi-Arabien, die jeweils eine der Großmächte als Verbündeten haben, ihre Samthandschuhe ablegen. Die Auftritte der lokalen Bands sind im Syrienkrieg offensichtlich vorbei, nun kommen die Big Bands auf die Bühne.“

Damjan Slabe

NRC HANDELSBLAD (NL)
Nach Hass kommt Humanismus

Die Sprengung der Moschee ist für NRC Handelsblad ein Wendepunkt:
„Die Anschläge vom 11. September 2001 waren eine Abrechnung mit dem allzu schönen Traum von der globalen Einheit, mit der Erzählung eines neoliberalen Himmels auf Erden. … Jetzt aber zeichnet sich [für die Dschihadisten] ein Wendepunkt ab: Durch die Einsicht, dass all die Rhetorik von einem einzigartigen Schicksal und Traum vom reinen Leben gemäß dem Willen Gottes die Menschheit nicht viel weiter bringt. … Die Realität ist zu widerspenstig. Der Humanismus des 20. Jahrhunderts mit den großen Männern wie Gandhi, King und Mandela lag jahrelang auf der Müllhalde der Geschichte. … Doch jetzt, nachdem der ‚Realismus‘ der Zeit nach 2001 zu so viel hasserfüllter Identitätsrhetorik und Untergangsfantasien geführt hat, kann eine Renaissance der humanistischen Gedankenwelt nicht ausbleiben.“

Bas Heijne
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MACRONE VERÄRGERT VISEGRAD-STAATEN

Auf dem EU-Gipfel hat Frankreichs Präsident Macron so manche Teilnehmer mit der Aussage verärgert, Europa sei kein Supermarkt, sondern eine Schicksalsgemeinschaft. Damit zielte er auf die fehlende Bereitschaft ab, Europas Flüchtlingsverteilung mitzutragen. Ein Treffen Macrons mit Vertretern der Viségrad-Gruppe blieb denn auch ergebnislos. Eine heilsame Konfrontation oder der Beginn neuer Spaltungen?

NÉPSZAVA (HU)
Droht Ungarn und Polen Hausverbot?

Unter dem Duo Merkel/Macron könnte es für die illiberal gesinnten Staaten der EU brenzlig werden, vermutet Politologe László Lengyel in Népszava:
„Die Große Koalition Europas, gebildet vom sozialliberalen Macron und der liberal-konservativen Merkel, ist offenbar entschlossen, Ungarn und Polen aus der EU auszuschließen. … Vorbei ist die verantwortungslose EU-Politik, wonach illiberalen Ländern gewährt wird, den Rechtsstaat abzubauen und die Grundwerte der EU zu verraten. … Die EU braucht keine Staaten, die gemeinsame Werte und Interessen infrage stellen und sich zu Autokratien entwickeln. Ungarn trägt rein gar nichts mehr zu Europa bei! … In einem ersten Schritt dürfte Ungarns Regierungspartei aus der [Europäischen Volkspartei] EVP ausgeschlossen werden. … In einem zweiten Schritt könnte man den EU-Geldhahn abdrehen und schließlich könnte Ungarn sein Stimmrecht verlieren.“

László Lengye
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)
Nichts wäre schlimmer als verlogene Harmonie

Macron hat zu Recht die Eintracht auf dem Treffen gestört, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Polens Regierung behauptet, es gebe gar keinen Wertekonflikt. Die Werte würden eben nur unterschiedlich interpretiert. Das erinnert nicht nur zufällig an den Versuch im Hause Trump, Lügen neu zu verpacken und als ‚alternative Fakten‘ unters Volk zu bringen. Die Antwort der Europäer muss daher klar sein: Nein, die Werte der EU sind keine amorphe Masse. Sie werden benötigt als tragendes Fundament. Die Union ist kein Staat und sie hat auch kein Staatsvolk. Sie verspricht gegenseitigen wirtschaftlichen Nutzen, aber dieses Versprechen reicht nicht aus, um dieses komplexe Gebilde zusammenzuhalten. Dazu bedarf es der Gemeinsamkeit der Demokratien und Rechtsstaaten. Die Europäische Union wird nicht an Streit zugrunde gehen. Tödlich wäre verlogene Harmonie.“

Daniel Brössler
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PRAVDA (SK)
Mehrheit denkt wie die Visegrád-Gruppe
Pravda dagegen findet, dass die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Visegrádstaaten an der Realität vorbeigeht:
„Wie eine aktuelle Umfrage des britischen Forschungsinstituts Chatham House zeigt, unterscheiden sich die Ansichten der europäischen Eliten von denen der Öffentlichkeit. Während 56 Prozent der Bürger aus zehn EU-Ländern die Einwanderung überwiegend muslimischer Flüchtlinge stoppen wollen, wollen das nur 32 Prozent der Eliten. Die Frage ist: Wie lange kann man sich gegen die Meinung der Wähler stellen und die Gesellschaft spalten? Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass man über sie hinweg regiert, treibt man sie in die Arme der Extremisten. Die zurückhaltende Einstellung zu muslimischen Migranten hat Gründe.“

Marián Repa

Italien rettet wieder Pleite-Banken

Die Regierung in Rom stellt 17 Milliarden Euro für die Rettung zweier maroder Regionalbanken zur Verfügung. Damit soll deren Betrieb aufrechterhalten und die Einlagen von Kleinsparern gesichert werden. Die EU-Kommission gab grünes Licht, da die Gläubiger an den Kosten beteiligt werden. Warum die Banken nur mit Steuergeldern in Milliardenhöhe gerettet werden können, erklären Kommentatoren.

LA REPUBBLICA (IT)
Rettung kommt zu spät
Dass Rom nun keine andere Wahl hatte, als die Banken zu retten, haben sich die Regierenden selbst zuzuschreiben, findet La Repubblica:
„Sowohl die jetzige als auch die vorherige Regierung wollten sich das Ausmaß der Bankenkrise nicht eingestehen. Zu Beginn der Krise 2016 wurden über den Bankenrettungsfonds Atlante vier Milliarden Euro von Banken, Bankstiftungen und Versicherungen eingesammelt. Mit dem Geld hätten die faulen Kredite aufgekauft werden sollen, stattdessen wurde es als frisches Kapital in die beiden Banken gepumpt, erfolglos. Es hätte weit mehr bedurft, auch staatlicher Hilfen, allerdings hätte man dafür Brüssel offen herausfordern müssen. … Und das Verfassungsreferendum stand an und staatliche Hilfen für Banken wären keine gute Werbung für die Regierung gewesen. … Jetzt bleibt Rom nur mehr, die Scherben aufzusammeln und zu kitten.“

Francesco Manacorda
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DE TIJD (BE)
Bankenunion braucht bessere Regeln
Die Staatshilfe Roms verstößt gegen die Regeln der Bankenunion, klagt De Tijd:
„Die italienische Regierung versucht damit, eine finanzielle und politische Krise zu verhindern. Aber sie muss ziemlich viel Staatsgeld einsetzen. Jetzt, wo die Regeln der Europäischen Bankenunion in der Praxis erprobt werden müssen, ist das offensichtlich nicht so einfach. Das Drehbuch, das Europa für die Abwicklung von Problembanken entwickelt hat, ist nicht überall brauchbar. … Denn der italienische Staat muss doch erneut tief in die Tasche greifen. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzmärkte darauf reagieren und wie die Auswirkungen auf den italienischen Staatszins aussehen werden. Aber was nun geschieht, macht deutlich, dass die Absprachen über die europäische Bankenunion und die Abwicklung der Problembanken deutlich korrigiert werden müssen.“

Stefaan Michielsen
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Die Royal Family: gefangen im goldenen Käfig?

Großbritanniens Prinz Harry hat in einem Interview offen beschrieben, wie er mit seiner Rolle als Mitglied der Königsfamilie hadert. Demnach habe er vor einigen Jahren aus der Familie ausbrechen und ein gewöhnliches Leben führen wollen. Auch für seinen Bruder William sei das Amt des Königs kein Traumjob. Britische Medien zeigen wenig Verständnis für die Probleme des 32-Jährigen.

THE GUARDIAN (GB)
Von echter Gefangenschaft hat Harry keine Ahnung

Im Gegensatz zu Millionen von Menschen in hoffnungslosen Lebenssituationen haben die Prinzen Harry und William wenigstens eine Fluchtmöglichkeit, zeigt The Guardian wenig Mitleid:
„Die Kernaussage im Interview mit Prinz Harry, der zufolge er und sein Bruder Prinz William in ihren Rollen gefangen seien, hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Man muss nicht weit in der Geschichte zurückgehen, um zu einem König [Eduard VIII.] zu kommen, der zu dem Schluss kam, dass die Krone die ganze Aufregung nicht wert war und sich verdrückte. … Es gibt Menschen, die in Armut, Krankheit, Missbrauch oder einer anderen schlimmen Situation gefangen sind. … Wahrscheinlich würde keiner von uns gerne mit den Prinzen tauschen. Doch die beiden werden im Gegensatz zu anderen niemals echte Gefangene sein.“

Barbara Ellen
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DAILY MAIL (GB)
Als Normalbürger hätten die Brüder es schwer

Ohne ihren Status als Mitglieder der Königsfamilie hätten es Harry und William wohl kaum zu etwas gebracht, ätzt Daily Mail:
„Die Prinzen denken, wenn sie ihren royalen Pflichten entkommen könnten, wären sie in der Lage, ihr Leben so wie bisher weiterzuleben – auf denselben Polo-Spielfeldern, nur ohne Rundum-Beobachtung durch die Medien. Es wäre gut, wenn ihnen ihr Umfeld ein klein wenig Demut einimpfen könnte. Dann würden sie erkennen, dass sie als mäßig intelligente Menschen ohne den Reichtum, den die königliche Familie im Laufe der Jahrhunderte auf Kosten ihrer Untertanen anhäufen konnte, nur mit Glück einen Arbeitsplatz und ein Eigenheim haben könnten, ganz zu schweigen von Urlauben in der Karibik. Keiner der beiden Brüder erweckt den Anschein, dass er den Dyson-Staubsauger erfinden oder für den FC Chelsea Fußball spielen könnte.“

Max Hastings
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Juni 2017 | Allgemein, €uropa | Kommentieren