FILE PHOTO: A worker puts the final touches to a giant figure of Francois Fillon, member of Les Republicains political party and 2017 presidential candidate of the French centre-right during preparations for the carnival parade in NiceMarine Le Pen hat sich zum Auftakt ihres Präsidentschaftswahlkampfs für einen EU-Austritt und eine strikte Begrenzung der Einwanderung ausgesprochen. In den Umfragen kommt die Kandidatin des rechtsextremen Front National derzeit auf 25 Prozent und liegt damit weiter vorne. Rückenwind verschafft ihr auch die sich ausweitende Affäre um François Fillon.    Was steckt hinter Le Pens Höhenflug?

LA STAMPA (IT)
Kohärentes Manifest des neuen Populismus
Europa wäre gut beraten, die Wahlversprechen Le Pens genauestens zu studieren, mahnt La Stampa:

„Es handelt sich um das ausführlichste und kohärenteste Dokument des neuen Populismus. … Die „144 Wahlverpflichtungen“ sind nicht eine Reihe von Slogans und Forderungen, sondern der Entwurf eines in sich schlüssigen Programms. … Gerade deshalb verpflichten die Wahlversprechen von Le Pen die demokratischen Parteien – in Frankreich aber auch in Italien -, auf den Boden der Tatsachen und der konkreten Politik zurückzukehren. Es bedarf einer Politik, die die Tendenzen der heutigen globalen Wirtschaft korrigiert, die de facto ohne Regeln ist und die Ungleichheit noch verschärft. Man sollte nicht dem Front National und seinen rechtsextremen Verbündeten in Europa das Monopol der Umverteilungspolitik überlassen. Auf europäischer Ebene muss, wer gegen Le Pen ist, dennoch eingestehen, dass die Zeit für das Europa der Beamten und Vorschriften abgelaufen ist. In keinem europäischen Land werden die kommenden Wahlen ohne neue Programme und Visionen gewonnen werden.“

Mario Deaglio

THE IRISH INDEPENDENT (IE)
Das xenophobe Image ist abgeschüttelt
Marine Le Pen und ihre Partei sind ein Beispiel dafür, dass Rechtsextremismus in Europa zunehmend salonfähig wird, beobachtet Irish Independent:

„Marine, wie sie gerne genannt wird, hat hart daran gearbeitet, ihre Partei von dem virulent antisemitischen und xenophoben Image zu befreien, wie es unter der Leitung ihres Vaters noch florierte. Französische Wähler schämen sich mittlerweile nicht mehr, den Front National zu unterstützen. Heißt das nun, dass sich Frankreich Richtung Rechtsextremismus bewegt? Sind Millionen Europäer – die die Dänische Volkspartei, die Freiheitliche Partei Österreichs, die Alternative für Deutschland, die niederländische Partei für die Freiheit und ähnliche Bewegungen unterstützen – allesamt fremdenfeindliche weiße Rassisten? Wohl kaum. Sind all diese Parteien von Rassisten und rechtsextremen Elementen befreit? Sicherlich nicht. Doch ihre Führungsriegen haben eine gähnende Lücke in der europäischen Politik entdeckt, in die sie nun mit viel Erfolg vorstoßen.“

Katya Adler

SALZBURGER NACHRICHTEN (AT)
Populisten dürfen alle Regeln brechen
Darauf, dass für Marine Le Pen offenbar andere Regeln gelten als für François Fillon, lenken die Salzburger Nachrichten ihr Augenmerk:

„Anders als Fillon, der, wie es scheint, seine gesamte Familie mit gut dotierten Scheinanstellungen auf Kosten der Steuerzahler versorgte, hat Le Pen mutmaßlich mit 300.000 Euro des EU-Parlaments einen Parteimitarbeiter bezahlt. Das ist unstatthaft, weshalb das EU-Parlament diese Summe zurückhaben will. Interessanterweise scheint die Angelegenheit der Kandidatin der äußersten Rechten, im Gegensatz zu Fillon, keineswegs zu schaden. Nicht einmal dann, wenn ihre Sicherheitsleute nachfragende Journalisten aus dem Saal prügeln. … Weite Teile der einschlägigen Protestwählerschaft erwarten sogar ein solches Verhalten. Hauptsache, es schadet dem verhassten System. Von systemtreuen Politikern der politischen Mitte hingegen erwarten ihre Anhänger absolut systemkonformes Verhalten. Was einer Frau Le Pen recht ist, ist einem Herrn Fillon noch lange nicht billig.“

Andreas Koller

POLITIKEN (DK)
Fillon-Affäre stellt ganz Europa vor Problem
Marine Le Pen wird die Affäre um François Fillon schamlos für sich zu nutzen wissen, fürchtet Politiken:

„Die Fillon-Affäre ging über Jahre hinweg, ohne dass jemand die Augenbrauen hochgezogen hätte. Schätzungsweise haben offenbar mindestens 20 Prozent der französischen Abgeordneten Familienangehörige als Angestellte. … Die Chefin des nationalistischen Front National, Marine le Pen, wird die Fillon-Affäre maximal ausnutzen. Je länger dieser an seinen politischen Ambitionen festhält, desto mehr kann sie das tun. Als Führerin einer Partei, die sie von ihrem Vater geerbt hat, ist sie selbst Teil einer Elite und einer Vetternwirtschaft, aber diese Art von trivialen Selbstwidersprüchen hat Europas Nationalisten noch nie gekümmert. Und im schlimmsten Fall sind sie auch den Wählern egal, die einfach genug haben von der herrschenden politischen Klasse. Damit kann die Fillon-Affäre zu einem europäischen Problem werden.“

Feb. 2017 | Allgemein, Politik | Kommentieren