Stadtgärtnerei ist biozertifiziertAls bundesweit erste Gärtnerei in kommunaler Hand hat die Heidelberger Stadtgärtnerei das Bio-Zertifikat der Europäischen Union (EU) erhalten. Konkret heißt das: Alle Beet-, Balkon- und Zierpflanzen, die das Stadtgebiet beinahe ganzjährig mit bunten Farbtupfern schmücken, stammen aus der biologischen Produktion der Stadtgärtnerei (Bild: Philipp Rothe). Nur sehr wenige Kommunen in Deutschland haben sich bislang an die biologische Zierpflanzenproduktion gewagt. Die städtischen  Gärtner des Regiebetriebs Gartenbau im städtischen Landschafts- und Forstamt experimentieren seit 2013 mit Zierpflanzen, die die Kriterien einer Zertifizierung nach der EU-Bioverordnung erfüllen können. Jetzt ist der gesamte Betrieb auf die biologische Produktion umgestellt.

Dazu Bürgermeister Wolfgang Erichson: „Es macht mich stolz, dass wir beweisen konnten, dass die Umstellung der Zierpflanzenproduktion auf den Bio-Standard möglich ist. Ich hoffe, dass viele andere Kommunen und Betriebe unserem Beispiel nun folgen. Es gewinnen dabei alle – Klima, Pflanzen und Tiere. Und der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel verbessert zudem die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiter.“

Die Urkunde für das Pionierprojekt wird Staatssekretär Dr. Andre Baumann aus dem baden-württembergischen Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft am Donnerstag, 1. Juni 2017, vor Ort an Bürgermeister Wolfgang Erichson überreichen.

Die Stadtgärtnerei ist die „Kinderstube“ für zahlreiche Gewächse, die später an vielen Stellen das Heidelberger Stadtgebiet aufwerten. Für die Umstellung auf Bioproduktion hat die Stadt in den Umbau der Gewächshäuser investiert. Weitere Themen waren Düngung und Pflanzenschutz, der nachhaltige Umgang mit Ressourcen und die weitere Verwendung der Zierpflanzen im Stadtgebiet.

Kernelemente der Umstellung auf die Bio-Produktion von Zierpflanzen

Die Stadt Heidelberg hat allein in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 100.000 Euro in die Stadtgärtnerei, hauptsächlich in die Gewächshäuser, investiert. Neben technischen Verbesserungen haben die Fachleute zudem die Auswahl der Pflanzen und das Standortkonzept angepasst – die Kernelemente im Detail:

Wassermanagement

Der Regen von den Dächern der Gewächshäuser wird in einem Regenwasserteich gesammelt und zur Bewässerung verwendet. Für den restlichen Wasserbedarf in bewässerungsintensiven Phasen der Pflanzenanzucht kann seit 2012 Grundwasser genutzt werden. Seitdem muss kein Trinkwasser mehr verwendet werden. Ergebnis: optimale Wasserqualität bei gleichzeitiger Kostenreduktion.
Wärmeversorgung der Gewächshäuser: Schon im Jahr 2010 wurde die Wärmeversorgung der Gewächshäuser von Öl auf Fernwärme umgestellt.

Energetische Sanierung der Gewächshäuser

Dauerthema für einen Gärtnereibetrieb ist neben der Wärmeversorgung der Wärmeverlust. Die Stadt hat in ein optimiertes Klimasteuerungssystem investiert. Unter den Glasdächern angebrachte, sogenannte Energieschirme mindern die Wärmeabstrahlung der Dachflächen bedeutend. Die Wände werden im Winter teils mit Folie zusätzlich wärmeisoliert. Der poröse, undichte Kitt der Dachscheiben wurde gegen Gummidichtungen ausgetauscht. Die Gewächshäuser sind zudem mit neuen Heizungsrohren und Lüftern ausgestattet.

Substrate und Dünger im Gewächshaus

In Heidelberg werden ein Bio-Pflanzsubstrat und ausschließlich Biodünger verwendet. Der Erde der Großkübel wird Schafwolle aus Spechbach zugesetzt, die die Erde lockert und zudem ein guter Langzeitdünger ist.
Kultivierung nachhaltiger Pflanzen: Verwendung von möglichst vielen einheimischen Pflanzenarten oder Pflanzenarten, die sich schon seit langer Zeit im Kulturpflanzenbau in Deutschland bewährt haben, um so Nahrungsgrundlage für Bienen und andere Insekten zu liefern.

Eingeschränktes Pflanzensortiment

Beschränkung auf ein Sortiment von 15 Pflanzenarten für die Wechselflorflächen, so dass die ausgewählten Anlagen wirtschaftlich günstig und doch ausreichend mit Pflanzen versorgt werden können.

Verzicht auf bestimmte Pflanzen

Verzicht auf Sorten mit hohem Wärmebedarf. So werden beispielsweise seit Jahren keine Weihnachtssterne mehr produziert.

Mehr Blumenwiesen

Seit 2011 Umbau ehemaliger Pflanzbeete, Staudenflächen, teils auch Rasenflächen und versiegelter Bereiche zu nachhaltigen Blumenwiesen. Aussaat von Blumenwiesen-Saatmischungen entlang von Straßen und Verkehrswegen. Durch eigene Aussamung sollen sich die Wiesen über mehrere Jahre selbst erhalten und dadurch aufwändige jährliche Neuanlagen möglichst verhindert werden.

Einsatz von Nützlingen

Die Stadtgärtnerei setzt regelmäßig biologische Präparate zur Stärkung des Pflanzenwachstums und zur Vorbeugung gegen Verpilzung ein. Die Pflanztische werden mit Emulsionen desinfiziert, die in großen Mengen pflanzenunschädliche Bakterien und Pilze enthalten. Einsatz von Nützlingen wie Schlupfwespen, Marienkäfer oder Florfliegen gegen blattfressende Raupen und Blattläuse.

Die Stadtgärtnerei im Überblick

Der Regiebetrieb Gartenbau des Landschafts- und Forstamtes bewirtschaftet im Stadtgebiet rund 230 Hektar Grünanlagen, davon sind etwa 15.000 Quadratmeter Blumenbeete und Wechselflorflächen. Dazu kommt das „mobile Stadtgrün“, Blumenkübel und -pyramiden. In der Stadtgärtnerei werden für diese Zwecke Blütenpflanzen für eine Frühjahrs-, Sommer- und Winterbepflanzung herangezogen. Nicht winterharte Pflanzen wie Palmen überwintern in den Gewächshäusern. Die Gärtnerinnen und Gärtner kümmern sich außerdem um Pflanztöpfe und Blumengebinde für den städtischen Bedarf, beispielsweise als Dekoration für Empfänge oder Eingangsbereiche öffentlicher Gebäude. Der Anteil biologisch produzierter Pflanzen liegt mittlerweile bei nahezu 100 Prozent.

Fläche unter Glas: 3450 Quadratmeter
Freilandflächen: 1450 Quadratmeter
Produktionszahl Frühjahrs- und Sommerflor: 55.000 Pflanzen
Produktionszahl Herbst- und Winterflor: 60.000 Pflanzen

Mai 2017 | Heidelberg | Kommentieren