Im Zuge des „festival contre le racisme“ organisiert die Amnesty International Hochschulgruppe Heidelberg am 8. Juni 2016 um 17:30 Uhr einen Smartmob auf dem Bismarckplatz. Ziel der Aktion ist es, ein Zeichen für eine bunt gemischte und tolerante Gesellschaft zu setzen. Dazu werden alle Teilnehmenden auf ein Signal hin bunte Hände aus Pappe sowie Plakate und Banner in die Luft
heben und einige Minuten lang stehen bleiben. Darüber hinaus wird ein Informationsstand der Hochschulgruppe über die Arbeit von Amnesty International aufklären. Spontanes Mitmachen ist erwünscht!
Smartmobs sind eine Form des Flashmobs mit politischer oder weltanschaulicher Botschaft.
Vom Flashmob zum Smartmob: Wie ernst muss man Spaßdemos nehmen?
Ein Frühsommerabend vor sieben Jahren, mitten in Manhattan, geschäftiges Treiben im New Yorker Kaufhaus Macy’s. Noch wissen die Besucher nicht, dass sie gerade der Geburtsstunde einer neuen Aktionsform beiwohnen und Zaungäste für ein zukünftiges Zeitgeistphänomen sein werden. In der Möbelabteilung sammeln sich mehr und mehr Leute, bis schließlich etwa hundert Menschen rund um einen Teppich stehen und den erstaunten Verkäufern eröffnen, dass sie alle gemeinsam in einem Lagerhaus am Stadtrand lebten, auf der Suche nach einem „Liebesteppich“ seien und jegliche Kaufentscheidungen nur im Kollektiv träfen. Sie hinterlassen ratlose Mitarbeiter und irritierte Kunden, nur um wenige Minuten später in der Lobby des luxuriösen Hyatt Hotels in tosenden, exakt 15 Sekunden währenden Applaus auszubrechen und im Anschluss als vermeintliche, mittlerweile 200-köpfige Touristengruppe in einem Schuhgeschäft für Verwirrung zu sorgen.
Trotz wilder Spekulationen und zahlreicher Interpretationsversuche blieben Sinn und Zweck erst einmal verborgen, nur der Urheber der ferngesteuerten Menschenmassen ließ sich ermitteln. Hinter diesem Treiben steckte Bill Wasik, der Chefredakteur des Harper’s Magazine. Der Journalist koordinierte die Aktion via SMS und sorgte für Begeisterung unter den Teilnehmenden. Das mediale Echo folgte auf dem Fuß, insbesondere die Internetcommunity reagierte enthusiastisch. Faszinierend sei das subversive Potential der Flashmobs, so die schnell gefundene Bezeichnung für die spontanen Massenversammlungen. Durch nonkonformistisches Verhalten mit kollektivem Nonsens aus dem Alltagstrott ausbrechen, selbstironisch und kreativ, spontan und gewitzt – das passte ganz wunderbar zum modernen Zeitgeist und dem Streben nach Individualität und Abgrenzung. Der Medientheoretiker Howard Rheingold erhob das Mob-Konzept sofort zur „sozialen Revolution“ und erklärte, dem „intelligenten Pöbel“ gehöre die Zukunft. Der prognostizierte Durchbruch ließ jedoch auf sich warten. Zwar wurde die Flashmob-Sau einmal durchs Dorf getrieben und beschäftigte Politik-Kommentatoren und Feuilletonisten – doch die Aufmerksamkeit blieb ein Strohfeuer. Das Interesse ließ bald nach, die Bewegung verebbte und drei Jahre später entlarvte der „Erfinder“ der Flashmobs bereits deren Entstehung als ein großes Missverständnis. Die dadaistisch anmutende Spaß-Horde in Manhattan sei eigentlich ein Experiment im Stile des Buches „Die Welle“ gewesen, das die Manipulierbarkeit von sozialen Gruppen thematisiert, erklärte Bill Wasik. Er habe zeigen wollen, wie konformistisch die ach so individuellen Hipster seien, die nur danach strebten, Teil des „next big thing“ zu werden. Wasik wollte den blinden Glauben an Ironie und Kreativität ironisieren und wurde dadurch unfreiwillig selbst zum Vorzeige-Trendsetter. Doch genauso wenig wie die erste Begeisterungswelle den Startschuss für „die“ neue Aktionsform schlechthin bildete, erwiesen sich auch die Abgesänge auf den Flashmob als verfrüht. Das vermeintliche Aussterben sollte nur ein Dornröschenschlaf bleiben.
Alsdann, treffen wir uns am 8. Juni um halb sechs auf dem „Bissi“
Euer „Junge Rundschau“ – Team