soll_gewesen_sein„Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar – es tut uns leid“: Diese Botschaft bekamen YouTube-Nutzer immer wieder zu sehen, wenn sie sich Musikvideos auf dem Portal anschauen wollten. Damit soll es nun vorbei sein. YouTube und die Rechteverwertungsgesellschaft Gema haben sich nach langem Streit auf einen Lizenzvertrag geeinigt. Beide Seiten bestätigten die Einigung gestern (am „Allerheiligen“ Dienstagmorgen). Zuerst hatte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über den Deal berichtet.

Die Google-Tochter zahlt nun eine Abgabe an die Gema – und YouTube-Nutzer sollen ab sofort Zugang zu Musikclips haben, die vorher nicht verfügbar waren. Das betreffe alle Videos der rund 70.000 Gema-Mitglieder sowie der Künstler, die die Gema im Ausland vertrete. Dank des Vertrags würden diese Künstler nun auch für das Abspielen der Videos auf YouTube bezahlt, hieß es in einer Gema-Mitteilung. Über die Höhe des Beitrags, der an die Gema fließt, schweigen beide Seiten. Im Gegenzug werde die Gema das Bezahlangebot „YouTube Red“ bei seiner Einführung in Deutschland „unterstützen“.

Manche der roten Sperrgrafiken waren auch am Dienstagvormittag noch aktiv. „Ab heute geht’s los. Also habt bitte einen Moment Geduld, wenn noch nicht alle Videos sofort verfügbar sind“, hieß es in einem Blogeintrag von YouTube. Im Laufe des Dienstags sollen aber alle Inhalte freigeschaltet sein, die bislang mit Verweis auf Gema-Rechte gesperrt waren.

Komplett verschwinden werden die Sperrtafeln allerdings nicht: Sie werden beispielsweise dann geschaltet, wenn der Künstler oder die Plattenfirma kein Mitglied der Gema ist und andere Rechte geltend macht.

Streit seit 2009

Über die Bezahlung der Rechteinhaber beim Abruf von Musikvideos über das Internet und andere rechtliche Modalitäten hatten sich YouTube und Gema jahrelang gestritten, teilweise auch vor Gericht. Seit 2009 gab es keine gültige Lizenzvereinbarung mehr. Viele Inhalte waren daher für deutsche Nutzer auf YouTube nicht verfügbar; gekennzeichnet wurde dies mit den Sperrgrafiken. Die jetzt getroffene Vereinbarung soll auch rückwirkend für den Zeitraum seit 2009 gelten.

Im Kern dreht sich der Streit um die Frage, ob YouTube ein Musikdienst ist und damit in der generellen Verantwortung für die dort eingestellten Inhalte steht oder nur eine Plattform für die Verbreitung von Inhalten seiner Nutzer bietet. Im Januar unterlag die Gema mit einer Schadensersatzklage gegen YouTube vor dem Oberlandesgericht München – sie hatte in dem Verfahren 0,375 Cent für jeden Abruf bestimmter Musikvideos gefordert.

In einem anderen Prozess hatte die Gema dagegen mehr Erfolg. YouTube könne unter Umständen haftbar gemacht werden, wenn die Videoplattform bestimmten Kontrollen bei hochgeladenen Musikvideos nicht nachkommt, hatte das Oberlandesgericht Hamburg im vergangenen Jahr geurteilt.
Es ist eine Sensation in der Geschichte des Internet: YouTube und die Gema haben sich außergerichtlich geeinigt und einen Lizenzvertrag geschlossen, der ab sofort in Kraft tritt. Das bedeutet: YouTube zahlt zukünftig Abgaben für die Verwertung von Musik, die Sperrung tausender Videos durch YouTube wird aufgehoben. Wie viel Geld fließt, ist unbekannt. Von Nutzern wird der Deal unterdessen gefeiert.
„Allerheiligen“ wurde gerade zum Feiertag für das ganze Internet. Rückwirkend bis 2009 zahlt YouTube Gema-Abgaben. Die Verwertungsgesellschaft und die Google-Tochter haben sich in einem Lizenzvertrag auch für künftige Zahlungen geeinigt. Google selbst spricht von einem „großen Tag für die Musiklandschaft“, auch die Gema feiert die Vereinbarung als Erfolg für seine 70.000 Mitglieder, fordert aber weiterhin die Politik dazu auf, einen „klaren Rechtsrahmen zu schaffen“, da auch weiterhin unterschiedliche Rechtsauffassungen in Urheberfragen bestünden.

Die Einigung ist  in der Tat nichts weniger als eine Sensation. Dass nämlich sich die Parteien außergerichtlich einigen würden, das war kaum noch erwartet worden. Entsprechend erfreut reagieren auch die Nutzer, die am meisten vom Ergebnis profitieren dürften. Ab sofort sollen die Sperrtafeln, die von der Gema geschützte Werke verbergen, fallen und die Inhalte wieder verfügbar sein. Für das Social Web üblich schwanken die Reaktionen zwischen Ironie und Sarkasmus. So kann es der Chef von Spiegel Online, Florian Harms, kaum glauben, dass die Einigung noch erlebt werden darf. Stefan Keuchel, ehemaliger Pressesprecher bei Google, twittert sogar von der zugefrorenen Hölle. Manch anderer Nutzer ruft nun den Weltfrieden als nächstes Ziel aus.

Nov. 2016 | Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Zeitgeschehen | Kommentieren