Universitätsbibliothek Heidelberg präsentiert vier Handschriften der mittelalterlichen Verhaltens- und Tugendlehre
Die erste umfassende Verhaltens- und Tugendlehre in deutscher Sprache – der „Welsche Gast“ von Thomasin von Zerklaere – steht im Mittelpunkt einer Kabinettausstellung, zu der die Universitätsbibliothek Heidelberg einlädt. Vier mittelalterliche Handschriften dieses Werks, die zwischen 1250 und 1460/70 entstanden sind, werden zu sehen sein. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf den über die Jahrhunderte hinweg erfolgten Veränderungen durch das Abmalen der Bilder. Die Eröffnung findet am 24. April 2017 statt.
Die Ausstellung „Die Tücken von knapp 300 Jahren ‚Copy & Paste‘“, die in Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich „Materiale Textkulturen“ der Universität Heidelberg erarbeitet wurde, wird bis zum 3. September gezeigt.
„Im Mittelalter ist jedes Buch ein Unikat. Auch bei Kopien wird jeder Buchstabe abgeschrieben und jedes Bild abgemalt. Obwohl die Kopisten dabei großen Wert auf die Bewahrung des übergreifenden Konzepts legten, veränderten sich die Bilder. Die Unterschiede sind zurückzuführen auf technische Fertigkeiten und künstlerische Freiheiten, aber auch auf Verständnisprobleme der Illustratoren oder die Anpassung an den Zeitgeschmack“, erläutert der Hamburger Kunsthistoriker Prof. Dr. Peter Schmidt, der Mitglied des Sonderforschungsbereichs „Materiale Textkulturen“ ist und gemeinsam mit Lisa Horstmann die Kabinettausstellung konzipiert hat.
Anhand der vier Handschriften des „Welschen Gastes“, die sich im Besitz der Universitätsbibliothek befinden, wird unter anderem danach gefragt, ab welchem Grad Bildinhalte missverständlich werden oder nicht mehr mit zugehörigen Textstellen in Verbindung gebracht werden können.
Das in mittelhochdeutscher Sprache verfasste Werk wurde 1215/16 von Thomasin von Zerklaere verfasst, einem Kleriker aus dem norditalienischen Friaul. Er widmete sein Werk dem deutschsprachigen Adel seiner Zeit. Sich selbst wie auch sein Werk bezeichnete er dabei als den „welihischen gast“, als „Fremden aus Italien“. Insgesamt 25 überlieferte Handschriften aus drei Jahrhunderten zeugen von der großen Verbreitung des illustrierten Gedichts, das aus rund 15.000 Versen besteht. Inhaltlich geht es zum Beispiel um das richtige Benehmen am Tisch, die Pflichten eines guten Herrschers oder auch die Auswirkungen des menschlichen Tuns und Lassens auf das Leben im Jenseits.
Zur Ausstellungseröffnung lädt die Universitätsbibliothek am Montag, 24. April 2017, ein. Zur Begrüßung sprechen der Direktor der Bibliothek, Dr. Veit Probst, und Prof. Dr. Ludger Lieb, der Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Materiale Textkulturen“ ist. Prof. Schmidt wird sich in einem Festvortrag mit dem Thema „Autorbild ohne Autor: Die Bilder der Werkübergabe im ‚Welschen Gast‘ des Thomasin von Zerklaere“ beschäftigen. Anschließend besteht die Möglichkeit, die Ausstellung zu besichtigen. Die Veranstaltung findet im Handschriftenlesesaal der Universitätsbibliothek, Plöck 107-109, statt. Beginn ist um 18.15 Uhr.
Die Kabinettausstellung „Der ‚Welsche Gast‘ des Thomasin von Zerklaere. Die Tücken von knapp 300 Jahren ‚Copy & Paste‘“ ist (außer an Feiertagen) in der Universitätsbibliothek, Plöck 107-109, täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Informationen im Internet: Ausstellung – www.ub.uni-heidelberg.de/ausstellungen/welschergast2017.html Sonderforschungsbereich 933 „Materiale Textkulturen“ – www.materiale-textkulturen.de