Lieber Tenno, die Sommerferien sind fast überall vorbei, aber DiEM25 war auch während der heißen Tage nicht inaktiv. Ganz im Gegenteil … „Mitten im Winter erfuhr ich endlich, sagte Albert Camus einmal, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer ist. Und das macht mich glücklich. Denn es bedeutet, ganz egal wie hart sich die Welt gegen mich wendet oder in mir tobt, dass es etwas Stärkeres gibt – etwas Besseres, das dagegen drängt.“
Neben dem Aufbau eines Netzwerks von “Rebel Cities” (Rebellenstädten) von Barcelona bis Neapel, hat sich offenbar spontan auch ein DiEM25 Netzwerk von “Rebel Islands” (Rebelleninseln) von Aegina (Griechenland) bis Vis (Kroatien) gebildet. Diese Inseln sind schon in den düsteren Zeiten der 1930er Jahre Orte und Symbole des Widerstands gewesen.
Dank dem DSC (DiEM25 Spontaneous Collective) in Aegina, das sich erstmalig am 4. Mai traf und mehr als 50 Mitglieder bei seinen regelmäßigen Treffen hat, erlebte DiEM25 eine traumhafte abendliche Diskussion mit Botschaften aus Frankreich, Deutschland Italien, Spanien und Kroatien.
Neben mir zählten zu dem Sprechern Judith Meyer, Sandro Mezzadra, Cristina Soler-Savini, Luis Martín, Lorenzo Marsili und viele andere.
Ich erklärte, warum wir uns in Griechenland treffen mit den Worten: „Griechenland erstickt innerhalb eines Europas, das zerfällt. Und Griechenland wird weiterhin ersticken, so lange Europa zerfällt. Und Europa wird weiterhin zerfallen, so lange Länder wie Griechenland erstickt werden.“
Judith Meyer, obgleich Deutsche, erklärte in fließendem Griechisch die Gründe weshalb sie DiEM25 beigetreten ist. Vor ihrem Beitritt im Februar 2016, verfolgte Judith die Situation in Griechenland genau und versuchte die öffentliche Wahrnehmung Griechenlands in den deutschen Medien zu analysieren und zu verändern. Nach dem Referendum im Juli vergangenen Jahres, erklärte sie, ihr „europäischer Traum sei beschädigt worden“.
Ich kannte sie nicht, also erwartete sie keine Antwort von mir. Aber sie erhielt eine: „Danke, Judith. Wir müssen pro-europäisch bleiben und aktiv jene kritisieren, die Europa an sich gerissen haben.“
Der Rest ist Geschichte. Nur wenige Monate später wurde DiEM25 in der Berliner Volksbühne gegründet, wo Judith, ich und viele andere die Arbeit für eine echte Alternative zum zerfallenden Europa von heute aufnahmen.
Luis Martín überbrachte anschließend zwei Botschaften aus Spanien: „Herzliche Grüße von den DiEM25 Mitgliedern aus Spanien – von den Menschen, die wie ihr, unserem Unterfangen beigetreten sind. Ich möchte euch auch unsere Dankbarkeit für euren Mut übermitteln; denn es braucht Mut vorzutreten und mitzumachen. Euer Mut inspiriert uns alle.“
Martín unterstrich, wie sich DiEM25 Mitglieder in ganz Spanien zusammenschließen und sich aktiv an der Gründung von DSCs von Küste zu Küste beteiligen, von seiner Heimatregion auf der Insel Gran Canaria bis Madrid und Galizien. „Sie finden selbsttätig und spontan zusammen“ sagte er. „In manchen Städten, wie Barcelona, werden sie durch enge Unterstützer von DiEM25 angespornt, wie Ada Colau’s En Comú Podemos, eine der Rebellenstädte, die die städtischen Demokratisierungskräfte anführen.“
Martín, Politikwissenschaftler und Journalist, trat DiEM25 während der Gründungstage in Berlin vergangenen Februar bei und arbeitet derzeit an der Kommunikation und Organisation der Bewegung.
DiEM25s französische DSCs war ebenfalls in Aegina vor Ort, vertreten durch Cristina Soler-Savini. Sie zog alarmierende Rückschlüsse aus der aktuellen Situation in Europa, nämlich dass Griechenland nur die erste Station der Austeritätsexperimente der Troika ist und dass auch Frankreich schon bald ins Visier genommen wird. Und sie ergänzte „Frankreichs Regierung führt ihre Aufgaben mit roher Gewalt durch, Holland hat den „Pessimismus des Willens“ erfunden“.
Sie hat aber auch einen Hoffnungsschimmer. Christina erwähnt die Neuerungen bei den Bewegungen gegen die Arbeitsmarktreformen und gegen die französische Regierung. „Nuit Debout“ bringt das Konzept der „Agora“ des antiken Griechenland nach Frankreich, sagt sie und fügt hinzu: „Die traditionellen Formen der Protestbewegung werden durch die direkte Kommunikation zwischen den Bürgern in unzähligen Agorae und durch soziale Medien unterstützt.“ Für sie muss DiEM25 die Plattform sein, die vereint und nie aufgibt: „Wir werden den Kampf gewinnen“, sagte sie, „weil wir den „Optimismus des Willens“ verkörpern.“
Sandro Mezzadra, Philosoph und Politologe aus Italien, sagte, es sei entscheidend die Bewegungen gegen Austerität in Europa seit 2010-2011 (von Griechenland bis Spanien) nicht als „Fehlschlag“ zu bezeichnen: „Sie haben Solidarität und Veränderung im alltäglichen Leben gebracht; sie haben die politische Agenda in Europa verändert“, so Sandro.
„Trotzdem“, fuhr er fort, „waren sie nicht in der Lage, auf der allgemeinen politischen Ebene zu gewinnen.“ Dies liege daran, dass diese Bewegungen innerhalb der Grenzen der Nationalstaaten beschränkt waren und sich nicht vernetzen konnten. „Es ist nicht möglich, politisch zu gewinnen, einen radikalen Wandel im Sinne von Freiheit und Gleichheit in Europa innerhalb dieser Grenzen herbeizuführen. Es ist diese Frage, die wir in Angriff nehmen müssen – die wichtigste politische Frage in dieser Zeit, in diesem Teil der Welt. Deshalb wurde DiEM25 als transnationale und paneuropäischen Bewegung gegründet.“ Und er fügte hinzu: „Die Aufgabe mit der wir konfrontiert sind, ist nicht einfach. In gewisser Weise ist sie beispiellos. Was wir brauchen, ist eine radikale politische Erfindung. DiEM25 ist ein Versuch diese Erfindung zu ermöglichen. Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten; „Business as usual“ funktioniert nicht mehr.“
Dieser Sommer wird zu einem Neuanfang, mit vielen weiteren bevorstehenden DiEM25 Aktionen überall in Europa. Nach der Veranstaltung auf Aegina hat DiEM25 den Blick auf eine andere Insel gerichtet und an der Green Academy in Vis, Kroatien teilgenommen, um die Verbindung mit unseren Freunden zu stärken und über Klimawandel, Postwachstum und die Notwendigkeit eines neuen Internationalismus zu diskutieren.
Einer der Sprecher bei der Green Academy, Lorenzo Marsili, Mitbegründer von European Alternatives und einer der Initiatoren von DiEM25, kam zum Schluss, dass man über „die Widerstandsfähigkeit des Oktopus“ sprechen kann, „Letztes Jahr in Griechenland haben sie uns ein Bein abgeschnitten. Heute ist es stärker wieder angewachsen, mit DiEM25.“
Europas Zerfall hat sich in diesem Jahr weiter beschleunigt, aber, so wie Albert Camus den „unbesiegbaren Sommer“ beschreibt: es gibt etwas Stärkeres, etwas Besseres, das dagegen drängt!
Dieses Etwas ist die Bewegung: Demokratie in Europa!
Carpe DiEM25!
Tenno, bleib stark