?logischIst Abschreckung der richtige Umgang mit Moskau?

Auf dem Nato-Gipfel in Warschau steht der Umgang mit Russland im Fokus. Polen und die baltischen Staaten fürchten russische Aggressionen, das Verteidigungsbündnis will 4.000 Soldaten dorthin verlegen. Endlich bietet die Nato Moskau die Stirn, meinen einige Kommentatoren. Andere warnen davor, Moskau schon wieder zu provozieren.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Putin spielt ein wirksames Spiel

Putins Strategie gegenüber dem Westen – ob in Syrien oder der Ukraine – geht immer wieder auf, analysiert die Süddeutsche Zeitung:

„Washington zieht rote Linien, Assad überschreitet sie – und eine neue Verhandlungsrunde mit Moskau beginnt. Schlimmer als nachzugeben ist nur Konsequenzen androhen und dann nichts tun. … In der Ukraine hat Putin mit dem gleichen Vorgehen Erfolg: Eins ums andere Mal verletzt die von Moskau unterstützte Kriegspartei die Vereinbarungen für Waffenruhen und Abzug. Doch auf Moskau fällt kein Schatten, es hat ja angeblich nur bedingt Einfluss auf die Kriegspartei. Und eins ums andere Mal macht der Westen neue Angebote, versucht zu locken und goldene Brücken zu bauen. Putin kann als Vermittler und Terrorbekämpfer dastehen – kein Frieden ohne Russland – und gleichzeitig von dem Druck profitieren, den die Attacken der verbündeten Kriegspartei entfalten. Belohnt wird das mit immer neuen Angeboten zur Zusammenarbeit. Wer würde ein so wirksames Spiel ohne Not aufgeben?“

Julian Hans    Zum Originalartikel

SUPER EXPRESS (PL)

Polen muss jetzt die Maximalforderung stellen

Polen wurde in seiner Geschichte oft von seinen Verbündeten verraten, erinnert das Boulevardblatt Super Express:

„Daraus sollten wir auch heute unsere Lehren ziehen, die für viele von uns zwar ganz klar sind und trotzdem für manche in Polen eine Art Häresie darstellen: Niemand wird uns nur dafür retten, weil wir etwa so schöne Augen haben – und sogar dann nicht, wenn er mit uns 100 Verträge unterzeichnet hat. Das ist brutal, aber leider die Wahrheit. Sie werden uns nur dann retten, wenn es auch in ihrem Interesse liegt. Deshalb müssen wir so viele Nato-Soldaten wie nur möglich für die Regionen einfordern, die besonders bedroht sind. … Und uns stehen noch schwerere Zeiten bevor. Denn sollte in den USA [mit Trump] ein Politiker gewinnen, der darüber klagt, dass für die Verteidigung der Europäer die Amerikaner bezahlen müssen, dann wird es dafür kein Geld mehr geben. Und dann werden sie sich nur noch auf sich selbst konzentrieren.“

Łukasz Warzecha    Zum Originalartikel


DIE PRESSE (AT)

Bündnis wird Kompromiss finden

Russland mit allen Mitteln in die Schranken weisen oder Moskau entgegenkommen? Die Nato wird einen Kompromiss finden, prophezeit Die Presse:

„Die Beschlüsse, die die Nato bei ihrem jetzigen Gipfel in Warschau machen wird, sind ein Kompromiss zwischen den erwähnten Extremen. Man eröffnet ein paar Stützpunkte, lässt 4.000 Soldaten aus anderen Nato-Staaten im Baltikum und in Polen rotieren, lagert militärisches Großgerät. Das alles würde einen russischen Angriff nicht aufhalten – sendet aber das Signal an die Russen: Die Nato steht zusammen, ein Überfall etwa auf Estland ist ein Überfall auf das ganze Bündnis, wagt es ja nicht!“
Burkhard Bischof    Zum Originalartikel


POLITIKEN (DK)

Einer für alle, alle für einen

Viel wichtiger als die Stationierung weiterer Soldaten an der Ostflanke der Nato ist für Politiken ein Schwur, den die Mitglieder ähnlich der drei Musketiere ablegen sollten:

„Aggressionen zu befeuern, ist eine leichte Sache. Viel schwieriger wird es, wenn es darum geht, davon auf friedliche Art und Weise wieder herunterzukommen. Deshalb kann eine Aufrüstung, die nach einer Hilfe für Polen und die baltischen Länder aussieht, diesen einen Bärendienst erweisen. Wir dürfen diese Länder niemals im Stich lassen, aber keine Versicherung ist wirkungsvoller, als der unverbrüchliche Musketier-Eid, der klar macht: der Angriff eines Nato-Landes ist ein Angriff auf alle. Wir stehen Schulter an Schulter. … Genau das müssen die Nato-Länder auf dem Gipfel unmissverständlich klarmachen, sowohl gegenüber den osteuropäischen Ländern, vor allem aber gegenüber Putin.“

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LE MONDE (FR)

Truppenentsendung muss Ausnahme bleiben

Statt auf Provokation sollte die Nato besser auf Beruhigung setzen, rät der Club des Vingt, ein Zusammenschluss ehemaliger französischer Außenpolitiker und Diplomaten in Le Monde:

„Zugegeben, Russland hat Fehler begangen. Wir gestehen sogar ein, dass das Land Angst bereitet. Ist es jedoch notwendig, auf die politische Gesten (Treffen in Warschau) und militärischen Gebärden (Stationierung von Kampftruppen in der Nähe des russischen Territoriums) zurückzugreifen, für die der Gipfel die Gelegenheit bietet? … Diejenigen, die uns in den Kalten Krieg zurück verfrachten, sind die ersten, die stets tönen, dass sie um keinen Preis dorthin zurückkehren wollen. Sie wären glaubwürdiger, würden sie sich bemühen, gleichzeitig Russland sowie die baltischen Länder und Polen zu beruhigen. Dazu müsste man nur zwei Dinge sagen: Erstens, dass die Entsendung von Truppen eine zeitlich begrenzte Ausnahme ist. Und zweitens, dass die Nato auf keinen Fall weitere Mitglieder aufnehmen wird.“

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MEHR MEINUNGEN

L’ECHO (BE)

Nato ist organisatorisch und strategisch obsolet (auf Französisch)

Juli 2016 | Allgemein, Politik | Kommentieren