Spitzt sich die Griechenlandkrise wieder zu?

griechenland_und_europaEine internationale Vergleichsstudie hat die Wettbewerbsfähigkeit der Länder analysiert. Das Ergebnis ist insbesondere für die Euro-Zone unbefriedigend. Griechenland, das größte Sorgenkind der EU, ist weiterhin nicht konkurrenzfähig. Von Rang 54 im  Jahre 2013 fällt Griechenland 2014 weiter ab, auf Rang 57 (von 60 getesteten) – hinter Jordanien (Rang 53) und Bulgarien (Rang 56).

Der Streit um Finanzhilfen für Griechenland geht erneut in eine heiße Phase. Am 20. Februar soll die Eurogruppe die Auszahlung der nächsten Kredittranche billigen. Doch die Gläubiger sind sich weiter uneins über einen Schuldenschnitt und härtere Sparmaßnahmen, die insbesondere Bundesfinanzminister Schäuble fordert. Einige Kommentatoren gehen streng mit ihm ins Gericht, während andere kritisieren, dass sich die EU im Wahljahr 2017 weiter durchmogeln wird.

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)
Gläubiger verweigern sich der Realität
Im Streit um weitere Griechenlandhilfen werden sich die europäischen Gläubiger im Wahljahr 2017 um das eigentliche Problem herummogeln, glaubt die Neue Zürcher Zeitung:

„Hält man sich an die Fakten, gibt es nur zwei Optionen: Entweder befreit sich Griechenland aus dem Korsett des Euro, oder die Gläubiger gewähren einen substanziellen Schuldenschnitt. Von beidem wollen die Europäer aber nichts wissen. Der Terminkalender spricht für Athen. So stehen in den kommenden Monaten wichtige Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland an. In keinem dieser Länder hat die Regierung ein Interesse an einer Eskalation der Krise, da dies den rechtsnationalen Kräften in die Hände spielen würde. Also wird man an überaus optimistischen Szenarien festhalten, Bereitschaft für kosmetische Schuldenerleichterungen zeigen und Athen noch vor dem Sommer, wenn milliardenschwere Schuldenrückzahlungen anstehen, eine nächste Kredittranche überweisen. Man kann dies Realpolitik nennen – oder Realitätsverweigerung.“

Thomas Fuster
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PÚBLICO (PT)
Deutsche Kompromisslosigkeit verschärft Streit
An der Zuspitzung der Lage hat diesmal nicht Griechenland Schuld, argumentiert der Wirtschaftsprofessor Ricardo Cabral in Público:

„Griechenlands staatliche Verschuldung steht erneut im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, aber diesmal – man stelle sich das einmal vor – nicht wegen Griechenland, sondern wegen eines alten ‚Konflikts‘, der seit 2015 zwischen dem IWF und der Eurogruppe besteht. Der deutsche Finanzminister vertritt eine kompromisslose Position und wird durch die Kommission und den Europäischen Stabilitätsmechanismus [ESM] unterstützt. … Der IWF plädiert für eine Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden. … Ansonsten sei der IWF nicht bereit, sich an einem neuen Rettungspaket für Griechenland zu beteiligen. Doch Berlin sperrt sich gegen einen Schuldenschnitt und beharrt darauf, dass die IWF-Beteiligung an einem wahrscheinlichen vierten Rettungspaket eine conditio sine qua non sei.“

Ricardo Cabral
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LA TRIBUNE (FR)
Oberlehrer Schäuble zerstört Solidarität
Die Pläne von Bundesfinanzminister Schäuble könnten die Hoffnung auf eine solidarischere Eurozone beerdigen, fürchtet La Tribune:

„Wolfgang Schäuble schreitet voran mit der Bildung einer europäischen Organisation nach den Vorstellungen seines Projekts von 1994: dem eines ‚harten Kerns‘ der Eurozone. … Und dieser Option nähern wir uns: Es handelt sich um eine Korrektur der aktuellen Eurozone. Entweder durch den Ausschluss der ’schlechten Schüler‘ oder durch eine noch strengere Korrektur mit mehr Reformen und höheren Anforderungen in Sachen Primärüberschüsse ab 2018. Zudem geht es darum, den anderen Ländern der Eurozone neue ungeschriebene Regeln für die Zukunft vorzulegen: einseitige Anpassung oder Austritt. … Im Fall Griechenland steht also nicht nur das Schicksal des Landes selbst auf dem Spiel, sondern die Zukunft der Eurozone: Wenn die Pläne von Wolfgang Schäuble Realität werden, ist es mit den Träumen von einer ausgeglicheneren und solidarischeren Eurozone vorbei.“

Romaric Godin
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AVGI (GR)
Nur vereint könnte Athen Berlin trotzen
Die Politiker in Griechenland sind zu zerstritten, als dass sie der deutschen Dominanz etwas entgegen zu setzen hätten, klagt die regierungsnahe Tageszeitung Avgi:

„Die deutsche politische Führung scheint ihre Taktik bezüglich der griechischen Frage nicht zu ändern und hat das neue EU-Modell der zwei Geschwindigkeiten ausgearbeitet. … Griechenland könnte in diesem ungleichen Kampf aufrecht stehen, wenn es geeint wäre. Wenn alle politischen Kräfte verstanden hätten, wie wichtig das für die Zukunft des Landes ist. Stellen Sie sich ein Szenario vor, in dem alle griechischen Politiker Nein zu Schäubles Vorschlägen sagen. Man male sich aus, was passieren würde, wenn das Land die Erpressungen abwehren könnte. Aber das ist unvorstellbar, da der Oppositionsführer und Vorsitzende der konservativen Partei Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotakis, Premier werden will und die Vorsitzende der Sozialisten von Pasok, Fofi Gennimata, ebenfalls ihren Anteil an der Macht in der deutschen Kolonie haben will.“

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Feb 2017 | Allgemein, Junge Rundschau, Politik, Wirtschaft, €uropa | Kommentieren