Jede Brustkrebspatientin hat ihre individuelle Erkrankung, für die eine Therapie passgenau bestimmt werden sollte. Eine wichtige Entscheidungshilfe liefern dabei die molekularen Eigenschaften der Tumorzellen. Sie geben Hinweise darauf, wie sich eine Brustkrebserkrankung entwickeln wird und ob die Patientin von einer Chemotherapie profitieren könnte. Das Universitätsklinikum Heidelberg startet nun das Projekt „Genexpressionstestung beim Mammakarzinom“ mit modernster Technik. Die Dietmar Hopp Stiftung unterstützt dafür eine so genannte Genexpressionsplattform für Forschung und Diagnostik mit 510.000 Euro am Pathologischen Institut.
Damit können Brusttumoren noch genauer molekular charakterisiert und neue Gensignaturen von Krebszellen entwickelt werden. Außerdem kann mit Hilfe des neuen Geräts ein bereits etablierter molekularer Diagnosetest bei bestimmten Patientinnen angewandt werden. Die Ergebnisse fließen in die Therapieentscheidung.
Rund 70.000 Frauen pro Jahr erhalten in Deutschland die Diagnose Brustkrebs, davon erhalten etwa 28.000 Patientinnen eine Chemotherapie. Daten* der Jahre 2003 bis 2014 am zertifizierten Brustzentrum Heidelberg, einem der größten in Deutschland, deuten darauf hin, dass bei drei von vier dieser Patientinnen, also bei rund 21.000 Betroffenen nicht klar ist, ob eine Chemotherapie für den Therapieerfolg entscheidend ist. Herkömmliche diagnostische Verfahren, z.B. mit Hilfe der Mammographie, Ultraschall, Kernspin oder Gewebeuntersuchungen, reichen für diese Bestimmung nicht immer aus. „Wir brauchen Präzisionsdiagnostik für eine individuelle Therapie“, erklärt Prof. Dr. Peter Sinn, Leiter der Sektion Gynäkologische Pathologie am Pathologischen Institut (Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Peter Schirmacher). „Mit Hilfe von Gensignaturen kann der Brustkrebs bestimmten Untergruppen mit einer passenderen Therapie zugeordnet werden. Einige solcher Marker sind schon erforscht und werden in der Diagnostik erfolgreich angewandt. Wir möchten in Heidelberg weitere Gensignaturen entwickeln“, so der Pathologe.
Dabei bringen Forscher und Ärzte des Pathologischen Instituts, der Universitäts-Frauenklinik, des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen und des Deutschen Krebsforschungszentrums ihre Expertise ein. „Für unsere Forschungsarbeiten können wir bereits auf umfangreiches Datenmaterial von mehr als 500 Patientinnen zurückgreifen. Mit der neuen technischen Ausstattung können wir zusätzlich in den nächsten zwei Jahren mehr als 1000 Proben von Tumorpatientinnen untersuchen“, erklärt Dr. Albrecht Stenzinger, Leiter des Molekularpathologischen Zentrums und Experte in der Biomarkerentwicklung. Das Gerät misst, wie stark bestimmte Gene in den Tumorzellen aktiv sind – ein wichtiges Maß für die Einteilung der Tumoren in Untergruppen. Die Aktivität der Gene spiegelt sich dabei in der Menge bestimmter Moleküle in der Zelle wieder, der m-RNA-Moleküle. Ist ein bestimmtes Gen besonders aktiv, wird davon also eine große Menge m-RNA gebildet, dann kann dies ein Hinweis auf ein bestimmtes Verhalten des Tumors sein, etwa ob der Tumor eher auf eine Chemotherapie anspricht oder nicht. Diese Verknüpfungen untersuchen die Heidelberger Forscher in den kommenden Jahren intensiv weiter.
Ein etablierter molekularer Test kann Therapieentscheidung erleichtern
Im klinischen Teil des Projekts wenden die Pathologen mit Hilfe des neuen Diagnosegerätes bei geeigneten Patientinnen einen bereits etablierten Genexpressionstests (Prosigna®) an. „In Heidelberg behandeln wir rund 600 Brustkrebs-Patientinnen pro Jahr. Davon bekommen zurzeit etwa 240 Patientinnen eine Chemotherapie zusätzlich zur Operation“, sagt Prof. Dr. Andreas Schneeweiss, Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen und Universitäts-Frauenklinik (Geschäftsführender Direktor: Prof Dr. Christof Sohn). „Wir gehen davon aus, dass wir mit Hilfe des Prosigna®-Tests bis zu 50 Patientinnen pro Jahr herausfiltern können, bei denen eine Chemotherapie für den Therapieerfolg nicht entscheidend ist.“ Diesen Patientinnen könnte eine Chemotherapie mit ihren möglichen Schädigungen erspart bleiben.
Die Entscheidung, welche Therapie bei welcher Patientin individuell die passende ist, treffen die Ärzte im so genannten Tumorboard. Hier besprechen Systemtherapeuten, Operateure, Strahlentherapeuten, Pathologen und anderen Tumorexperten jede einzelne Patientin. Je genauer die diagnostischen Hinweise, desto gezielter kann auf die Bedürfnisse der Patientin eingegangen werden. „Auf diesem Weg bringt uns das von der Dietmar Hopp Stiftung beförderte Projekt ein großes Stück voran“, sagt Schneeweiss.