Ich verlasse auf einen Altstadtspaziergang das Haus, in welchem ich wohne. Das Wetter ist strahlend. Ein herrlicher Sommertag ohne Fehl und Tadel. Indem ich auf die Gasse trete, die für die meiste Zeit des Jahres den anachronistischen Namen „März“ trägt, nestle ich an einem Beutel und ziehe mir eine jener kürzeren, schlanken und sehr leichten Zigarren hervor, die ich zurzeit bei dieser Hitze bevorzuge. In der Hosentasche fingernd fahnde ich nach meinen Streichhölzern, während mir eine Frau, schon in die Jahre geraten, auf dem Gehsteig entgegen kommt. Keine Hölzchen! Ich halte die Zigarre, die erfolglos nach Feuer giert, etwas ratlos weiter in der Hand, als die Frau, die wie eine Heidelbergerin aussieht, ihren Schritt enorm beschleunigt. Und während sie mit erstarrter Miene, aber mit Tempo an mir vorbei düst, hebt sie, auf meiner Höhe angelangt, nicht ab, jedoch ihren linken Arm und fuchtelt mit ihm heftig in der Luft herum, um den widerlichen Rauch von sich fernzuhalten. Dabei stößt sie einen kleinen Schrei aus, der nach „üffz“ klingt. So nahe dies alles bei mir, dass ich einen Moment lang zusammenzucke, weil ich denke, das mündet gar in einer Backpfeife auf meiner linken Wange oder zumindest in etwas Spucke nach dem ausgestoßenen „üffz“. Ich weiß von Heidelbergerinnen, die auf dem Gehweg achtlos geparkte Autos zerkratzten, wenn sie mit dem Kinderwagen nicht, wie gewohnt, vorbei kamen. Aber das steht auf einem anderen Blatt, und zu Tätlichkeiten kommt es in der Märzgasse nicht. Schmunzelnd schlendere ich weiter und dann kommt mir doch dunkel in den Sinn: egal, ob qualmend oder nicht, Hauptsache, bäh, ein Mannsbild!

Aus: Die Tücken des Alltags oder: Der Teufel steckt im Detail von Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren