
Was Wunder, dass die Ausweise für Lobbyisten besondere Bedeutung haben – Nähe zur Macht ist deren Kapital.
Hunderte Lobbyisten haben ohne Angabe von Gründen einen Hausausweis für den Bundestag erhalten. Dabei müssten sie nach den offiziellen Regeln zwingend Gründe angegeben, warum sie häufig in die Parlamentsgebäude müssen. Für die Enthüllung hatte abgeordnetenwatch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) die offiziellen Dokumente angefordert. Zunächst verzögerte der Bundestag die Auskunft monatelang um anschließend den erlaubten Höchstsatz von 500 Euro für die Auskünfte zu verlangen.
Schärfere Regeln sollten die Vergabe von Hausausweisen für den Bundestag an Lobbyisten eigentlich begrenzen. Doch eine erste Bilanz zeigt jetzt: Es gibt immer noch 910 Ausweise. 536 von ihnen wurden sogar ohne ausreichende Begründung der Antragsteller vergeben.
[2]An den Vergaberichtlinien für die Karten lässt sich aber auch gut erkennen, wie es der Bundestag mit dem Gebot der Transparenz hält. Als Ende 2015 durch Klagen des Internetportals abgeordnetenwatch.de (deren Material wir hier verwenden) bekannt wurde, dass 1103 Hausausweise über einen eher dunklen Weg ausgestellt worden waren, war die Aufregung deshalb groß.Eigentlich können nur Verbände, die sich auf der öffentlichen Lobbyisten-Liste des Parlaments registrieren lassen, Ausweise beantragen. Es liegt dann im Ermessen der Bundestagsverwaltung, ob sie die Anträge akzeptiert. 2015 wurde dann aber einer breiteren Öffentlichkeit erstmals bekannt, dass es noch einen zweiten Weg zu den Karten gab: Lobbyisten konnten sich damals auch über die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen Zugang verschaffen, ohne jede öffentliche Kontrolle. Erst durch den Druck von abgeordnetenwatch.de wurde bekannt, dass und für wen auf diesem Weg 1103 Hausausweise ausgestellt worden waren – neben den gut tausend Karten, die auf die eigentlich vorgesehene Weise vergeben worden waren.Angesichts des Unmuts über den dunklen Kanal sah sich der Ältestenrat des Bundestags am 18. Februar 2016 gezwungen, den Karten-Zugang über die parlamentarischen Geschäftsführer einzustellen. Seitdem gibt es nur noch den Weg direkt über die Bundestagsverwaltung. Und auch dieser wurde erschwert. Unter anderem werden seitdem nur noch maximal zwei statt zuvor fünf Ausweise je Verband vergeben. Doch wer dachte, dass damit das Problem gelöst sein würde, wird jetzt eines Besseren belehrt.
Im Dezember 2016 bat abgeordnetenwatch.de die Bundestagsverwaltung um eine erste Bilanz. Erst nach mehreren Beschwerden und sechs Monaten Wartezeit hat die Verwaltung jetzt geantwortet – das Ergebnis ist mehr als überraschend.
„Vom 18. Februar bis zum 1. Dezember 2016 wurden durch die Bundestagsverwaltung insgesamt 910 Bundestagsausweise“ für Interessenverbände ausgestellt, heißt es in der Antwort. 536 von ihnen wurden jedoch vergeben, ohne dass die Antragsteller begründet haben, warum sie die Karten brauchen. Dabei sieht die Hausordnung des Bundestages vor, dass Verbandsvertreter nur „aus berechtigtem Anlass“ einen Ausweis bekommen dürfen. Im Antragsformular müssen sie deshalb angeben, „warum und wie oft“ sie die Bundestagsgebäude betreten müssen.
Die Verwaltung verweist darauf, die begründungslosen Anträge seien zwar nach dem 18. Februar 2016 bearbeitet, aber bereits vor der Verschärfung der Regeln gestellt worden. Seit der Umstellung würden nur noch „Anträge mit vollständig gemachten Angaben akzeptiert“. Der Zwang, den Antrag für einen Hausausweis zu begründen, galt allerdings schon seit vielen Jahren, er wurde nicht erst mit der Verschärfung der Regeln im Februar 2016 eingeführt.
Die parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen und der Linken, Britta Haßelmann und Petra Sitte, wollen den Fall deshalb jetzt prüfen lassen. Für Martin Reyher von abgeordnetenwatch.de ist aber schon jetzt klar: „Anstatt die Anträge gewissenhaft zu prüfen, hat sich die Bundestagsverwaltung zum Türöffner für Lobbyisten gemacht.“