experimentHeidelberger Physiker reproduzieren mithilfe computergestützter Methoden ein Experiment mit ultrakalten Atomen
Ein Modellsystem, das ein besseres Verständnis der Vorgänge in einem quantenphysikalischen Experiment mit ultrakalten Atomen ermöglicht, haben zwei Wissenschaftler der Universität Heidelberg entwickelt. Mithilfe computergestützter Methoden konnten Prof. Dr. Sandro Wimberger und David Fischer vom Institut für Theoretische Physik dabei Gesetzmäßigkeiten entdecken, die auf universelle Eigenschaften dieses Systems hindeuten. Veröffentlicht wurden die Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift „Annalen der Physik“.

 

Kleine Teilchen folgen unter bestimmten Voraussetzungen völlig anderen physikalischen Gesetzen, als wir sie aus dem Alltag gewohnt sind. „Die Beobachtung solcher quantenphysikalischer Phänomene gestaltet sich jedoch mitunter schwierig und erfordert es, mit kleinen und isolierten Systeme zu arbeiten und sie zu erforschen. Eine perfekte Isolation von der Umgebung ist jedoch nie möglich, so dass der fragile Zustand des Quantensystems leicht durch äußere Einflüsse gestört werden kann“, erläutert Erstautor David Fischer, der an der Universität Heidelberg studiert. Für Experimente in diesem Bereich ist es daher von großem Interesse, solche Störungen unter Kontrolle zu halten. „Diese Kontrolle ermöglicht es nicht nur, die Kohärenz des Systems zu gewährleisten, sondern kann auch gezielt dazu benutzt werden, um spezielle Zustände herbeizuführen“, betont Prof. Wimberger.

Als geeignete Testobjekte haben sich in vielen Experimenten ultrakalte Atome erwiesen, die in sogenannte Potentialtöpfe gefüllt werden. Hier wird durch eine spezielle Laser-Anordnung eine Barriere erzeugt, durch die die Atome in einem kleinen Bereich eingesperrt sind. Werden nun mehrere Töpfe nahe genug zusammengebracht, haben die Atome die Möglichkeit, von einem Topf in einen benachbarten zu „tunneln“. Sie sind zwar immer noch innerhalb der Töpfe gefangen, können sich aber von Topf zu Topf bewegen, wie die Heidelberger Physiker erläutern. Die Temperatur der Atome, die nur knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts von -273,15 Grad Celsius liegt, begünstigt dieses quantenmechanische Verhalten.

Bei der Entwicklung ihres Modellsystems haben David Fischer und Sandro Wimberger ein an der Technischen Universität Kaiserslautern durchgeführtes Experiment reproduziert. Dort wurde das Verhalten von kalten Atomen in einer Kette von Potentialtöpfen untersucht. Die Forscher füllten die Kette dazu mit Atomen, leerten den mittleren Topf und beobachteten, wie dieser sich wieder mit Atomen aus den anderen Töpfen füllte. „Die Ergebnisse dieser Untersuchung legen nahe, dass bei diesem Vorgang Dekohärenz, also äußere Störeinflüsse, eine entscheidende Rolle spielt. Unklar ist jedoch, durch welche mikroskopischen Prozesse das Quantensystem mit der Umgebung wechselwirkt“, so David Fischer.

In ihrer computergestützten Simulation des Wiederauffüll-Vorgangs haben die beiden Heidelberger Wissenschaftler nun verschiedene Hypothesen untersucht und sind dabei der Frage nachgegangen, welche Prozesse tatsächlich auf das Verhalten des Modellsystems einwirken. Dabei haben sie unter anderem beobachtet, wie sich die für den Wiederauffüllvorgang benötigte Zeit bei Variation der Systemparameter verändert. Diese Zeitdauer folgt einem Potenzgesetz – abhängig von der Dekohärenz-Rate, die die Forscher vorgegeben haben. „In der Physik ist das oftmals ein Zeichen für ein universelles Verhalten des Systems, das für alle Skalen gilt und somit das Gesamtproblem vereinfacht“, so Prof. Wimberger.
Originalveröffentlichung:
D. Fischer und S. Wimberger: Models for a multimode bosonic tunneling junction, Ann. Phys. (2017) (published online 13 February 2017), doi: 10.1002/andp.201600327

Apr 2017 | Wissenschaft | Kommentieren