labour_kandidatEin Muslim regiert London

London wird erstmals von einem muslimischen Bürgermeister geführt. Der Labour-Kandidat Sadiq Khan siegte am Freitag klar gegen den Konservativen Zac Goldsmith. Europas Presse feiert die Wahl der Londoner Bürger, jedoch wird auch die Meinung vertreten, dass welche Religionszugehörigkeit auch immer ebenso keine Rolle spielen dürfe, wie persönliche Ängste.

THE INDEPENDENT (GB)

Londoner wählen Hoffnung statt Angst

Die Wahl Khans ist ein Beweis für die Weltoffenheit Londons, freut sich der Independent:

„Der Sohn eines Busfahrers und einer Schneiderin, aufgewachsen in einem Sozialbau, ist offiziell der Bürgermeister Londons. Sadiq Khans unglaublicher Aufstieg ins höchste Amt der Hauptstadt macht ihn nicht nur zum ersten muslimischen Bürgermeister von London, sondern gleichzeitig zu einer Bastion für Multikulturalismus, Integration und soziale Mobilität. Khan bat die Londoner, Hoffnung vor Angst zu wählen; ihn dabei zu unterstützen Geschichte zu schreiben und gegen Islamophobie und Negativpolitik aufzustehen. Und ratet mal was? Die Londoner haben genau das getan. … Wir sollten den Fakt feiern, dass London dem Rest der Welt gezeigt hat, dass Hoffnung stärker ist als Negativität und dass jeder, egal mit welchem Hintergrund, in dieser unglaublichen Stadt alles erreichen kann.“

Ehehab Khan   Zum Originalartikel

DER STANDARD (AT)

Glaube sollte egal sein, ist es aber nicht

Auch für den Standard ist es ein hoffnungsvolles Zeichen, dass Sadiq Khans Kontrahent sich nicht durchsetzen konnte:

„Sein Gegenspieler, der konservative Politiker Zac Goldsmith, setzte auf das in Europa derzeit um sich greifende Szenario, er setzte auf auseinanderdividierende Ängste und persönliche Untergriffe. Er verlor. Es ist tröstlich, dass konstruktive Politik jenseits von Panikmache in England durchaus eine Chance hat. Seit der Wahl mehren sich übrigens sowohl Stimmen, die Khan als Muslim feiern, der Bürgermeister wurde, als auch solche, die genau das verurteilen. Diese Hervorkehrung sei nicht passend. Einerseits haben diese Stimmen recht, es sollte 2016 egal sein, welches Glaubensbekenntnis oder welche Herkunft ein Bürgermeister hat. In einer Zeit, in der Schweineköpfe vor Moscheen landen, ist es aber gleichzeitig ein Geraderücken mancher Realitäten.“

Julia Rabinowich   Zum Originalartikel

LA VANGUARDIA (ES)

Integration ist möglich

Ein Zeichen des Wandels der Gesellschaft sieht La Vanguardia in der Wahl des im Arbeiterviertel Tooting aufgewachsenen Muslims Sadiq Khan zum Bürgermeister Londons:

„Dass Khan den aus einer jüdischen Bankerfamilie stammenden und am Elite-College Eton erzogenen Konservativen Goldsmith besiegt hat, zeigt, dass die Herkunft immer unwichtiger wird. … ‚Ich möchte, dass alle Londoner dieselben Chancen haben, wie sie mir und meiner Familie zuteil wurden‘, sagte der neue Bürgermeister. Eine der größten Sorgen der europäischen Nationen sind die jungen Muslime, die sich aus gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Gründen ausgegrenzt fühlen und um die Fundamentalisten und Terroristen werben. Sadiq Khan könnte zum Vorbild dafür werden, dass Integration möglich ist. Eine exzellente Nachricht.“

zur Homepage

Formiert sich der Widerstand gegen die PiS?

demo_warschauIn Warschau sind am Samstag nach Angaben der Stadtverwaltung 240.000 Menschen gegen die nationalkonservative PiS-Regierung auf die Straße gegangen. Für einige Kommentatoren ist dies eine historische Mobilisierung, auf die Europa reagieren muss. Andere glauben, dass der Protest nicht von der Masse der Bevölkerung getragen wird.

GAZETA WYBORCZA (PL)

Nun bekommt es die PiS mit der Angst zu tun

Diese Mobilisierung ist historisch und dürfte der Führungsriege Angst und Schrecken einjagen, glaubt die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza:

„Noch nie haben sich die Polen in der dritten Republik [Demokratie nach 1989] so entschieden gegen eine Staatsmacht gestellt. Diese Demonstration hat nicht nur bewiesen, dass der Widerstand gegen die PiS sehr stark geworden ist. Sie hat ebenso gezeigt, wie tief verankert in der Gesellschaft die Werte sind, für die wir auf die Straße gehen. Die Grundlagen unseres Lebens sind ein demokratisches Polen in der EU sowie ein Polen mit freien Bürgern, wo alle die gleichen Rechte haben. … Gegen solch eine Kraft ist die PiS machtlos. Wenn fast eine Viertelmillion Menschen auf die Straße gehen um zu protestieren, dann hat jede Staatsmacht die Hosen gestrichen voll.“

Marek Berlin   Zum Originalartikel

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Protestierende Polen verdienen Reaktion der EU

Für die Süddeutsche Zeitung zeigen die Demonstranten in Polen den anderen Europäern:

„Wir sind noch da. Inmitten der europäischen Großkrise ist es nicht selbstverständlich, wenn massenhaft die blaue Fahne mit den zwölf goldenen Sternen geschwenkt wird. Die Demonstranten in Warschau haben es getan und damit klargestellt, dass sie sich eine ihrer größten Errungenschaften nicht nehmen lassen: Bürger Europas zu sein. … Die Europäische Union ist entweder eine Gemeinschaft von Demokratien und Rechtsstaaten oder sie ist gar nichts. Davon wird sich die EU-Kommission in ihrer Auseinandersetzung mit der polnischen Regierung leiten lassen müssen. … Hunderttausende Polen haben ein Zeichen gesetzt. Sie verdienen eine Antwort.“

Daniel Brüssler   Zum Originalartikel

LIDOVÉ NOVINY (CZ)

Die Auflehnung der Massen bleibt aus

Dass es der polnischen Opposition nicht wirklich gelingt, einen umfassenden Widerstand gegen die Regierungspolitik zu organisieren, glaubt hingegen Lidové noviny:

„Der Ruf nach einer breitestmöglichen Unterstützung auf der Straße erklärt sich mit einem Blick auf die Meinungsumfragen. Obwohl die Opposition unablässig gegen die Regierung kämpft, gelingt es ihr nicht, die Mitbürger zu überzeugen. Auch kritische Worte aus dem Ausland helfen zum Erstaunen der Regierungsgegner nicht. Im Gegenteil: Wann immer die EU Sorgen über die Zustände in unserem Nachbarland äußert, wächst umgehend die Unterstützung für die Regierung. … Die Polen haben bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ganz klar gezeigt, dass sie grundlegende Veränderungen wollen. … Wichtiger als die treuen Anhänger der einzelnen Lager sind die breiten Schichten der Bevölkerung. Man muss abwarten, wie sie die ersten Ergebnisse der Reformen bewerten.“

Lukáš Skraba   zur Homepage

 

Mai 2016 | Allgemein, Junge Rundschau, Politik, Zeitgeschehen | Kommentieren