Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hat heute (3. Mai) die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs vorgestellt. Staatssekretärin im BMJV Dr. Stefanie Hubig: „Opfer von Sexualstraftaten sind oftmals schwer traumatisiert. Für sexuell misshandelte Kinder bedeutet dies meist, dass sie ein Leben lang unter dem Eindruck des Geschehenen stehen. Deshalb ist die Arbeit der Aufarbeitungskommission so elementar wichtig.
Die heute vorgestellte Kommission will Dimension und Ausmaß der fürchterlichen Taten an Kindern und Jugendlichen aufzeigen und mit Hilfe von Anhörungen von Betroffenen und weiteren Zeitzeugen untersuchen, wie sexueller Missbrauch besser verhindert und schneller aufgedeckt werden kann. Klar ist: Die Fehler der Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen.“
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die vom Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauch Johannes-Wilhelm Rörig am 26. Januar 2016 einberufen wurde, untersucht sämtliche Formen von sexuellem Kindesmissbrauch in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, insbesondere in der Familie und in Institutionen, aber beispielsweise auch im Kontext von organisierter sexueller Ausbeutung. Um Ausmaß, Art, Ursachen und Folgen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aufzuzeigen, steht im Zentrum der Kommissionsarbeit die Anhörung von Betroffenen. Außerdem sollen weitere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Wort kommen wie zum Beispiel Eltern und andere Verwandte, Lehrerinnen und Lehrer. Die Kommission wird zudem Forschungsthemen identifizieren und Eckpunkte einer gelingenden Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch modellhaft für Einrichtungen und Organisationen entwickeln. Der heute vorgestellten Kommission gehören unter dem Vorsitz der Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Andresen sechs weitere Mitglieder an. Ab heute sind Betroffene und Zeitzeugen eingeladen, sich kostenfrei und anonym bei der Kommission zu melden, um sich vertraulich über die Anhörungen zu informieren und/oder Interesse an einer Teilnahme zu bekunden (Tel. 0800 4030040, E-Mail und postalischer Kontakt unter www.aufarbeitungskommission.de.
Das BMJV unterstützt das Büro der Kommission mit zwei Referentinnen.
In der 18. Legislaturperiode konnten bereits zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes auf den Weg gebracht werden:
• 49. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht (am 27. Januar 2015 in Kraft getreten)
Das Gesetz sieht insbesondere folgende Änderungen vor: Verlängerung im Verjährungsrecht (Ruhen der Verjährung bei Sexualdelikten bis zum 30. Lebensjahr des Opfers; Ausdehnung auf weitere Straftaten, § 78b StGB), Strafbarkeit der unbefugten Herstellung, Weitergabe und Verbreitung von Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen oder von Bildaufnahmen unbekleideter Personen unter 18 Jahren (§ 201a StGB), sowie Strafbarkeit der unbefugten Verbreitung und Weitergabe von Bildaufnahmen, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, Erweiterung der Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und von Jugendlichen um weitere Verhältnisse sozialer Abhängigkeit (§ 174 StGB), Strafbarkeit des sog. Posings (ausdrückliche Aufnahme der „Wiedergabe von ganz oder teilweise unbekleideten Kindern in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ in den Begriff der kinder- und jugendpornographischen Schriften in §§ 184b, 184c StGB), Strafbarkeit des sog. Cybergroomings.
• 3. Opferrechtsreformgesetz (in Kraft getreten am 31. Dezember 2015)
Mit dem Gesetz werden die Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der Richtlinie 2012/29/EU über die Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten umgesetzt, insbesondere bei den Verfahrens- und Informationsrechten. Die Regelungen zur psychosozialen Prozessbegleitung treten am 1. Januar 2017 in Kraft. Besonders schutzbedürftige Opfer bekommen die Möglichkeit, vor, während und nach der Hauptverhandlung professionell begleitet zu werden. Insbesondere Kinder und Jugendliche, die Opfer schwerer Sexual- oder Gewaltdelikte geworden sind, erhalten einen Rechtsanspruch auf kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung
• Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen
Der Referentenentwurf gestaltet den Tatbestand des § 238 Absatz 1 StGB in ein potentielles Gefährdungsdelikt um, für dessen Verwirklichung es nunmehr ausreicht, dass die Handlung des Täters objektiv dazu geeignet ist, beim Betroffenen eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herbeizuführen. Ein tatsächlicher Erfolgseintritt ist zur Ahndung nicht länger notwendig. Maßgeblich ist jetzt eine Einschätzung der objektiven Geeignetheit der Tat zur Herbeiführung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensumstände beim Opfer. Der Referentenentwurf befindet sich derzeit in der Abstimmung mit den Ressorts, Länder und Verbänden.
• Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer
Der Gesetzentwurf enthält die zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen. Dabei handelt es sich um Ergänzungen der strafrechtlichen Vorschriften zum Menschenhandel, da das deutsche Recht den Erfordernissen der genannten Richtlinie bereits weitgehend Rechnung trägt. Zur Umsetzung des Koalitionsvertrages waren jedoch weitere gesetzgeberische Maßnahmen zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution sowie zur Einführung einer Strafbarkeit von Freiern Zwangsprostituierter erforderlich. Diese Maßnahmen sollen im Wege einer Formulierungshilfe zu einer Änderung bzw. Erweiterung des genannten Gesetzentwurfs führen. Das Bundeskabinett hat diese Formulierungshilfe im April 2016 beschlossen. Der Gesetzentwurf wird zur Zeit vom Deutschen Bundestag beraten. Die Bundesregierung strebt einen baldigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens an.
• Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung
Mit dem Referentenentwurf sollen Strafbarkeitslücken geschlossen werden, die im Zusammenhang mit der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung offenbar geworden sind. Gegenwärtig gibt es Handlungen, die nicht vom Sexualstrafrecht erfasst werden, obwohl sie die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers verletzen und damit strafwürdig sind. Durch die vorgesehenen neuen Straftatbestände macht sich zukünftig z.B. auch strafbar, wer für die sexuellen Handlungen einen Überraschungsmoment ausnutzt oder wer den Umstand ausnutzt, dass das Opfer von einer Gegenwehr absieht, weil es ein empfindliches Übel befürchtet. Mit den geplanten Änderungen wird die Bundesrepublik Deutschland zugleich dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. Mai 2011 noch besser gerecht werden.
• Präventionsprojekt „Kein Täter werden“
Das Projekt der Berliner Charité richtet sich an Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Durch therapeutische Maßnahmen soll einem sexuellen Missbrauch von Kindern vorgebeugt werden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die finanziellen Mittel im Jahr 2016 auf 585.000 € erhöht und setzt sich für eine Verstetigung der Förderung im Rahmen des Gesundheitssystems ein.
• Berliner Symposium zum Jugendkriminalrecht und seiner Praxis
Im Rahmen der vom BMJV und der Freien Universität Berlin ausgerichteten Veranstaltung diskutierten am 12. und 13. April 2016 mehr als 150 nationale und internationale Expertinnen und Experten des Jugendkriminalrechts aus Wissenschaft und Praxis über Wiedergutmachung im Jugendstrafrecht, das Jugendstrafverfahren in Europa und zu Problemen empirischer Forschung im Jugendstrafrecht sowie zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.
• Austausch von „Best Practice“
Gemeinsam mit den Bundesländern wurde ein Gesprächskreis zum Austausch von „Best Practice Opferschutz“ eingerichtet. Zielsetzung der ein- bis zweimal im Jahr stattfindenden Treffen ist ein Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern zu ausgewählten Themen des Opferschutzes – auch unter Einladung von externen Sachverständigen. Die Auftaktveranstaltung war am 13. Januar 2016; die nächste Veranstaltung findet am 22. November 2016 statt.
• Tag der Opferhilfe
Am 18./19. Januar 2017 wird das BMJV den Tag der Opferhilfe veranstalten. Eingeladen werden sollen Opferhilfeeinrichtungen, Vertreter aus den Landesjustizverwaltungen und Experten des Opferschutzes. Ziel ist ein Informationsaustausch möglichst vieler im Bereich des Opferschutzes tätiger Personen.