Das Festival heißt WeinLese. Eine der schönsten Kulturlandschaften in Europa bildet sein Ambiente. Und mit dem Beginn der Weinlese entfaltet der Rheingau seine besten Seiten. Das Festival will mehr sein, als eine Präsentation guter Bücher und ihrer Autoren, will mit dem einmaligen Charme der Landschaft, mit den grandiosen Veranstaltungsorten und dem wunderbaren Wein Bündnisse schließen. Es tut es! Wir wissen es …
Aus der Ernte des literarischen Jahrgangs 2015/16 haben die Veranstalter Bücher und Autoren ausgesucht, die mit dem Wein Eigenschaften teilen und zum Ambiente passen. Das ist und wird offenkundig bei den literarischen Weinwanderungen. Ebenso bei Georg Forster, dem Weltreisenden, der durch den Rheingau 1790 nach Holland, England und Frankreich reiste und darüber großartige Literatur schrieb. Ein besonderes Verhältnis pflegt dies Fest zu den Trägern des Rheingau Literatur Preises: Unter anderem soll erfragt werden, um so wissen zu können, wie den beiden Preisträgern die 111 Flaschen Rheingau-Wein bekommen sind, die sie zusätzlich zum Preisgeld gewonnen haben: Antje Rávic Strubel und Clemens Meyer haben den Preis 2007 bzw. 2006 erhalten.

Gebundene Ausgabe: 64 Seiten
Verlag: Libelle; Auflage: 1 (1. September 2004) 12.80 €
ISBN-10: 3909081428
ISBN-13: 978-3909081424
Große Literatur vermischt sich gern mit dem Geist des Weines. Davon war nicht nur Goethe überzeugt. Das lässt sich mühelos mit Saša Stanišić, Ilija Trojanow und Michael Kumpfmüller überprüfen.
Und, nu mal kurz weg vom aktuellen Anlass: Um „Literatur & Alkohol“ und drum herum haben wir ein köstliches Büchlein mit eben diesem und dem Untertitel „Liquide Grundlagen des Buchstaben-Rausches“ entdeckt, das wir Ihnen nicht nur dieses Anlasses wegen nicht vorenthalten wollen:
Wer penibel liest, erkennt in diesem köstlichen (ja, köstlichen!) kleinen – nur 62 Seiten starken sorgfältig ausgestatteten Büchlein die utopischen Potentiale der Differenzierung durch Fußnoten und eine Beweisführung durch Literatur, die oft genug noch nicht existiert: Hat Carl Zuckmayer nun in seiner Heidelberger Zeit Cognac-Vögel gesehen und lyrisch verherrlicht – obgleich selbst Ornithologen diese Vögel bisher nicht ausfindig zu machen in der Lage waren? Und, oder ob es die second-hand-ivresse nicht doch schon gibt, obwohl jedenfalls ich noch nichts von ihr gelesen habe ?
Einen Schwurbel von befreiender Albernheit löste bei uns dieses wahrhaft unzeitgemässe Plädoyer für den Alkohol aus, derweil allzu nüchterne Aufklärer von der verspielten Gelehrsamkeit der beiden Autoren Michael Krüger und Ekkehard Faude doch immerhin den Zweifel lernen könnten, ob nicht der Rausch dem Wahn, das Wohlgefühl der Gesundheit vorzuziehen sei.
Alle drei ( Saša Stanišić, Ilija Trojanow und Michael Kumpfmüller – da waren wir oben ausgestiegen) trinken selber gerne guten Wein. Zu alledem gibt es in diesem Jahr einen Krimi-Schwerpunkt. Mit Andrea Sawatzki, der ehemaligen Kommissarin der gefeierten Hessen-Tatorte, eine „Frau vom Fach“. Das ist auch Petra Reski, die bei ihren Recherchen dem Mafia-Milieu gefährlich nah kam. Und Tilman Spreckelsen kennt sich hervorragend bei Theodor Storm aus, der als junger Anwalt an einen rätselhaften Mordfall gerät. Dreimal beste Kriminalliteratur. Bekanntlich wirkt (ja ja, aber nicht nur der Rheingauer) Riesling spannungsfördernd. Probieren Sie es aus!
Wir vom Rundschau-Team (Antoine, Clemens, Mark und Tenno) erinnern uns eines berührenden und uns noch immer präsenten Abends des Rheingau-Musik-Festivals in der Abtei des Klosters Eberbach bei Eltville, mit dem großartigen Countertenor Philippe Jaroussky und dem von ihm gegründeten Ensemble Artaserse – wiewohl in der gleichen Besetzung, hier in einer anderen Aufnahme – und nun versuchen Sie noch, sich zudem die unglaubliche Atmosphäre (Foto: Clemens) der Abtei vorzustellen; falls Sie Jaroussky noch nicht kennen, ist, da mal reinzuhören ohnehin ein unbedingtes Muss!
Die musikalische Dramaturgie dieses Abends nahm die Zuhörer ebenso gefangen, wie es eine Oper mit entsprechendem Handlungsstrang getan haben würde, Arien und Instrumentalstücke wechselten einander gut ausgewählt ab. Alle nur denkbar barocken Affekte brachten die Musiker auf den Punkt und Philippe Jaroussky glänzte dabei jederzeit stimmlich ebenso wie mit seiner ausgesprochen starken Bühnenpräsenz.
Nach diesem Ausflug zu einem, wenn nicht dem Höhepunkte des Musikfestivals (pardon, liebe Leser, das musste sein) wieder zurück zu unserem eigentlichen Anliegen, nämlich, Ihnen auch das Literaturfestival schmackhaft zu machen und näher zu bringen. Wir jedenfalls freuen uns sehr drauf, möchten Sie über unsere Berichterstattung an alledem zwar teilhaben lassen, wünschen uns aber auch, dass wir jetzt schon Ihr Interesse geweckt haben, sich einige dieser literarischen Kostbarkeiten nicht entgehen lassen zu wollen:
Ilija Trojanow, „Meine Olympiade“
15.9. Donnerstag, 20.00 Uhr, Marien Kirche, Rüdesheim-Aulhausen
Andreas Platthaus Moderation: Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen – eine kluge wie humorvolle Selbsterfahrung.
Zum ersten Mal ist das Rheingau Literatur Festival zu Gast in der Marien Kirche in Aulhausen – Teil des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Marienhausen aus dem 12. Jahrhundert. Anlässlich der diesjährigen Olympischen Sommerspiele fasst Ilija Trojanow einen ehrgeizigen Entschluss: Er will alle 80 Olympia-Sommer-Einzeldisziplinen trainieren. Sein Zeil: halb so gut abzuschneiden wie der Goldmedaillengewinner von London. Gesagt, getan. Trojanow wirft Diskus, Speer und Hammer, spielt Badminton, misst sich im Zehnkampf, bezwingt im Kajak das Wildwasser, er lernt Ringen im Iran, boxt in einem legendären Gym in Brooklyn, absolviert das Judotraining in Japan und läuft im Hochland von Kenia. In seinem Roman bietet Trojanow einen einzigartigen und faszinierenden Einblick in die Welt des Sports. Eine ebenso scharfsinnige wie humorvolle Reflexion über Grenzen, über die Beziehung von Geist und Körper und über das Älterwerden.
Michael Kumpfmüller: Die Erziehung des Mannes
16.9. Freitag, 20.00 Uhr, Weingut Hamm, Oestrich-Winkel
Ruth Fühner Moderation
Ein Glanzstück – sprachlich raffiniert und humorvoll zugleich
Georg ist Mitte 20 als er eine Frau kennenlernt. Mit ihr wird er ins Leben aufbrechen, Kinder bekommen und doch keine glückliche Ehe führen. Er wird sich fragen, woran das liegt, und er wird den Schritt in eine neue Liebe wagen. Doch frei ist Georg nicht mehr, denn er bleibt Vater von drei Kindern. Suggestiv spürt Michael Kumpfmüller den Träumen, Ängsten und Hoffnungen seines Helden nach und umkreist zentrale Fragen des Mann-Seins: Wer hat hier wen erzogen? Wer hat wann versagt? Wie wird man ein Mann?
• Speisen und Getränke ab 18.00 Uhr. Um Reservierung wird gebeten: 0 67 23 / 99 13 75.
Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein
17.9. Samstag, 20.00 Uhr, Kelterhalle des Rheingau Musik Festivals, Oestrich
Buchpremiere als illustrierter Großband in der renommierten Anderen Bibliothek
Heiner Boehncke im Gespräch mit Jürgen Goldstein, der für seine Forster-Biografie „Zwischen Freiheit und Naturgewalt“ den Preis der Leipziger Buchmesse 2016 für das beste Sachbuch bekam und das Vorwort zu dieser Ausgabe schrieb. Auszüge liest der Schauspieler Torben Kesseler vom Schauspiel Frankfurt.
Georg Forster – Weltumsegler, Schriftsteller, Aufklärer und Revolutionär. Er ist der verdrängte, der unterschlagene Klassiker der deutschen Literatur. Als Verfasser der „Reise um die Welt“, über seine zweite Weltumsegelung mit Captain Cook, wurde er eine Berühmtheit im gebildeteten Europa seiner Zeit.
Ins Zentrum des politischen Geschehens rückte Forster 1793, als er die Mainzer Republik ausrief. Im Frühjahr 1790 unternahm er mit Alexander von Humboldt eine ausgedehnte Reise, die ihn vom Rheingau nach Köln, Düsseldorf über Aachen nach Lüttich, Brüssel, Antwerpen, Amsterdam, England und schließlich nach Paris führte. Seine darauf veröffentlichten „Ansichten“ waren kein bloßer Reisebericht, sondern eine Expedition in ein sich politisch wandelndes Europa. Richtungsweisend war der Bericht auch in ästhetischer Hinsicht: Mit einer Vielzahl von Kunstbeschreibungen hat er der noch jungen Disziplin der Kunstgeschichte das Vorbild eines mustergültigen Stils mitgegeben. Selbst Goethe drückte seine Bewunderung an Forster aus: „Die Geschichte der brabantischen Unruhen scheint mir fürtrefflich geschrieben. Man mag gerne von vorne anfangen und wünscht sich mit einem so unterrichteten Beobachter zu reisen.“
Clemens Meyer: Der Untergang der Äkschn GmbH & unveröffentlichte Texte
18.9. Sonntag, 11.00 Uhr, Kelterhalle des Rheingau Musik Festivals, Oestrich
Martin Maria Schwarz Moderation
Intellektualität und Traditionskenntnis abseits jeder Konvention
2015 hatte Clemens Meyer, amtierender Mainzer Stadtschreiber, die renommierte Frankfurter Poetikdozentur inne. Unter dem Titel „Der Untergang der Äkschn GmbH“ sind nun seine Vorträge erschienen. Darin erzählt er von den Büchern seiner Kindheit, amerikanischen Filmen, dem Leben, von Anarchie und Leidenschaft: Dinge, die ihn beim Lesen wie beim Schreiben inspirieren und begeistern. Er ist ein Kenner und Enthusiast der Literatur. Sein Denken und Sprechen über Literatur ist so ernsthaft wie leidenschaftlich: „das sollen ja keine didaktischen scharmützel sein, sondern persönliche, immer wieder die richtung wechselnde stücke über literatur.“ Übrigens erhielt Clemens Meyer 2006 den Rheingau Literatur Preis für seinen Debütroman „Als wir träumten“.
Andrea Sawatzki: Der Blick fremder Augen
18.9. Sonntag, 18.00 Uhr, Burg Schwarzenstein, Geisenheim-Johannisberg
Martin Maria Schwarz Moderation
Mordserie und Psychostudie, verbunden zu einem außergewöhnlichen Seelendrama
Die Tote lehnt am Stamm einer Kiefer. Ihr Gesichtsausdruck ist entrückt, die Wimperntusche verschmiert, die Kehle durchtrennt. Kommissarin Melanie Fallersleben hat kaum verwertbare Spuren, und auch die folgenden Morde liefern der Ermittlerin keine Hinweise. Nichts lässt erahnen, dass hinter dem Mord ein Mensch steckt, der sich beständig beobachtet fühlt und dessen brutale Taten, geboren aus Verzweiflung und Schuldgefühl, durch ein normales Leben verborgen sind. Doch dann erhält sie eine erste verstörende Botschaft, und die Rollen von Jäger und Gejagtem beginnen zu verschwimmen. Mit präziser, schonungsloser Sprache zeichnet Andrea Sawatzki das Psychogramm einer gequälten Seele, das unter die Haut geht.
Rheingau Literatur Preis 2016: Saša Stanišić: Fallensteller
25.9. Sonntag, 11.00 Uhr, Burg Schwarzenstein, Geisenheim-Johannisberg
Heiner Boehncke Moderation
Prof. Dr. Wilfried Schoeller Laudatio
11.111 Euro und 111 Flaschen Rheingauer Wein – ein nicht alltägliches Preisgeld. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Rheingau Musik Festival e. V. stiften je 5.000 Euro des Preises, der vom Relais & Châteaux Hotel Burg Schwarzenstein um 1.111 Euro ergänzt wird. Die erlesenen Weine stammen aus den exquisiten Kellern des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter Rheingau. Im Anschluss an die feierliche Preisverleihung folgt die Lesung des Preisträgers Saša Stanišić der aus seinem Erzählband Fallensteller Kostproben gibt.
Jurybegründung:
„In den Erzählungen seines Bandes „Fallensteller“, dem Meisterstück eines Sprachvirtuosen, verstrickt sich Saša Stanišić mit leichter Hand in Vergnügen und Komik des Reisens, in Abenteuer der Fremde, in die Träume hinter den Lidern und in die Daseinsimprovisation. Seine melancholischen Grotesken befreien sich vom Zwang zum Realismus, gehen mit Sätzen wie leichtgängige Billardkugeln das Spiel mit Illusionen ein, entfalten Zauberkunde und hintersinnigen Humor.“
Rechte: Titel WeinLese 2016 © Hannah Meinhardt; Illustration © Q Kreativgesellschaft Wiesbaden; Ilija Trojanow © Thomas Dorn; Michael Kumpfmüller © Joachim Gern; Clemens Meyer © ZDF/Jana Kay; Andrea Sawatzki © Marc Rehbeck; Saša Stanišić © Katja Sämann