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Die neuste Erdogan Karikatur – Satire oder eher satyrische Beleidigung?

201608-Erdogan-Krakauer [1] Die aktuelle Ausgabe des Satiremagazins „Titanic“ ziert eine höchst provokative Karikatur des türkischen Staatsoberhauptes Recep Tayyip Erdogan. Darauf zu sehen ist Erdogan mit einer Bratwurst am Hosenschlitz, die Karikatur ist betitelt mit den Worten „Erdogan im Streß – Jetzt putscht auch noch sein Penis!“. Ist das noch Satire oder bereits Beleidigung? Muss das Magazin jetzt – wie im Fall Böhmermann – mit einer Klage rechnen? Der Rechtsexperte Markus Mingers weiß die Karikatur rechtlich einzuordnen.

Wikipedia dazu: „Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typisches Stilmittel der Satire ist die Übertreibung. In der älteren Bedeutung des Begriffs war Satire lediglich eine Spottdichtung, die Zustände in sprachlich überspitzter und verspottender Form thematisiert. Historische Bezeichnungen sind auch SpottschriftStachelschrift und Pasquill [2] (gegen Personen gerichtete satirische Schmähschrift)“.

Scherz, Ironie oder tiefere Bedeutung – das ist hier die Frage! 

Noch hält sich die türkische Regierung bedeckt. Doch sollte Erdogan erneut ein Klageverfahren anstrengen, wird es für die zuständige Staatsanwaltschaft entscheidend auf eine Frage ankommen: Hat das Magazin „Titanic“ den Tatbestand der Beleidigung erfüllt oder noch den Rahmen der Satire gewahrt? „Grundlage bildet im Zusammenhang mit einer Beleidigung grundsätzlich der Paragraph 185 StGB. Hierauf kann sich jeder berufen, der sich durch entsprechend herabsetzende Äußerungen in seiner Ehre verletzt fühlt“, erklärt Markus Mingers. Ferner kann auch der Paragraph 103 StGB herangezogen werden, der den Tatbestand der Beleidigung eines Staatsoberhaupts statuiert und nur nach Ermächtigung der Bundesregierung geprüft wird. Doch wo hört Satire auf und ab wann wird die menschliche Ehre verletzt?

Satire kennt Grenzen 

Satyros [3]Satire ist eine Kunstform, die generell mit „Übertreibungen“ und dem „Spott an Personen“ arbeitet. Allerdings sind Äußerungen unzulässig, die einen Menschen lediglich verächtlich machen sollen. Steht also in erster Linie die Diffamierung der Person im Vordergrund und eben nicht mehr die reine Auseinandersetzung mit einer Sache, handelt es sich um Beleidigung, nicht mehr um Satire. „Die Menschenwürde bildet die absolute Grenze. Wer in den Kern der menschlichen Ehre eingreift, ist auch von der Freiheit der Kunst nicht mehr gedeckt“, betont Mingers. Im Endeffekt entscheide jedoch immer der Einzelfall. „Die im Fall der Erdogan Karikatur sexuelle Darstellung in Verbindung mit der Überschrift gleicht doch sehr Präzedenzfällen aus der Vergangenheit, in denen eine Beleidigung bejaht worden ist“, weiß der Rechtsexperte. Denn die „Bratwurst-Karikatur“ erinnert den einen oder anderen Leser vielleicht an die Darstellungen des damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß als „sich sexuell betätigendes Schwein“ in der Zeitschrift „konkret“. Hier hatte das Bundesverfassungsgericht schließlich eine Überschreitung der Grenze anhand der Menschenwürde festgestellt. Eine andere Beurteilung sei laut Mingers im aktuellen Fall wohl kaum möglich. Mit rechtlichen Konsequenzen rechnet das Magazin offenbar bereits selbst, wenn es gewohnt satirisch anmerkt, man solle jetzt noch schnell abonnieren, bevor Kanzlerin „Tayyip Merkel“ die „Titanic“ verbieten ließe. Der Fall wird also weiter für Schlagzeilen und hitzige Diskussionen sorgen.