zuckerbergDer Chef des Deutschen Journalisten Verbandes Frank Überall, aber auch der FAZ-Digitalchef Mathias Müller-Blumencron kritisieren Mark Zuckerberg – In regelmäßigen Abständen gibt es immer mal wieder Kritik an den undurchsichtigen Plattformregeln von Facebook. Neuester Aufreger ist die Löschung des ikonischen Vietnamkriegsfotos von Nick Ut. Für den FAZ-Digital-Chef Mathias Müller-Blumencron ist das „der Sündenfall von Facebook“.

Aktuell verlangt der DJV, „mit Blick auf künftige Kooperationen zwischen Medien und Facebook“, dass klar sein müsse, „dass die Löschung des Vietnamkriegsfotos ein einmaliger Ausrutscher war“.
Via Twitter schreibt Müller-Blumencron, dass, wenn die Entscheidung von Facebook bestehen bleibe, der Gesetzgeber eingreifen müsse. Es gehe nicht an, „dass wir uns nach Moralvorgaben aus dem Silicon Valley richten müssen“.

Auch der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall kritisiert den US-Konzern: „Man muss von Facebook so viel Medienkompetenz erwarten dürfen, dass eine Unterscheidung zwischen einem zeitgeschichtlichen Dokument und Kinderpornografie vorgenommen wird“, sagte er. Das gelte vor allem dann, wenn das Bildmaterial auf der Facebook-Seite einer renommierten Tageszeitung steht. „Welche Inhalte eine Zeitung veröffentlicht, muss die Entscheidung der Redaktion bleiben.“ Alles andere sei ein Eingriff in die Pressefreiheit.

Am 8. Juni 1972 flüchteten die Bewohner des vietnamesischen Dorfs Trang Bang nach einem Napalm-Angriff. Das Mädchen Kim Phuc in der Bildmitte hatte sich die brennenden Kleider vom Leib gerissen. Die Aufnahme von Nick Ut wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und zum Pressefoto des Jahres 1972 gewählt.

Am 8. Juni 1972 flüchteten die Bewohner des vietnamesischen Dorfs Trang Bang nach einem Napalm-Angriff. Das Mädchen Kim Phuc in der Bildmitte hatte sich die brennenden Kleider vom Leib gerissen. Die Aufnahme von Nick Ut wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und zum Pressefoto des Jahres 1972 gewählt.

Die E-Mail kam am Mittwochmorgen: „Aftenposten“, die größte norwegische Tageszeitung, solle ein Bild aus ihrem Facebook-Auftritt löschen oder es verpixeln, hieß es aus dem Hamburger Büro des größten sozialen Netzwerks der Welt. Nacktheit sei nicht erlaubt bei Facebook, und wenn diese Vorgabe gelegentlich Kunstprojekte oder Kampagnen beeinträchtige, die einer guten Sache dienten, entschuldige man sich für die Unannehmlichkeit.
Was „Aftenposten“ allerdings veröffentlicht hatte, war weder ein Kunstprojekt noch Teil einer Kampagne. Es war auch kein digital bearbeitetes Bild, das in erzieherischer, humoristischer oder satirischer Absicht veröffentlicht wurde – auch in solchen Fällen behält sich Facebook vor, Ausnahmen zu gestatten. Es ist eine der wichtigsten Kriegsfotografien der Welt: Nick Uts Aufnahme fliehender Kinder vor den Napalm-Bomben in Vietnam aus dem Jahr 1972, in der Mitte ein neun Jahre altes Mädchen, schreiend, nackt.
Der norwegische Autor Tom Egeland hatte es ein paar Wochen zuvor als eines von sieben Bildern auf Facebook beschrieben und veröffentlicht, die das Bild vom Krieg verändert haben. Facebook entfernte das Bild umgehend, und als nicht nur der Schriftsteller, sondern auch Kim Phuc selbst, vor 44 Jahren als Neunjährige im Zentrum des berühmten Fotos, den Eingriff Facebooks kritisierte, wurde Egeland gesperrt. „Aftenposten“ berichtete darüber, veröffentlichte das Bild abermals, und wurde wieder von Facebook zensiert.
Keine vierundzwanzig Stunden nach Absenden der E-Mail sei das Bild gelöscht worden, schreibt der Chefredakteur Espen Egil Hansen in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg, er habe nicht einmal Zeit gehabt für eine Stellungnahme.

Der Dummheit Vorschub leisten

Die Zeit, die hat sich jetzt Chefredakteur Espen Egil Hansen genommen für seinen Brief an Mark Zuckerberg, der mehr ist als die Protestnote eines Journalisten, der sich gegen vermeintliche Unannehmlichkeiten wehrt. Es ist eine erhellende Analyse der Macht, die Zuckerbergs Medienimperium inzwischen besitzt, der unerträglichen Oberflächlichkeit, mit der Facebook Stellung bezieht, und der Gefahr, die vom sturen Durchsetzen seiner weltweit geltenden Regeln ausgeht.

Mit Hilfe dieses offenen Briefes protestierte der Chefredakteur der Zeitung, Espen Egil Hansen an Mark Zuckerberg. Darin schreibt er unter anderem:

„Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit.“

„Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit.“

Hör zu Mark, das ist ernst. Erstens stellst Du keine Regeln auf, die zwischen Kinderpornografie und berühmten Kriegsfotos unterscheiden. Dann setzt Du Regeln um, ohne Raum für eine gute Beurteilung zu lassen. Anschließend zensierst Du sogar die Kritik und eine Diskussion über diese Entscheidung– und Du bestrafst die Person, die es sich anmaßt Kritik zu äußern“. Und weiter: „Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen“,
zitiert Hansen (hier oben) und aus dem berühmten Vorwort von Orwells „Farm der Tiere“.

Medien hätten die schwerwiegende Verantwortung, in jedem einzelnen Fall abzuwägen, was veröffentlicht werden müsse – ein Recht nicht nur, sondern auch die Pflicht, das nicht durch Facebooks Algorithmen unterlaufen werden dürfe. Die ganze Angelegenheit hat nun zu guter Letzt zur Folge, dass eine neuerliche Debatte über die Position von Facebook angestoßen. Schaun wir mal, was draus wird …

 

Sep. 2016 | Allgemein, Junge Rundschau, Sapere aude | Kommentieren