Daniel Baker: Gipsy strike through, enamel and silver leaf on perspex, 60cm x 20cm, 2015 (Ausschnitt)

Daniel Baker: Gipsy strike through, enamel and silver leaf on perspex, 60cm x 20cm, 2015 (Ausschnitt)

Der 8. April wird in vielen Ländern als Welt-Roma-Tag gefeiert. Er erinnert an den ersten Roma-Kongress in London im Jahr 1971, der als Meilenstein der internationalen Roma-Bewegung gilt. Sinti und Roma leben auf allen Kontinenten, die meisten von ihnen in Europa. Hier stellen sie mit rund 12 Millionen Angehörigen die größte ethnisch-kulturelle Minderheit dar.

Doch nicht Roma und Sinti bestimmen ihr Bild in der Öffentlichkeit, sondern in der Mehrheitsgesellschaft vorherrschende Klischees. Ausgrenzung und Missachtung manifestieren sich nicht zuletzt darin, dass ihre vielfältigen Kulturen in den europäischen und auch den deutschen Kulturinstitutionen weitgehend unberücksichtigt bleiben.

Vor diesem Hintergrund fördert die Kulturstiftung des Bundes den Aufbau eines digitalen Archivs für Kunst von Sinti und Roma. RomArchive soll ein international zugänglicher Ort werden, der die Kulturen und Geschichten von Sinti und der Roma sichtbar macht und den Reichtum einer vielseitigen künstlerischen Produktion spiegelt, die eng mit der europäischen verwoben ist.

 

 

RomArchive – Digitales Archiv der Sinti und Roma

In der etwa 600-jährigen Geschichte der Sinti und Roma in Europa waren diese spätestens seit Ende des 15. Jahrhunderts fast überall zahlreichen Formen von Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Das NS-Regime organisierte den Völkermord an ca. 500.000 Sinti und Roma, der 1982 – erst 37 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges – von der deutschen Bundesregierung als solcher anerkannt wurde. Und erst 2012 wurde in Berlin mit dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Europa ein wichtiger Erinnerungsort geschaffen.

Jene politischen Erfolge haben jedoch wenig daran geändert, dass Roma und Sinti weiterhin pauschaler Diffamierung und sozialer, ökonomischer und kultureller Diskriminierung ausgesetzt sind.

Bis heute gibt es in Europa kaum einen Ort, an dem sie ihre Künste, Kulturen und ihre Geschichte selbst erzählen und präsentieren können, obgleich ohne die Kulturen von Roma und Sinti die Erzählungen der europäischen Kultur ausgesprochen lückenhaft blieben. Dass zum Beispiel Pablo Picasso und Elvis Presley der Minderheit angehörten, passt wenig zu dem Bild, das sich über Jahrhunderte in der Mehrheitsgesellschaft gebildet hat.

Die Kulturstiftung des Bundes stellt deshalb 3,75 Mio. Euro für den Aufbau eines internationalen digitalen Archivs zur Verfügung. RomArchive bietet Sinti und Roma die Möglichkeit, den Fremdzuschreibungen selbstbestimmt etwas entgegenzusetzen und ihre Kulturen und Geschichte in eigener Regie darstellen zu können. Sinti und Roma gestalten das mehrsprachige Archiv in allen entscheidenden Positionen als Kuratoren, Künstler und Wissenschaftler sowie im projektbegleitenden internationalen Beirat aus acht europäischen Nationen und den USA.

 

 

Die Archivbereiche

fd8a83c0c3327f4d88e7c708577a7522_3666Die auf ständigen Zuwachs angelegte Sammlung des Archivs von Kunst aller Gattungen, historischen Dokumenten und wissenschaftlichen Texten spiegelt exemplarisch die enorme Bandbreite und Diversität von kulturellen Identitäten und nationalen Eigenheiten wider, anstatt ein realitätsfremdes Bild einer homogenen „Roma-Kultur“ zu vermitteln. Derzeit entstehen die Archivbereiche für Bildende Kunst (kuratiert von Tímea Junghaus), Film (Katalin Bársony), Literatur (Beate Eder-Jordan), Musik (Petra Gelbart), Tanz (Isaac Blake), Theater (Miguel Ángel Vargas Rubio und Dragan Ristić) sowie zur Bilderpolitik (André Raatzsch), der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma (Thomas Acton, Angéla Kóczé, Anna Mirga-Kruszelnicka und Jan Selling) und zum Holocaust (Karola Fings).

 

 

Die Partner

RomArchive hat starke Partner: Das Goethe-Institut beteiligt sich u.a. mit den Instituten in Budapest, Bratislava, Madrid und Prag mit Programmen in den entsprechenden Ländern. Die Bundeszentrale für politische Bildung gehört ebenfalls zu den Förderern. Von Beginn an standen dem Projekt der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und die European Roma Cultural Foundation beratend zur Seite. Die Stiftung Deutsche Kinemathek ist Kooperationspartner für die technische Umsetzung. 2019 soll das Archiv, dessen Aufbau derzeit von den Projektinitiatorinnen Franziska Sauerbrey und Isabel Raabe organisiert wird, an eine internationale Roma-Organisation übergeben werden, die das Archiv ausbauen und weiterentwickeln wird.

 

Der Blog

d901c8c897a3e07fbf0f251222541c84a52ba68e77c5e638a53c927693e0e91dBis zum Launch von RomArchive im Sommer 2018 ist der Blog (blog.romarchive.eu) die zentrale Kommunikationsplattform. Regelmäßig werden hier multimediale Inhalte wie Interviews, kontroverse Diskussionen und Essays veröffentlicht. Zudem macht der Blog die Arbeit der Kurator/innen erfahrbar und bietet Hintergründe zur Projektentwicklung. Wie auch die spätere Website ist der Blog von Beginn an dreisprachig: Deutsch, Englisch und Romanes.

Auf dem Blog hinterfragt der Journalist und Roma-Aktivist Samuel Mago beispielsweise die Bedeutung des Welt-Roma-Tages für eine neue Generation von Roma-Aktivisten. Jürgen Keiper, der bei der Stiftung Deutsche Kinemathek für die technische Umsetzung von RomArchive zuständig ist, gibt im jüngsten Beitrag einen Einblick in die Entwicklung einer Sammlungspolitik für RomArchive und berichtet vom Erfahrungsaustausch mit anderen Archiven.

Apr 2017 | Heidelberg, Allgemein, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Zeitgeschehen | Kommentieren