Der konfessionell gebundene christliche Religionsunterricht hat Verfassungsrang als ordentliches Schulfach und wird auch entsprechend staatlich finanziert – schließlich ist es ja ein staatlicher Unterricht, auch wenn die Kirchen inhaltlich bestimmen, was im Sinn und Auftrag der Kirche dort unterrichtet wird: . Jährlich 1,4 Milliarden € lässt sich das der Staat kosten.
Die meisten Eltern in Deutschland verstehen ihre Aufgaben in der Kinderziehung inzwischen als demokratisch, versuchen Kinderrechte zu achten und ihre Kleinen zu später sich pragmatisch orientierenden Staatsbürgern zu erziehen. Religiöse Eltern zwingen ihre Töchter und Söhne meistens nicht mehr, am Sonntag mit in die Kirche zu gehen. Wo lernen also die Kinder noch das religiöse Einmaleins des Tischgebets, der Kirchenlieder, das Ausmalen der Kinderbibeln mit bunten Farben und das Sprechen über Gott? Im christlichen Kindergarten. Kostenpunkt: 3,9 Milliarden €. Aus der staatlichen Steuerkasse.

Aber die Kirchen tun doch soviel Gutes!

Das sei mal so dahingestellt, denn das tun andere sehr wohl auch, aber das „soviel“ drückt sich dann eher darin aus, dass Caritas und Diakonisches Werk auch „viel“ kosten, rund 45 Milliarden €, wovon die Kirchen nur zwei Prozent beisteuern. Alles andere zahlen die Krankenkassen, die Sozialversicherungsträger, die Kranken selber mit ihren Eigenbeiträgen und der Staat mit Investitionen Aber dafür, dass sie sowenig selber finanzieren, dürfen die Kirchen bei Caritas und Diakonie exklusiv bestimmen, welche kircheneigenen Loyalitätsrichtlinien die Grundrechte der MitarbeiterInnen verletzen.

„Wer bezahlt, bestimmt auch was gespielt wird!“ Nein, Gott bewahre. Da man das alles als Dienst an der Gesellschaft sieht, muss die das auch bezahlen. Und im Übrigen hätten ja auch alle die gleiche Rechte und würden, wenn man sich so wie die Kirchen organisiert, genauso finanziert werden. Vor 5 Jahren bereits konnten Sie in der NEUEN RUNDSCHAU  zum Thema und unter folgendem Titel lesen:
„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist …“ – mit einem Zitat Joseph Ratzingers zur Glaubensfreiheit, das ihm Jesus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Ohren geschlagen haben würde …

Aber, wenn man sich nicht „verkirchlichen“ will oder kann?

Dann ist das die eigene Verantwortung und freie Entscheidung, das nicht zu tun – sagen die Vertreter der Kirchen.
Ist das nicht ein Etikettenschwindel, wenn Kirche drauf steht und auch inhaltlich praktiziert, aber nicht von der Kirche finanziert wird? Nein, das ist Gewohnheitsrecht. Und diese Denkweise treibt Blüten, wo man sie nicht vermuten würde:

Misereor, das „Bischöfliche Hilfswerk“, steht mit „Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen“, leider aber so gut wie garnicht mit eigenem Geld. Mehr als sechzig Prozent der Gelder (101,2 Mio. €) kommen vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und der EU, weiteres sind Spenden und nur fünf Prozent (8,8 Mio. €) sind kirchliche Gelder. Es steht aber trotzdem „Bischof“ drauf und der Unbedarfte kann sich auch darauf verlassen, dass auch Kirche „drin“ ist, nur eben kaum ihr Geld.

Aber die Kirchengebäude, diese wunderbaren Zeugnisse abendländischer Kultur, die werden doch von den Kirchen selber erhalten! Gelegentlich, aber nicht nur die großen Domkirchen in Bayern bezahlt der Staat. 1.100 Kirchengebäude (darunter 533 bewohnte Pfarrhäuser) in Baden-Württemberg, 1.909 Kirchengebäude in Bayern (darunter 649 Kirchen und 648 Pfarrhöfe) und 1.200 Kirchen und Pfarrhäuser in Hessen – für alle zahlt der Staat die „Baulast“.

Was genau aber ist mit der Kirchensteuer selber?

Es ist schon beinahe peinlich, aber auch die wird vom Staat als steuerlich absetzbare Sonderausgabe mit 3 Mrd. € begünstigt und die preiswerte Einziehung der vermeintlichen Mitgliedsbeiträge durch Arbeitgeber und Staat erspart den Kirchen noch einmal 2 Mrd. € pro Jahr.
Und dass man über die Lohnsteuerkarte seinem Arbeitgeber seine Religionszughörigkeit preisgeben muss? Ja, wie soll denn das staatliche Inkasso über die Arbeitgeber sonst funktionieren? Das sind doch Nebensächlichkeiten.

Oder?

Wenn Sie zu diesen und weiteren Themen Zahlen und Hintergrundinformationen bekommen wollen, dann sind Sie hier richtig.
Zur Bestärkung des weltanschaulichen Pluralismus und der Errungenschaften der Aufklärung sowie der Chancengleichheit in Deutschland referiert dieses Buch die Finanzierung der Kirchen durch den Staat mit allgemeinen Steuergeldern. Diese Tatsache steht auch in Widerspruch zum Gleichheitssatz des Art. 3 GG, nach dem keine Person oder Personengruppe aufgrund des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

Der Text nennt die Zahlen und die Allianzen zwischen Kirchen und Staat, die – in der Einheit von „Thron und Altar“ – vor hundert Jahren vielleicht noch zeitgemäß waren, aber nicht mehr im heutigen demokratischen Deutschland. Der demokratische Rechtsstaat braucht keinerlei religiöse Begründung. Der Grundsatz der Alimentierung des Klerus gegen Legitimation der Monarchie ist historisch überholt.

Wasser predigen und Wein trinken – „Nehmen ist seliger denn geben“

Die staatliche Finanzierung der Kirchen ist zwar allgegenwärtig, aber dennoch kaum bekannt. Die stattliche Summe von mehr als 9 Mrd. € Kirchensteuern als Einnahme im Jahr 2009 erscheint Vielen zu Recht als hinreichendes Kapital, um daraus die Kirche selber und ihre Aufgaben zu finanzieren. Aufgaben, die die Kirche aus ihrem eigenen Selbstverständnis heraus für sich beansprucht.
In einer bürgerlichen Mittelstandsgesellschaft, in der es zum gelebten Selbstverständnis gehört, dass man für seine eigenen Sachen auch finanziell „gerade steht“, kommt es Vielen gar nicht in den Sinn, dass die beiden Kirchen, die sich beständig als die einzigen Vermittler von Werten darstellen, anders handeln könnten. Stattdessen vereinnahmen sie jedoch erhebliche Steuergelder und handeln nach dem Prinzip: „Nehmen ist seliger denn geben“.

Das Buch ist ein Sachbuch

Dennoch  – was Wunder – verhehlt der Autor seinen Ärger manches Mal etwa dann nicht, wenn die Kirchen den Widerspruch zwischen ihrem moralischen Anspruch der Selbstlosigkeit und der finanziellen Realität spielend ausblenden und viele Menschen sich davon blenden lassen. Doch wie sollten sie es besser wissen, wenn die Kirchen darüber schweigen? Wie bereits gesagt: Die Kirche steht „mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen“, aber leider nur kaum mit dem eigenen Geld.

Das ist nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wer als „Wertevermittler“ auftritt, sollte auch immer klar sagen, woher das Geld zur Finanzierung kommt, sonst könnte das sehr schnell als Unredlichkeit bewertet werden.

Die Buch ist ein „Violettbuch“, da es weder ein Schwarzbuch noch ein Weißbuch ist, sondern ein realistischeres Bild der Kirchen zeichnet. Der Zufall, dass Violett in der Kirche auch die liturgische Farbe der Buße und des Fastens ist, muss dabei durchaus als sinnvoll betrachtet werden dürfen.

Carsten Frerk
Violettbuch Kirchenfinanzen – Wie der Staat die Kirchen finanziert – 270 Seiten, kartoniert, Euro 16.-
ISBN 978-3-86569-039-5
Alibri Verlag: Internet: verlag@alibri.de
eMail: verlag@alibri.de

Aus dem Inhalt

Kirchensteuer als Sonderausgabe * Kirchensteuer als Annexsteuer * Staatlicher Einzug der Kirchensteuern * Besonderes Kirchgeld * Abgeltungssteuer * Pauschalsteuer und Pauschsteuer * Staatsleistungen * Kirchenbaulasten * Staatlicher Verzicht auf Einnahmen * Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses * Kindertageseinrichtungen * Religionsunterricht * Schulen in kirchlicher Trägerschaft * Familie und Jugend * Erwachsenenbildung / Kulturelle Betreuung * Militärseelsorge * Auslandsarbeit der Kirchen * Denkmalpflege * Bauzuschüsse * Kommunale Zahlungen * Kirchentage

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Sep. 2016 | Allgemein, Buchempfehlungen, In vino veritas, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren