[1]Am 19.11.2049 um 5 Uhr früh schied ich im Alter von exakt 100 Jahren aus dem Erdenleben. Ich hätte gerne noch länger gelebt, wenngleich die Zerstörung auf unserem Planeten immer weiter um sich gegriffen und die Schönheit des irdischen Daseins massiv entwertet hatte. Die medizinische Kunst war einfach noch nicht so weit, mir mehr Aufschub zu ermöglichen.
Und als 90%-Roboter wollte ich mein Leben nicht fortführen. In der Astronautik jedoch war man mit Riesenschritten vorangekommen.
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Dieser Beitrag möchte ein Hinweis sein auf unsere Rubrik „Kurz-Text-Arena [2]„, in welcher Alle von Euch in die Lage versetzt werden sollen, mit Lyrik, Kurzgeschichten, Essays oder was auch immer hier noch nicht aufgeführt ist, sich den anderen RUNDSCHAU-Lesern vorzustellen. Wir freuen uns auf Euch! Tschuldigung für die Unterbrechung …
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Nach ersten touristischen Planetenbesuchen spricht nun, da ich diese Vorkommnisse unter Nutzung der Relativität der Zeit hier festhalte, alles dafür, dass Erdlinge in Gruppen oder, sagen wir Stämmen, auf dem neu entdeckten Planeten Culto angesiedelt werden. Alsbald wird es soweit sein.
Was ist von mir geblieben? Was erinnert noch an mich? Ich bin ja noch da, nur wissen es die Hinterbliebenen nicht so genau. Die dahinter Gebliebenen, ich bin nun ein Stück weiter vorne. Eine Weile ist es schon her, als damals die Zeit meines konkreten Ablebens gekommen war, und ich hatte begonnen, ein paar Maßnahmen zu ergreifen. Ich wollte vorbereitet sein.
Ich starb arm, ohne finanzielles Vermögen. Aber ich hatte zu entscheiden, was ich ansonsten auf Erden hinterlassen wollte. Ich dachte zunächst an eine Minimalvariante: ein Bild, ein kurzer Brief. Mehr sollte es nicht sein. Ich wollte die Hinterbliebenen nicht belasten, wie dies so oft zu geschehen pflegte. Gerümpel ohne Ende, alte Männerkleider, die – in meinem Fall – nach dem verblasenen Rauch des passionierten Zigarrenrauchers müpfeln; das in die Jahre gekommen Mobiliar meiner Wohnung, ein paar Geräte, darunter ein prall befrachtetes Smartphone mit einer hässlichen Spider-App … und meine Sammlungen.
Genau Letzteres war aber der Punkt, warum ich mich dann doch anders entschieden hatte. Einmal Sammler, immer Sammler! Meine Bücher, meine Musik, die Filme, die Münzen und Briefmarken (na ja!), frühkindliche Spielsachen, all die Briefe aus Dezennien, Fotoalben und Bilder meist ohne Rahmen, meine kleine Figurensammlung, die appetitliche Kochrezepte-Kollektion.
Dazu meine Kurztexte und familiengeschichtliche Dokumente, ein spannendes Material vielleicht. Nochmals nahm ich mir etwas Zeit.
Ich hatte, wenngleich schon schwer gezeichnet, ein paar Nächte gut ausgeschlafen und mich dann gerade noch rechtzeitig entschieden.
Es sollte alles weiter verfügbar sein, über meine irdische Zeit hinausreichen. Spuren. Merkposten der Erinnerung!
Was ansonsten an Materie beim sanften Transit von mir blieb, war in Frieden ruhende, dunkle Asche … mit einem seltsam markanten Zeichen bei der Bestattung, wie gefräst in die glasklare Luft, strahlend für Momente an jenem wunderschönen Tag. [3]
Fritz Feder