IMG_0654-2-300x248 2Eigentlich sollte es ja „nur“ ein Abend für Freunde mit Freunden werden, den der koreanische Student Sungmin Eu am Klavier zum Besten geben wollte, um mit ihnen seinen gerade erworbenen Bachelor – und dass er sich nun auf den Weg, den „Dr.“ zu erlangen machen will – feiern wollte. Der kleine, feine Raum, den sich der
2. Preisträger des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ dafür ausgedacht hatte, stand ihm nicht zur Verfügung, die Heidelberger Heiliggeist-Gemeinde stellte ihm dafür nun den „großen Saal“ kurzfristig zur Verfügung. Und da passten nun allerdings hundert Leute rein, ein größerer Zulauf, als es sich der junge (auch) Künstler im Hinblick auf die „Menge“ seiner Freunde eigentlich vorgestellt hatte. Der Saal war dennoch gut gefüllt; für uns die Gelegenheit für eine letzte „Konzertkritik“:

Frédérik Chopins Nocturnes, die Ballade Op. 52 und seine Polonaise Op. 53 und seine Zugaben – unter anderem Mendelsohns „Lieder ohne Worte“ – sind weniger bekannt und müssen mithin den Vergleich mit „großen“ Einspielern nicht fürchten.

Anders verhält es sich mit Ludwig van Beethovens Sonata quasi una fantasia Nr. 14 cis-Moll op. 27, 2 mit dem bekannten Beinamen „Mondschein-Sonate“.
Dies von Sungmin Eu auswählte Werk weckt Erwartungen wie auch hohe Ansprüche. Diesen Beethoven aus dem Standardrepertoire eines jeden Konzertpianisten in sein Programm aufgenommen zu haben, das erfordert Mut – da man sofort mit allen Größen der Klassikwelt verglichen wird – und vor allem eine eigene Aussage, die solchem Werk ohne Anflüge von Willkür angemessen ist. Der koreanische Pianist hat sowohl als auch!

Beethovens Sonata quasi una fantasia verlangt höchste Virtuosität und ein reiches Spektrum an Klangqualitäten und Dynamikabstufungen. Genau damit besticht Sungmin Eu bei dieser Fantasia: Der Pianist lässt die Zusammenhänge der divergierenden Abschnitte hervortreten und den Hörer die ausgedehnte Form verstehen, die ihm in einem großen Bogen zusammenzuhalten gelingt, ohne dabei die fließende Unbeschwertheit zu verlieren. Seine Expressivität stimmt mit derjenigen ein, die Beethoven in dieses Werk legte, so dass diese wie von sich heraus entstehen kann.

Was aber seinem Spiel einen eigenständigen Status gibt, ist der einzigartige Anschlag, der sofort aufhorchen lässt. Zwar legt er Gewicht auf jede Note, aber  dennoch ist alles frei und so unbekümmert, also würde er über die Tasten gleiten. Dieses nur scheinbaren Paradoxons wegen entsteht eine eigene Magie, ein Wiedererkennungswert im positiven Sinne – wenn er beginnt, mit den Melodien zu singen, dann verzaubert er. Sungmin Eu´s Anschlag hat eine ganz eigene Note und ist unverkennbar, er eint prägnante Schärfe und liebliche, beinahe fragile Zurückgehaltenheit. Er bedient sich eines enormen Spektrums an Dynamiknuancen und nutzt diese gerade im Piano- und Pianissimobereich voll aus. So können melodische Linien in freier Unbekümmertheit aufleben und wieder zurückgehen, wobei er es versteht, die Akzente am rechten Ort zu setzen und allgemein das Wechselspiel aus Spannung und Entspannung zu erspüren.

Mit leidenschaftlicher Inbrunst begegnet Sungmin Eu diesem Beethoven. Er legt alles hinein, körperlich, intellektuell und emotional ist er in begeisternder Weise  beteiligt. Das klangliche Resultat ist überwältigend, selten wirkte Beethoven (für mich jedenfalls) so unmittelbar, energiegeladen und leidenschaftlich wie in dessen Interpretation. Im ersten Satz ist endlich auch einmal die linke Hand ein lebendiger und vollwertiger Widerpart, der zweite Satz ist von unerhörter Getragenheit und klanglicher Auskostung, und das Finale sprudelt so siegreich und enthusiastisch, dass es einen gar nicht unberührt lassen kann.

Dieser Spätnachmitag lies hören, zu welchem Niveau die Liebe zur Musik und die Arbeit an der Musik auch für Nichtprofis zu zeigen in der Lage sind. got

März 2017 | Heidelberg, Allgemein, Junge Rundschau | Kommentieren