Im Bereich der Editorial Media findet jeder den Journalismus, der seiner politischen Präferenz entspricht. Ungeachtet ihrer Vorlieben nutzen aber fast alle Menschen mehrere Quellen und verschiedene Mediengattungen.
Fragmentierung und Polarisierung sind nicht so weit fortgeschritten wie etwa in den USA, wo – überspitzt formuliert – Demokraten nur noch CNN und Republikaner nur noch Fox News einschalten.
In Deutschland kommen allein schon die Nachrichtenmagazine innerhalb eines Quartals bei Anhängern aller Parteien auf beträchtliche Reichweiten. Denkt man sich die Zeitungen hinzu, die Nachrichtensites im Internet sowie die Informationsprogramme von Radio und TV, so kommt man zu einem erfreulichen Ergebnis: Dank Editorial Media kann der Meinungsstreit auf einer soliden, mehrheitlich geteilten Faktenbasis ausgetragen werden, auch in der aufgeheizten Atmosphäre eines Wahlkampfs. Dass Sympathisanten von Linkspartei und AfD die Nachrichtenmagazine leicht unterdurchschnittlich nutzen, passt dabei durchaus ins Bild: Wer Parteien am Rande des politischen Spektrums zuneigt, begegnet klassischen Medien skeptischer als der Durchschnitt, wie Forscher der Uni Würzburg feststellen.
Überraschend: „Kräfteverhältnis“ der Parteien in sozialen Medien
In den sozialen Medien ist eine zweite mediale Öffentlichkeit entstanden. Auffällig dabei: Das Kräfteverhältnis der Parteien stellt sich völlig anders dar als bei der letzten Bundestagswahl oder in aktuellen „Sonntagsfragen“ der Demoskopen. Grafik 2 zeigt, wie viele Menschen den Parteien in den einzelnen Netzwerken folgen. Man sieht, dass die Grünen mit mehr als einer halben Million Personen im Gesamtranking an der Spitze liegen. Mit einigem Abstand folgen SPD und Linkspartei. Das gerade dieses Trio vorn liegt, hat einen einfachen Grund: Nach wie vor sind Jüngere im Netz aktiver als Ältere, und Jüngere tendieren stärker zu eher linken (oder solchen – Grüne – die sie dafür halten) Parteien.
Man muss aber auch auf einzelne Social Media schauen. Grüne und SPD verdanken ihre Spitzenpositionen im Gesamtranking hauptsächlich Twitter. Der Microbloggingdienst ist als Informationsdrehscheibe bei Journalisten, Wissenschaftlern, Politikern und anderen Meinungsbildnern beliebt. In der Gesamtbevölkerung wird jedoch Facebook am meisten genutzt. In Mark Zuckerbergs Netzwerk zählt die AfD über 300.000 Gefolgsleute – weit mehr als alle anderen Parteien. Als nächste folgen Linkspartei und NPD – Gruppierungen, die Randpositionen vertreten und sich spinnefeind sind. Kein Wunder, dass in vielen Debatten ein rüder Umgangston herrscht, dass Fanatismus und Desinformation unschön ins Kraut schießen, dass selbst die privatrechtlich justiziable Beleidigung und die strafrechtlich relevante Volksverhetzung nicht eben selten vorkommen.
Vorsicht, Fake News
Das Recht, darüber besteht ein breiter Konsens, muss in den sozialen Medien zukünftig besser durchgesetzt werden können. Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz (es heißt tatsächlich so), das Facebook de facto in die Rolle eines Zensors drängt, stößt jedoch auf Ablehnung – bei Journalistenvereinigungen wie Reporter ohne Grenzen und Deutscher Journalistenverband ebenso wie bei den Verlegerverbänden und den Organisationen der IT-Wirtschaft.
Der Entwurf birgt, wie VDZ-Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer anmerkt, eine „große Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit“.
Letzten Endes muss man sich hüten, den Einfluss von Facebook & Co auf Wahlen zu überschätzen. Die von Big-Data-Apokalyptikern immer wieder kolportierte Behauptung, dass viele Menschen sich nur noch über soziale Medien informieren würden, entbehrt jeder seriösen empirischen Grundlage. Auch hier gilt: Vorsicht, Fake News!