Ehemaliger Bahnwasserturm

Ehemaliger Bahnwasserturm in Heidelbergs „Bahnstadt“

Alle zwei Jahre loben der Schwäbische Heimatbund und der Landesverein Badische Heimat den von der Wüstenrot Stiftung finanzierten Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg aus. Schirmherr des Preises ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Vergeben werden fünf gleiche Preise an private Bauherren, die im Rahmen von Gesamtsanierungen historischer Bauten denkmalpflegerisch besonders vorbildlich mit ihrem Eigentum umgegangen sind.

Die Jury aus Vertretern des Schwäbischen Heimatbundes, der Badischen Heimat, der Wüstenrot Stiftung, der Landesdenkmalpflege, des Städtetags und der Architektenkammer Baden-Württemberg kürte aus nicht weniger als 86 Bewerbungen schließlich ein bis ins Mittelalter zurückgehendes Stadthaus in Konstanz, einen Schwarzwaldhof in Schönwald, das Uhland-Haus in Tübingen, den ehemaligen Bahnwasserturm in Heidelberg und eine Tankstelle in Tettnang aus dem Jahr 1950. Wieder einmal zeigte sich, wie vielfältig die Denkmallandschaft im Südwesten in typologischer Hinsicht ist, dass aber auch immer mehr Sanierungen von Bauten der jüngeren Vergangenheit ins Blickfeld geraten.

„Kulturdenkmale sind eben nicht nur spektakuläre Gebäude, wie Burgen und Schlösser, Kirchen und Klöster oder die heute touristisch in den Fokus gerückten Welterbestätten, sondern auch eine Vielzahl ebenso wichtiger Zeugnisse alltäglicher Architektur aus vielen Jahrhunderten, die unsere gebaute Umwelt in ihrer Geschichtlichkeit erlebbar machen“, so der Juryvorsitzende Dr. Gerhard Kabierske vom Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau am Karlsruher Institut für Technologie. Beim gesellschaftlichen Auftrag zur Erhaltung der Kulturdenkmale für künftige Generationen sind die Denkmaleigentümer in starkem Maße in die Pflicht genommen. Nicht jeder von ihnen nimmt seine im Grundgesetz verankerte Aufgabe wirklich ernst. Umso wichtiger ist es, dass beispielhaftes privates Engagement auch öffentlich gewürdigt wird.

Als Zeichen der Anerkennung erhalten die Bauherren einen Geldpreis von 5.000 Euro sowie eine Bronzeplakette zur Anbringung an ihrem Gebäude. Zudem ist die Auszeichnung mit Urkunden für die Eigentümer sowie die beteiligten Architekten und Restauratoren verbunden. Die Preise werden im Rahmen einer Festveranstaltung im Frühjahr 2017 am Ort eines der Preisträger überreicht.

Informationen zu den ausgezeichneten Objekten sowie zu allen bisherigen Preisträgern des seit 1978 vergebenen Denkmalschutzpreises finden sich im Internet unter www.de….

Ehemaliger Bahnwasserturm in Heidelberg

Bei einem Besuch der Architekturbiennale in Venedig fiel bei Armin Schäfer, Stephan Weber und Stefan Loebner der Entschluss, nach zehn Jahren erfolgreicher Tätigkeit endlich eigene Räume für ihr Architekturbüro Aag in Heidelberg zu suchen. Schnell geriet als mögliches Domizil der ehemalige Wasserturm am Rand des früheren Bahngeländes im Westen der Stadt in den Blick. Derzeit entsteht dort mit der „Bahnstadt“ ein neues Stadtquartier. Der raue Charme, aber auch die monumentale Geste des 30 Meter hohen Turmes, hinter dessen unkelroter Klinkerfassade eine eindrucksvolle Betonkonstruktion mit großem Wasserbehälter steckt, begeisterte die Architekten. Der Funktionsbau mit architektonischem Anspruch war in den 1920er-Jahren durch die Reichsbahndirektion zur Wasserversorgung der dampfbetriebenen Lokomotiven errichtet worden. Die beiden seitlich anschließenden Flügel beherbergten Werkstätten und Sozialräume.

ehem._wassertank2014 erwarb das Büro den lange Jahre leerstehenden und heruntergekommenen Bau, der bereits 1989 als Kulturdenkmal eingestuft worden war. Da das Raumangebot die erforderliche Fläche überstieg, entwickelten die Architekten ein Konzept, das dem dominierenden Gebäude unter dem Namen „Tankturm“ auch eine teilweise öffentliche Nutzung sichert und es zu einem Mittelpunkt des neuen Stadtteils macht. Auf zwei Etagen des Ostflügels, im ausgebauten Dach darüber sowie in den unteren Geschossen des Turms hat nun das Architekturbüro seinen Platz gefunden, während im Westflügel, in den Kellerräumen und in den Turmobergeschossen Veranstaltungsräume für geschäftliche und kulturelle Nutzungen angeboten werden. Als Mieter hat hier etwa der Heidelberger Verein für zeitgenössische Musik „Klangforum“ seine temporären Proberäume gefunden.

Die historische Bausubstanz wurde weitestgehend erhalten und vorsichtig repariert. Dies betrifft die originalen dunkelgrau gestrichenen Holzfenster mit ihren für die 1920er-Jahre typischen querrechteckigen Teilungen ebenso wie die in den Bahnwerkstätten eigens hergestellten groben Beschläge, die alten Installationen des Wasserturms oder die Betonoberflächen der Treppe im Turm sowie vor allem das Innere des ehemaligen Wassertanks, das mit seinen Kalk- und Rostablagerungen geradezu Kunstwerk-Charakter besitzt.

 Es waren jedoch auch Eingriffe in das Gebäude notwendig. Die Büros und Veranstaltungsräume in den Flügelbauten erhielten eine isolierende Innenschale, die sich optisch geglückt als eine spätere Zutat zu erkennen gibt. Bild: Im Westflügel stehen vier Tagungsräume auf zwei Etagen zur Verfügung: Die Räumlichkeiten zwischen zehn und 100 Quadratmetern sind ideale Orte für Konferenzen, Meetings, Workshops und Vorträge im kleinen oder größeren Kreis. In den Eventräumen über drei Etagen im Turm ist Platz für Formate wie Brainstorming und Kamingespräch, Business-Events und Get-Together, festliche Tafeln, Hochzeiten, Bankette, stimmungsvolle Feste und Konzerte.

Die Belichtung der ausgebauten Walmdächer erfolgt durch einen umlaufenden Lichtschlitz, der unter Erhaltung des originalen Dachstuhls durch den geschickten Wechsel der Dämmung zwischen innen und außen möglich wurde. Im Turm mussten eine für die neue Funktion erforderliche neue Treppe und ein Aufzug eingebaut werden. In ihrer Gestaltung sind diese Teile aus rostendem Stahl deutlich als nachträgliche Zutaten zu erkennen. Dies gilt auch für die beiden am Turm von der Feuerwehr geforderten Außenbalkone zum Anleitern im Brandfall sowie die Feuertreppe auf der Ostseite.

Alle diese Maßnahmen wurden mit den Denkmalbehörden abgestimmt und erfolgten auch nach Meinung der Jury mit Augenmaß und einer dem Bau angemessenen Weise. Die nicht alltägliche Umnutzung des Kulturdenkmals hat es in seinem historischen und architektonischen Aussagewert nicht geschmälert.

Aug. 2016 | Heidelberg, Allgemein | Kommentieren